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Warum das Umfeld entscheidend ist, was die Kehrtwende bedeutet und was Shopify in Wirklichkeit wert sein könnte.
Kurssprünge ohne fundamentalen Grund
Es ist nicht lange her, seitdem ich mich zum letzten Mal positiv zu Shopify geäußert habe. Seitdem ist es zu extremen Kurskapriolen gekommen. Zuerst ist der Kurs von 58 auf 70 USD gestiegen, nur um im Zuge der Nikkei-Panik kurz unter 50 USD zu fallen.
Nur 10 Tage später notiert die Aktie jetzt bei 74,85 USD.
Derartige Kurssprünge kann man nur als Irrsinn bezeichnen. Mit der fundamentalen Realität des Unternehmens hat das nichts zu tun.
Der intrinsische Wert des Unternehmens hat sich in den letzten 10 Tagen kaum verändert, der Kurs ist aber um mehr als 50% gestiegen.
Größtenteils ist das auf das Umfeld zurückzuführen. Erst wurde die Aktie ohne jegliche News panikartig abverkauft.
Man kann nur vermuten, warum das der Fall war. Es ist eher unwahrscheinlich, dass besonders viel Geld aus dem Yen-Carry-Trade in Shopify gesteckt hat, aber wer weiß das schon.
Warum das Umfeld entscheidend ist
Anschließend, als die Märkte eine komplette Kehrtwende vollzogen, legte Shopify starke Quartalszahlen vor. Die kamen genau im richtigen Moment, als sich die Bullen ohnehin schon im Vollgas-Modus befanden.
An der Börse kommt es oft auf das Timing an. Doch nicht so, wie Timing an der Börse in der Regel verstanden wird.
Was bei Shopify passiert, ist ein Paradebeispiel dafür, welchen Unterschied es macht, in welchem Umfeld Geschäftszahlen vorgelegt werden.
Ich erinnere mich noch gut an 2021. Damals ging es mit den Kursen unaufhörlich aufwärts, selbst wenn Unternehmen eher mittelprächtige Zahlen meldeten.
Nur ein Jahr später war genau das Gegenteil der Fall, vor allem im Technologie-Umfeld. Bei vielen Unternehmen lief es prächtig, doch Quartal um Quartal wurden die positiven Entwicklungen ignoriert. Nichts war gut genug.
Das ist nur einer der vielen Faktoren, die dazu beitragen, dass die meisten Anleger eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Fundamentaldaten aufgegeben haben.
Die Kursschwankungen an der Börse sind derart erratisch und unlogisch, dass es so erscheint, als könnte man mit fundamentalen Erwägungen keinen Blumentopf gewinnen.
Sind sinnfreie Kursbewegungen eine gute Nachricht?
In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Je mehr Anleger lieber Kasino spielen (und unweigerlich verlieren), umso profitabler werden faktenbasierte Strategien wie Value-Investing oder GARP (Growth at a reasonable price).
Wer beispielsweise zu dem Schluss gekommen ist, dass der intrinsische Wert von Shopify eher bei 80 oder 100 liegt, der konnte die Panik Anfang vergangener Woche für sich nutzen.
Das ist zwar leichter als getan, doch viel mehr gehört nicht dazu. Andernorts hatte ich am 5. August zum Beispiel zum Kauf von Amazon ab 160, Nvidia ab 100 oder Wix ab 140 USD geraten. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Wie hoch der intrinsische Wert eines Unternehmens ist, darüber lässt sich vortrefflich streiten und eine genaue Antwort darauf gibt es auch nicht, schließlich kennen wir alle die Zukunft nicht.
Bevor wir zu Shopify zurückkehren, möchte ich Ihnen daher einen Rat mit auf den Weg geben. Es handelt sich dabei um einen Lackmustest für Seriosität und Vertrauenswürdigkeit.
Je expliziter und absoluter die Aussagen sind, umso geringer ist die Seriosität und Vertrauenswürdigkeit des Senders.
Je größer die Versprechen und je kleiner der Zeitraum, in dem sie erreicht werden sollen, umso geringer ist die Seriosität.
Je mehr mit Gier und Angst gearbeitet und geschürt wird, umso geringer ist die Seriosität.
Lackmustest für Seriosität und Vertrauenswürdigkeit
Wenn man Ihnen also verspricht, dass Sie mit einer Strategie in wenigen Monaten aussorgen können, Sie mit DIESER Aktie 581% Gewinn erzielen, Sie ohne XYZ all Ihr Geld verlieren werden oder morgen die Welt untergeht, will man sie nur ausnehmen. Punkt und Ende.
Die meisten Börsenbriefe und Experten verkaufen Ihnen den Traum vom schnellen Reichtum. Doch damit verdienen nur die Börsenbriefe Geld, als Anleger hat man damit keinen dauerhaften Erfolg.
Das geht nur mit einem disziplinierten und datenbasierten Ansatz, dem richtigen Mindset und dem richtigen Zeithorizont.
Wie immer hat es Charlie Munger längst auf den Punkt gebracht: „Wir wissen nicht, wie wir schnell reich werden können, aber wissen, wie es langsam geht.“
Was könnte Shopify also wert sein?
Dieser Frage kann man sich von mehreren Seiten nähern. Eine Möglichkeit ist, die Sache „vom Ende her“ zu denken.
Den aktuellen Konsensschätzungen zufolge soll der freite Cashflow von Shopify im laufenden und den kommenden beiden Jahren jeweils um 29 – 49% steigen. Dabei handelt es sich um außergewöhnlich hohe Wachstumsraten. Obendrein ist das Geschäftsmodell von einer hohen Kundenbindung und wiederkehrenden Einnahmen geprägt und gut skalierbar.
Hat ein Unternehmen erst einen Shop bei Shopify eingerichtet, ist der Aufwand, um zur Konkurrenz zu wechseln, enorm. Fortan fließen laufend Gebühren und Provisionen an Shopify.
Da jeder weitere Kunde von Shopify kaum Kosten, aber Einnahmen generiert, ist das Geschäft offensichtlich gut skalierbar. Das ist immer gut, umso mehr in einem gigantischen Markt wie E-Commerce. Darüber hinaus kann Shopify das Wachstum aus dem laufenden Cashflow finanzieren.
All diese Faktoren sprechen dafür, dass sich eine hohe Bewertung rechtfertigen lässt. Man könnte beispielsweise argumentieren, dass Shopify doppelt oder eher dreimal so schnell wie der S&P500 wächst und sich daher auch eine doppelt so hohe Bewertung rechtfertigen ließe.
Die Kunst der Bewertung: Was ist Shopify wirklich wert?
Das würde bedeuten, dass ein P/FCF von 54 für Shopify fair wäre. Viele Anleger wären niemals bereit, derartige Bewertungen auf den Tisch zu legen. Und das ist ihr gutes Recht.
Die Realität ist aber, dass der P/FCF von Shopify noch nie unter 60 lag. Daher lässt es sich nicht ganz von der Hand weisen, dass wir uns in einer Region bewegen, die der Markt für angebracht hält – und das seit nahezu einem Jahrzehnt.
Der Kurs von Shopify ist in dieser Zeit um mehr als 40% pro Jahr gestiegen, obwohl wir heute meilenweit von den Höchstständen entfernt sind.
Gehen wir also weiterhin davon aus, dass ein P/FCF von 54 fair ist. In diesem Szenario ergeben sich für Ende 2026 Kursziele zwischen 96,12 und 108,00 USD.
Das entspräche einer annualisierten Rendite zwischen 11 und 17%.
Natürlich lassen sich weitaus negativere oder positivere Szenarien ableiten. Vermutlich werden viele Growth-Investoren die Projektion als zu niedrig abstempeln und Value-Investoren werden bei einem P/FCF von 54 nur den Kopf schütteln. Aber bedeutet das nicht, dass wir uns in einem sinnvollen Mittelfeld bewegen?
Oder doch lieber das KUV?
Abschließend nähern wir uns der Frage nach der fairen Bewertung noch von einer Richtung, die den Bullen wesentlich besser gefallen wird.
In den fünf Jahren vor 2020, als die Welt noch etwas normaler erschien, lag das KUV von Shopify durchschnittlich bei 12,4.
Seitdem sind die Wachstumsraten zwar gesunken, die Profitabilität hat aber wesentlich zugenommen. Wir haben also Argumente für beide Seiten. Bleiben wir daher einfach bei einem KUV von 12,4.
Daraus ergibt sich für dieses Jahr ein Kursziel von 82,33 USD und auf Sicht von 16 Monaten ein Kursziel von 99,20 USD.
Das entspricht jeweils einer annualisierten Rendite von deutlich über 20%.
Wie Sie sehen, ist die Einschätzung des intrinsischen Werts komplex und es ergeben sich je nach Kennzahl unterschiedliche Szenarien.
Und selbst damit haben wir heute nur an der Oberfläche gekratzt, schließlich haben wir nur eins von vielen Bewertungsmodellen (Extrapolation) genutzt.
Fazit:
Es ist nicht notwendig und auch nicht möglich, den exakten Wert eines Unternehmens zu kennen. Wer ihn aber auf 80 oder 100 USD eingrenzen kann, weiß, dass es sich bei Kursen von 50 USD um ein Schnäppchen handelt.
Lassen Sie sich nicht von Versprechungen vom schnellen Reichtum hinreißen. Beschäftigen Sie sich mit Fundamentaldaten und Bewertungsmodellen oder kaufen Sie sich die Expertise ein. Ihr Depot wird es Ihnen danken.
Je mehr Anleger sich der Kasinomentalität hingeben, umso profitabler werden Strategien, die auf rationalem Denken beruhen.
Gelingt jetzt ein nachhaltiger Ausbruch über 75 USD, kommt es zu einem prozyklischen Kaufsignal mit möglichen Kurszielen bei 80 und 90 – 91,50 USD. Der Aufwärtstrendkanal würde sogar noch mehr Raum bieten.
Größere Rücksetzer dürften sich als Gelegenheit herausstellen.
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