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Am Donnerstagabend fehlten dem Euro Stoxx 50 gerade mal ca. 4,1 Prozent zum Hoch vom November 2021. Was kein Rekordhoch war, aber der höchste Stand seit Anfang 2008. Und das bei bärischen Konjunkturdaten und steigenden Leitzinsen. Worauf setzen die Käufer hier?
Sie setzen darauf, dass es der Konjunktur und mit ihr den großen, im Euro Stoxx 50 gelisteten Unternehmen gelingt, eine Brücke zu schlagen, indem sie ihre Gewinne hochhalten, bis das Wachstum durchstartet und die Leitzinsen wieder sinken. Diese Hoffnung basiert allerdings auf einer auffällig selektiven Wahrnehmung, indem man z.B. nur diejenigen Aussagen der EZB zur Kenntnis nahm, die dieses Szenario stützen würden.
So sagte Christine Lagarde im Zuge der Pressekonferenz im Anschluss an die Verlautbarung der Entscheidung, den Leitzins um 0,5 Prozent auf jetzt 3,0 Prozent anzuheben, dass man momentan erwarte, dass die Energiepreise signifikant nachgeben werden und die Inflation dadurch schneller als erwartet zurückkommen könne. Zudem sieht die EZB die Konjunktur der Eurozone als stabiler an, als man es im Herbst noch vermutet hatte und erwartet, dass die Wirtschaft sich über die nächsten Quartale hinweg erholt. Das klingt ohne Zweifel bullisch.
Doch es gab eben auch Aussagen, die für den Aktienmarkt ganz und gar nicht bullisch gewesen wären, hätte man sie nicht umgehend aus der Wahrnehmung entfernt. So war es ein Novum, dass die EZB gleich mit dieser Zinserhöhung ankündigte, den Leitzins auch in der nächsten Sitzung im März um weitere 0,5 Prozent anzuheben.
Zudem betonte Frau Lagarde, dass in allen konjunkturellen Szenarien signifikante Zinserhöhungen nötig seien. Man wird – und nicht „man überlegt“ – den Zins in den restriktiven Bereich anheben, der jetzt noch nicht erreicht sei. Und sie unterstrich, dass man gut daran täte, die Entschlossenheit der EZB nicht anzuzweifeln. Trotzdem wurde massiv weiter gekauft. Welche Karte spielen die Bullen da?
Expertenmeinung: Sie wetten darauf, dass die Zinserhöhungen zeitlich eng begrenzt sein werden und imstande sind, die Inflation so schnell niederzuringen, dass die Unternehmensgewinne nicht nennenswert unter Druck kommen. Ist das wahrscheinlich?
Es ist nicht ausgeschlossen, aber derzeit wäre es die weniger wahrscheinliche Variante der kommenden Monate. Denn dass höhere Zinsen mit drei bis sechs Monaten Verzögerung wirken, weiß man. Und jetzt beginnen einige Konjunkturdaten, unschön auszusehen, zuletzt z.B. der deutsche Einzelhandelsumsatz und der Auftragseingang, aber auch der Export und der Import im Dezember. Und in den USA, wo man von der Konjunktur her etwa drei Monate voraus ist, sind die Konjunkturdaten bereits äußerst unerfreulich.
Richtig ist, dass große Unternehmen sich länger halten können und werden als kleine und mittlere Firmen, so dass der Grundgedanke, dass die großen Konzerne im Euro Stoxx 50 imstande sein werden, sich eine Zeitlang auf hohem Niveau durchzuschlängeln, nicht falsch ist. Aber andererseits muss man sich nur das langfristige Chartbild des Euro Stoxx 50 ansehen oder den überkauften Level der Markttechnik auf Tagesbasis, um zu sehen:

Der Index ist jetzt schon sehr nahe an dem Punkt, an dem man zur Jahreswende 2021/2022 sicher war, dass die Inflation schnell verschwinden würde, die Leitzinsen bei null bleiben und das Wachstum durchstarten wird. Jetzt haben wir weder noch, aber einen europäischen Leitindex, der ein Best Case-Szenario einpreist.
Rein charttechnisch betrachtet ist dieser Ausbruch über die Seitwärts-Spanne der letzten Wochen natürlich bullisch und der Weg bis an diese beiden Hochs vom November 2021 und Januar 2022 im Bereich 4.396/4.415 Punkte frei.
Aber es ist ja nicht nur so, dass der Weg bis zum Erreichen der Phase niedriger Inflation, sinkender Leitzinsen und starkem Wachstum länger sein könnte als die meisten denken. Es ist nicht einmal sicher, ob es überhaupt gelingt, ein solches Szenario zu erreichen, das man jetzt bereits eingepreist hat.
Daher sollte man bei diesem steilen Anstieg nicht nur nach dem Gipfel Ausschau halten, sondern immer auch nach unten schauen. Was heißt: Long-Trades müssen konsequent gegen die bisweilen ja ohne Warnung zurückkehrende Realität abgesichert werden. Sobald der Index die Supportzone 4.027/4.047 und mit ihr dann auch den steilen Aufwärtstrendkanal durchbrechen sollte, würden die Bullen auf einmal ein äußerst ungutes Blatt in Händen halten. Das muss nicht so kommen, erst recht nicht kurzfristig. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es jederzeit so kommen kann.

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