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Der Kurs von HelloFresh ist komplett kollabiert. War das der finale Sell-Off, oder ist das Schicksal des Unternehmens besiegelt?
Auf dem Tiefpunkt
Bei HelloFresh ist in den letzten Jahren alles schiefgegangen, was man sich nur vorstellen kann.
Selbst als das Geschäft noch dynamisch wuchs, ging es mit dem Kurs steil bergab.
Die Aktie wurde als ehemaliger Corona-Profiteur und als Wachstumsaktie betrachtet, zwei Kategorien, die spätestens ab 2022 in Ungnade gefallen sind.
Zeitweise war die Nachfrage so hoch, dass man sie kaum mehr bedienen konnte. Es kam zu Logistikproblemen, zu Verzögerungen bei Lieferungen, oder zu Lieferungen von falschen oder beschädigten Produkten.
Darüber hinaus machte die Inflation dem Unternehmen das Leben schwer, die Preiserhöhungen kamen bei vielen Kunden nicht gut an.
Hinzu kam ein zunehmender Wettbewerb durch andere Lebensmittellieferdienste und Kochbox-Anbieter sowie operative Probleme beim Aufbau der neuen Anlagen in den USA.
All das führte zu nachlassenden Wachstumsraten. Daher musste man mehrfach die Prognosen kürzen.
Es ist nicht allzu lange her, da wurde für 2025 noch ein Unternehmensgewinn von mehr als 2 Euro je Aktie erwartet – heute liegen die Konsensschätzungen bei 0,44 Euro.
HelloFresh kassiert die mittelfristigen Ziele
Die einstiegen Ziele sind in weite Ferne gerückt und daher ist es kein Wunder, dass immer mehr Anleger die Reißleine gezogen haben.
Als man Anfang März auch noch die mittelfristigen Ziele kassierte, führte das zu einer regelrechten Panik. Obwohl die Aktie bereits seit Monaten unter Druck stand, halbierte sich der Kurs innerhalb von zwei Tagen nochmal.
Doch bei all den Problemen, sollte man einige Dinge nicht vergessen:
HelloFresh hat einen gigantischen Kundenstamm, erzielt einen Jahresumsatz von mehr als 7 Mrd. Euro, hat bedeutende Vermögenswerte und ist nach wie vor profitabel.
Es wäre gut möglich, dass das alles sehr viel mehr wert ist als der aktuelle Börsenwert in Höhe von 1,11 Mrd. Euro. Schauen wir uns die Sache gemeinsam an.
Substanzwert vs. Börsenwert: Eine kritische Betrachtung
Es gibt mehrere Wege, sich dieser Fragestellung zu nähern. Darunter beispielsweise das Substanzwertverfahren.
Der Vorteil davon ist, dass das äußerst einfach ist, jedoch die möglichen Erträge und die Zukunftserwartungen nicht berücksichtigt. Man könnte den Ansatz auch als Rettungsanker bezeichnen.
An der Börse nutzt man hierfür gerne den Buchwert. Der liegt aktuell bei etwa 6,00 Euro je Aktie, würde den Kurs also auch dann noch rechtfertigen, wenn es zu einer Liquidation kommen würde.
Das gilt zumindest theoretisch, denn was man im Falle eines Verkaufs in der Realität wirklich erzielt, weicht mitunter weit vom Buchwert ab.
Der niedrige KBV ist aber ein erster positiver Hinweis, man sollte sich die Sache aber immer etwas genauer anschauen.
Im Buchwert können beispielsweise in großem Umfang immaterielle Werte enthalten sein. Die werden beim Substanzwertverfahren normalerweise berücksichtigt, können aber auch wertlos sein, daher setzen wir sie mit null an.
Schaut man sich den letzten Geschäftsbericht an (Link), stellt man fest, dass HelloFresh den Wert der Sachanlagen auf 1,30 Mrd. Euro beziffert, hinzu kommen eine ganze Reihe „kleinerer“ Posten.
Besonders interessant sind jedoch die Zahlungsmittelbestände, also Cash, in Höhe von 433 Mio. Euro. Dem stehen 649,3 Mio. Euro an langfristigen Verpflichtungen entgegen.
Unter dem Strich landet man bei einem Substanzwert, der in etwa dem aktuellen Aktienkurs und auch dem Buchwert entspricht.
Was sind 13 Millionen Kunden und … wert?
Doch wie bereits angesprochen, darin sind keinerlei andere Werte enthalten. Der Tatsache, dass man einen Jahresumsatz von 7 Mrd. Euro erzielt, profitabel ist und 13,3 Millionen aktive Kunden hat, wurde bisher keinerlei Wert zugesprochen.
Man kann sich vortrefflich streiten, was das alles wert ist oder langfristig sein könnte, doch sicherlich ist es mehr als „null“.
Langsam aber sicher könnte man zu dem Schluss kommen, dass HelloFresh unterbewertet ist.
Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man sich die operativen Kennzahlen anschaut. Trotz all der Probleme, hat HelloFresh an dieser Front auch Fortschritte erzielt.
Der freie Cashflow hat sich im vergangenen Jahr von -104,0 auf +78,0 Mio. Euro verbessert, am stärksten war das Schlussquartal mit einem FCF von 33 Mio. Euro.
HelloFresh kommt demnach auf einen P/FCF von 14,2 und das mitten in der Krise. Man muss kaum eine Verbesserung der Lage und keinerlei Wachstum unterstellen, um das zu rechtfertigen.
Darüber hinaus zeigt der FCF in Höhe von 0,44 Euro je Aktie, dass der gemeldete Gewinn von 0,11 Euro je Aktie durch diverse nicht cash-wirksame Posten gemindert wurde.
Ich muss es an dieser Stelle klar sagen: Die Analyse ist bisher wesentlich optimistischer als ich es zu Beginn angenommen hätte.
Cashflow ist King
Am überzeugendsten ist der Cashflow aus der laufenden Tätigkeit. Der konnte im vergangenen Geschäftsjahr von 313,4 auf 383,8 Mio. Euro gesteigert werden.
Da perspektivisch geringere Investitionen, zum Beispiel in den Ausbau der Kapazitäten, notwendig sein werden, dürfte der FCF überproportional steigen.
Selbst bei weitgehender Stagnation, könnte der freie Cashflow durch Rationalisierungsmaßnahmen, sinkende Investitionen und den Wegfall von Earn-Out-Zahlungen erheblich gesteigert werden.
Im abgeschlossenen Geschäftsjahr hat man die letzte Earn-Out-Zahlung in Höhe von 34,5 Mio. Euro an die ehemaligen Eigentümer von Factor75 beglichen. Auf Factor kommen wir später nochmal zurück.
Genau das stellt HelloFresh auch selbst in Aussicht:
„Trotz all dieser Investitionen haben wir im Jahr 2023 wieder einen positiven Free Cash Flow (FCF) erwirtschaftet und wollen den FCF pro Aktie mittelfristig deutlich steigern, da der Ausbau unserer Infrastruktur fast abgeschlossen ist.“
„Wir haben zwar strikte Disziplin bei der Entwicklung der allgemeinen Verwaltungskosten und des Personalbestands im Jahr 2023 walten lassen, doch sehen wir Möglichkeiten zur Vereinfachung unseres Geschäftsmodells und zur Erzielung zusätzlicher Einsparungen, die sich sowohl auf die Reduzierung der Kosten als auch auf die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung auswirken werden.“
Aktienrückkäufe und Factor 75
Daher ist es folgerichtig, dass HelloFresh die liquiden Mittel in Höhe von 433 Mio. Euro (rund 40% des Börsenwerts) auch dazu verwenden will, um eigene Aktien einzuziehen.
Dazu hat man Buybacks in Höhe von 150 Mio. Euro beschlossen, was aktuell in etwa 13,5% des Börsenwerts entspricht.
Abschließend wäre noch Factor75 hervorzuheben. Dabei handelt es sich um fertige Mahlzeiten, die nur noch erhitzt werden müssen. Kochen und schnippeln, wie bei den Kochboxen, entfallen komplett.
Den Anbieter von fertigen Mahlzeiten („ready to eat“) hat man vor einigen Jahren für 277 Mio. USD übernommen.
Damals peilte das Unternehmen einen Jahresumsatz von 100 Mio. USD an.
Seit der Übernahme hat sich der Umsatz von Factor verzehnfacht, im letzten Geschäftsjahr lag das Wachstum bei 60%.
Eigenständig könnte Factor heute mehr wert sein als HelloFresh als Ganzes. Vermutlich ist es auch das bessere Geschäftsmodell und könnte die Kochboxen zunehmend ersetzen.
HelloFresh notiert wieder nahe des Allzeittiefs und bisher ist kein belastbarer Boden zu erkennen.
Da die Stimmung am absoluten Tiefpunkt angekommen ist und die meisten Anleger die Aktie innerlich bereits abgeschrieben haben, könnten geringfügige Verbesserungen der geschäftlichen Lage einen Kurssprung auslösen.
Die Aktie ist aber sicherlich nicht für jedermann geeignet, es muss mit einer erhöhten Volatilität gerechnet werden.
Das größte Problem ist aus meiner Sicht, dass HelloFresh in der Vergangenheit immer wieder zu optimistische Prognosen abgegeben und sie dann nicht erfüllt hat. Das hat das Vertrauen der Anleger zerstört und darf sich keinesfalls wiederholen.
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