Börse aktuell

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Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 07.-13.10.2024

Der Dow Jones Transportation Average: Diesen Index sollte man immer im Blick behalten

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In diesem Artikel

Dow Jones Transportation
ISIN: XC0009694214
|
Ticker: DTX
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Währung: Punkte

Der Dow Jones Transportation Average wurde zeitgleich mit dem Dow Jones Industrial Average, dem heutigen Index-Flaggschiff, von Charles Dow und Edward Jones kreiert. Medial steht der Transport-Index im Schatten seines „großen Bruders“ – aber zu Unrecht. Denn er ist ein sehr wertvolles Tool wenn es darum geht, Risiken für den Gesamtmarkt einzuordnen.

Ah, es geht um diese „Dow-Theorie“, wird manch einer jetzt denken. Nein, auch, wenn der Dow Jones Transportation Average, den ich im Folgenden kurz „Dow Transportation“ nenne, da eine Rolle spielt:

Mit dieser uralten, sechs Thesen umfassenden Theorie des Index-Entwicklers Charles Dow gehe ich nicht so recht konform, weil da einige Aspekte eingebunden sind, die ich als unrichtig ansehe, z.B. die Unterstellung, dass alle Anleger alles wissen und daher auch alle Informationen in den Kursen enthalten sind. Die Realität ist eine andere: Anleger könnten alles wissen, ignorieren aber das, was ihnen nicht in den Kram passt, so dass diejenige Sichtweise, die mehr Geld in den Ring wirft, den Trend dominiert, dieser aber somit nicht mit der Faktenlage konform gehen muss.

Wobei genau dieser Aspekt einen Bogen zurück zum Dow Transportation schlägt. Denn das, was ihn aus meiner Sicht so wichtig und als Analyse-Tool wertvoll macht, ist: Er kann Signale aussenden, die die Masse zwar lange, aber eher nicht auf Dauer ignorieren kann, so dass ich ihn in den Rang eines „Frühwarnsystems“ erheben würde.

Der Dow Jones Transportation Average ist … was genau?

Dieser 1884 entwickelte Index repräsentiert seit jeher alles, was im Bereich des Aktienmarkts die Logistik umfasst. Heute sind das 20 Aktien aus den Branchen Airlines, Bahngesellschaften, Frachtschifffahrt, Paket- und Mitfahrdienste. Anfangs waren es elf Aktien, davon neun Eisenbahngesellschaften, ein Schifffahrtunternehmen und die damals wegen des Telegraphendienstes als „Nachrichtentransport-Unternehmen“ anzusehende Western Union.

Heute sind folgende Aktien mit von der Partie: Fünf Airlines (Alaska Air, American Airlines, Delta Airlines, Southwest Airlines und United Airlines), zwei Lieferdienste (FedEx und UPS), vier Frachtunternehmen (Expeditors International, Ryder, J.B. Hunt und Landstar System), der Mitfahrdienst Uber, der Autovermieter AVIS, die Lkw-Spediteure C.H. Robinson und Old Dominion Freight Line. Dazu die Schifffahrt-Logistiker Matson Inc. und Kirby Corporation und drei Eisenbahngesellschaften (Norfolk Southern, Union Pacific und CSX).

Kurz: Dieser Index enthält alles, was mit Fracht- und Personentransport zu tun hat. Wieso ist das für die Beurteilung der Lage des Gesamtmarkts von Belang?

Der Transportation-Index muss laufen, sonst stimmt was nicht

Weil dieser Index dadurch ein sehr gutes Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage ist. Einzelne Branchen können gut oder schlecht laufen, von den Anlegern favorisiert, ignoriert oder verkauft werden und dadurch einen steigenden oder fallenden Gesamtmarkt auslösen, denken wir da z.B. aktuell an den „KI-Hype“. Aber wenn der Trend am Gesamtmarkt stabil sein soll, ist das nur möglich, wenn die konjunkturelle Lage und Perspektive der gesamten Volkswirtschaft dazu passt. Eine Baisse am Aktienmarkt bei solidem Wirtschaftswachstum hat ebenso keine lange Lebenserwartung wie eine Hausse ohne ein begleitendes, robustes Wachstum. Und genau da setzt die Betrachtung des Dow Transportation an:

Ein robustes Wirtschaftswachstum geht mit mehr Frachtverkehr, mehr Konsum und damit mehr Paketverkehr und einer verstärkten Reisebereitschaft der Verbraucher einher. Das bedeutet: Wenn das Wachstum der USA wirklich solide ist, muss es genau diesen 20 Unternehmen mehrheitlich gut gehen. Ihre Umsätze und Gewinne müssten im Aufwärtstrend sein und der entsprechende Index ebenso. Ist das der Fall, hat man für eine Hausse des Dow Jones bzw. des US-Aktienmarkts insgesamt eine gute Basis. Ist das aber nicht so, sollte man äußerst vorsichtig werden. Und das ist nicht nur in der reinen Theorie richtig. Der Dow Transportation hat in dieser Hinsicht schon oft gute Prognosequalität gezeigt, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen:

Beispiele für den Dow Transportation als „Gefahrenindikator“

Dass es sich dabei vor allem um Warnsignale für Abwärtswenden des Gesamtmarkts handelt und der Dow Transportation als Vorbote einer Aufwärtswende eher nicht taugt, hat einen nachvollziehbaren Hintergrund:

Das Vorwegnehmen einer positiven Entwicklung ist mit großem Abstand beliebter als dunkle Wolken am Horizont in eigene Aktivität umzusetzen. Wachstum ist nun einmal positiv, das will man haben, da greift man gerne vor … und bleibt dann auch entsprechend lange geduldig dabei, wenn sich Hoffnungen nicht sofort bewahrheiten. Daher gab es beispielsweise 2003 bei der Wende nach der Baisse noch ein neues Tief im Transport-Index, während der Dow Jones ein über dem vorherigen liegendes Zwischentief ausbildete, wie wir im folgenden Chart sehen:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2002 bis 2003 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2002 bis 2003 | Quelle: marketmaker pp4

Aber was Abwärtswenden angeht, hat er sich auffallend oft als Warnsignal bewährt, gerade weil nicht nur die Logik, dass der Logistik- und Beförderungssektor laufen muss, wenn das Wachstum etwas taugen soll, sondern auch die Psychologie diese Funktion stützt. Denn hier, in diesen für Trader nicht so wirklich inspirierenden Branchen, zeigt sich eher die Realität als in den „spannenden“ Hightech-Aktien, die eben auch dann noch wild gekauft werden, wenn die Lage das gar nicht mehr hergeben würde. Einfach, weil man vor allem dann, wenn einem Gier und Leichtsinn die Hand führen, Gefahren nicht erkennen will oder sogar nicht erkennen kann.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones Transportation im Vergleich von 1998 bis 2001 während der Internetblase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und Dow Jones Transportation im Vergleich von 1998 bis 2001 während der Internetblase | Quelle: marketmaker pp4

Die vorstehende Grafik zeigt, wie der Dow Transportation bereits weit vor dem „Dot.Com-Crash“ des Jahres 2000 nach unten abdrehte. Die Gier trieb die Tech-Werte derweil immer höher und höher. Aber wer sah, dass der Transport-Index bereits 1999 in die Baisse überging, war dahingehend gewarnt, dass man in Sachen Dauer-Hausse auf dünnstem Eis unterwegs war.

Ebenso als hilfreich erwies sich der Dow Transportation vor dem Platzen der Subprime-Blase 2008. Der Transportindex zeigte klar, was man eigentlich hätte erkennen können, aber mehrheitlich nicht sehen wollte: Natürlich hatte der einbrechende Immobilienmarkt massiv negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Dass der Dow Transportation schon im Sommer 2007 deutlich zurückfiel, war ein klares Warnsignal. Trotzdem markierte der Dow Jones im Oktober noch ein neues Hoch. Diejenigen, die da noch kauften, hätten sich besser vorher den Dow Transportation angeschaut.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2005 bis 2008 während der Subprime-Blase | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2005 bis 2008 während der Subprime-Blase | Quelle: marketmaker pp4

Das gleiche Spiel beim Corona-Crash 2020. Es war absehbar, dass hier große Probleme entstehen würden, die Weltwirtschaft nahezu zum Stillstand kommen könnte. Der Dow Transportation reagierte umgehend, als sich das klarer abzeichnete. Aber während der ein unter dem vorherigen Hoch liegendes Zwischenhoch ausbildete, erreichte der Dow Jones noch ein neues Allzeithoch. Diese Divergenz hätte man besser ernst genommen. Und wie sieht es heute aus?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2019 bis 2020 während des Corona-Crashs | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2019 bis 2020 während des Corona-Crashs | Quelle: marketmaker pp4

Wie sieht es aktuell aus?

Auch aktuell haben wir eine solche Divergenz, auf mittelfristiger ebenso wie auf kurzfristiger Ebene. Der US-Arbeitsmarkt kommt trotz hoher Zinsen scheinbar stark daher, die Wachstumsdaten der Regierung sind hervorragend. Aber es fällt … wenn man hinsehen will … auf, dass viele Transportunternehmen derzeit gar nicht glücklich sind. Da stimmt also irgendetwas nicht, denn wäre die US-Wirtschaft in einer Verfassung, die eine Dauer-Hausse von einem Rekordhoch zum nächsten unterfüttern würde, müssten die Transportunternehmen bester Stimmung sein und der Dow Transportation laufen wie geschnitten Brot. Das tut er aber nicht.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2021 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich von 2021 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Der Dow Jones, aber auch die meisten anderen großen US-Indizes, markiert seit Herbst 2023 ein neues Rekordhoch nach dem anderen. Der Dow Transportation aber nicht, da liegt das bisherige Rekordhoch fast drei Jahre zurück! Trotzdem peitschte der Transportindex den Gesamtmarkt immer wieder voran, seine Rallyes waren der Beleg, dass im Transport-Sektor Leben drin ist. Aber seit Anfang 2024 passt etwas nicht. Der Dow Transportation müht sich an der Börse aktuell im Sägezahn-System voran, läuft unter dem Strich seitwärts, die Bilanzen der meisten Index-Unternehmen sind nicht überzeugend. Sehen wir uns das nochmal in „Nahaufnahme“, nur für den bisherigen Jahresverlauf, an:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation im Vergleich im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Wir sehen hier, dass der Dow zwar ein Outperformer war, aber im Juli und August noch auf die Abwärts-Rucks des Dow Transportation reagierte. Aber seit einem Monat sieht das anders aus: Der Dow Transportation sackt immer wieder weg, beim Dow Jones gibt es dazu aber keine Reaktion mehr. Das ist kein Beweis, aber ein Indiz dafür, dass man es wieder einmal auf die Spitze treibt. Wann das zu einem „bösen Ende“ führt, kann eine solche Divergenz des Dow Transportation zum Gesamtmarkt nicht vorhersagen. Aber dass das Risiko jetzt größer wird, das kann man hier erkennen … und entsprechend Vorsicht walten lassen!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

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Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Wer Geld der Anleger verwalten und vermehren soll, kann keine bessere Werbung haben als Gewinne. Nur, wenn der Aktienmarkt zulegt, kommt viel frisches Geld von außen herein. Das Ende eines Quartals wird da besonders beachtet, Quartalsperformances sind wichtige Werbeargumente. Da lohnt es, diese Performance so gut es geht zu optimieren. Was vor allem dann oft gelingt, wenn man über einen Fahrplan verfügt, dessen Haltestellen Notenbankentscheidung, Terminmarkt-Abrechnung und Quartalsultimo heißen. Aber Letzterer ist heute … was kommt danach?

Diese zeitliche Nähe einer US-Notenbankentscheidung zu einer Abrechnung an der Terminbörse hat mir schon immer Unbehagen bereitet. Denn das sorgt für gewaltige Schwankungen und oft unlogische, nicht dauerhaft haltbare Impulse – nahezu immer nach oben – die auf wenig erfahrene Anleger wirken, als hätte die US-Notenbank mal wieder den Weg für die ewige Hausse freigemacht. Noch brenzliger wird das, wenn wie in diesem Fall die Terminmarkt-Abrechnung spät im Monat stattfindet und dadurch auch dahinter ein wichtiger, den Trend meist intensivierender Termin liegt: ein Monatsultimo oder, in diesem Fall, sogar ein Quartalsultimo.

Da bietet es sich für große Adressen, die besonders gut leben, wenn eine starke Performance zu Stichtagen wie Quartalsenden werbewirksam frisches Geld der Sparer anzieht, an, dieses Termin-Trio Notenbankentscheidung, Abrechnungstermin und Quartalsende zu nutzen, um die Performance gezielt zu befeuern. Eine ideale Basis für eine Rallye mit drei Durchgangs-Haltestellen und einer vierten hinter der Grenze, sprich im neuen Quartal, das morgen beginnt.

Die Frage ist nur, ob diese vierte, noch nicht sichtbare Haltestelle für die Bullen erneut nur eine Etappe auf dem Weg zu noch höheren Kursen ist … oder die Endstation.

Am 11. September wurde der Fahrplan geschrieben

Natürlich kann das Umfeld auch ganz von sich aus geeignet sein, zum Ende eines Quartals zackig steigende Kurse hervorzurufen. Aber das sollte man besser ein wenig abklopfen. Ja, primär ist für einen Trader der Trend entscheidend und nicht, was dahinter stehen könnte. Aber wenn dann so gar nichts dahintersteht, ist es für einen mittel- und langfristigen Investor wichtig, zu wissen, dass er gerade Potemkin’sche Dörfer bewundert. Und für einen Trader ein guter Grund, um besonders vorsichtig zu agieren. Also, wie schaut es aus mit dem Fundament dieser am 11./12. September begonnenen Rallye? Führen die drei bekannten Haltestellen in blühende Landschaften oder über eine Klippe in den Abgrund? Sehen wir uns das mal anhand des marktbreiten US-Index S&P 500 an:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Q3 2024 mit wichtigen Ereignissen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 im Q3 2024 mit wichtigen Ereignissen | Quelle: marketmaker pp4

Auffällig war die Sache bereits am 11. September geworden. Da kamen die US-Inflationsdaten für August herein und boten keine neuen Argumente für schnellere oder stärkere US-Zinssenkungen. Die Preise stiegen wie erwartet, in der Kernrate sogar einen Zehntelpunkt stärker als gedacht, die Teuerung blieb im Jahresvergleich mit 2,5 Prozent in der Gesamt- und 3,2 Prozent in der Kernrate zu hoch. Der Chart zeigt, dass der S&P 500 an diesem Tag zuerst wegrutschte, dann aber knapp über dem Monatstief vom vorherigen Freitag drehte und einen gewaltigen Intraday-Turnaround hinlegte – und das eben ohne Grund, so sehr aus den Schuhen zu springen. In diesem Moment ließ sich ahnen: Da soll ein Zug über drei Stationen zur Bergstation laufen.

Die US-Notenbank und die Hausse: Was gab’s denn da zu jubeln?

Dann kam die US-Notenbanksitzung. Ja, die „Fed“ senkte den Leitzins um einen halben Prozentpunkt, darüber hinaus deuteten die Projektionen für den Leitzins an, dass da noch in diesem Jahr weitere 0,50 bis 0,75 Prozent drin sein könnten. Das sorgte direkt nach der Entscheidung für einen Kurssprung, doch dann kamen Verkäufe auf: Alle drei großen US-Indizes schlossen im Minus, weil Investoren erkannten, dass man mit dieser initialen Reaktion nach oben zum x-ten Mal auf den selben Geburtstag anstößt, weil man letztlich ja schon seit Ende Oktober 2023 auf genau das setzte: Auf Zinssenkungen. Sie waren der Hauptgrund dafür, dass die US-Indizes und in deren Schlepptau die der Eurozone immer höher und höher liefen. Das heißt: Da war nicht nur der Zinsschritt vom Mittwoch eingepreist, sondern auch viel von dem, was noch kommt.

Und man sah zudem, dass die Notenbank zum einen nicht erwartet, dass die Inflation sicher und schnell an die Zwei-Prozent-Zielmarke läuft und dass sie weiterhin davon ausgeht, dass der Leitzins bei einer Normalisierung der Gesamtsituation nicht wie die Jahre zuvor bei null, sondern um drei Prozent liegen wird. Zu viel für ein mit den Jahren der Nullzinsen vergleichbares Konsumwachstum als „Booster“ der Unternehmensgewinne. Also nahm man die Chane neuer Hochs wahr und machte ein wenig Kasse. Aber dann …

… passierte ein scheinbares Wunder aus Sicht der Bullen: Am nächsten Tag startete der US-Aktienmarkt nicht nur wieder höher. Er startete gleich über den abverkauften Hochs des Vortages, wie der folgende Chart des Nasdaq 100 auf Intraday-Basis (Zeitraster 15 Minuten pro Kerze) zeigt!

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 rund um die Notenbanksitzung im September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 rund um die Notenbanksitzung im September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dabei gab es eigentlich keine Argumente dafür. In Sachen Notenbank gab es nichts Neues. Und der am Donnerstag vor dem Start im Plus gemeldete Konjunkturindex der US-Notenbank von Philadelphia indizierte, dass die Inflation ein Risiko bleibt. Warum also dieser abrupte Sprung, losgetreten dadurch, dass mitten in der Nacht im asiatischen Handel die US-Index-Futures immer höher und höher gezogen wurden? Ganz einfach: Haltestelle Nummer 1 auf dem Weg zu Rekorden am Quartalsende, sprich die Reaktion auf die US-Notenbank, drohte zum Rohrkrepierer zu werden. Das musste „repariert“ werden. Und es wurde repariert. Damit war alles klar für Haltestelle Nummer 2, die Terminmarkt-Abrechnung.

Wo Zufälle keine sind: Rekorde zur Terminmarkt-Abrechnung, Top-Performance zum Quartalsultimo

Da die Abrechnung der Futures und Optionen mit Laufzeit September gleich am Freitag folgte, konnte da dann nichts mehr anbrennen. Nachdem der S&P 500 ein ziemlich volatiles Quartal mit zwei kräftigen Korrekturimpulsen hinter sich hatte, dürften mit der Abrechnung der Derivate über der Handelsspanne der vorangegangenen Wochen viele auf dem falschen Fuß erwischt worden sein, der S&P 500-Chart ganz oben zeigt das. Zur Freude derer, die aktiv an dieser Abrechnung auf unerwartetem Niveau mitgearbeitet haben. Aber der Chart zeigt noch etwas anderes. Einen Aspekt, der es ebenso sinnvoll wie lukrativ machte, nach dieser Abrechnung an der Terminbörse nicht nachzulassen:

Der S&P hat so zum heutigen Quartalsende doch noch ein Plus auf Quartalsbasis erreicht, wonach es lange Zeit ganz und gar nicht ausgesehen hatte. Und was könnte perfekter sein, um neue Anleger zum Einstieg zu bringen und Zweifler bei der Stange zu halten als ein „Happy End“ nach einem so volatilen Quartal? Auch, wenn der S&P 500 zum Ultimo unübersehbar an Schwung verloren hat, das Plus steht. Und es bedeutet, dass der marktbreite US-Index damit das vierte Quartal in Folge mit einem werbewirksamen Gewinn absolviert hat. Und wenn wir uns dazu mal den DAX ansehen:

Börse aktuell: DAX auf Rekordhoch - Entwicklung des Index im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: DAX auf Rekordhoch – Entwicklung des Index im Jahr 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Da bleibt in Sachen Quartalsperformance kein Auge trocken, egal, ob der Index heute noch in die Knie gehen würde oder nicht. So gesehen ist der Fahrplan der „Big Money-Player“ perfekt eingehalten worden. Keine Kunst, das ist ja nicht das erste Mal, man hat da Übung. Doch kann diese Hausse jetzt einfach so weitergehen, obwohl da mittlerweile eine ziemliche Schere zwischen Kursen und Rahmenbedingungen entstanden ist?

Diese Leiter hat morsche Sprossen … aber das ist nicht das Problem von allen

Eine gute Frage, immerhin sind jetzt immense Hoffnungen und Erwartungen an niedrigere und weiter sinkende Zinsen im Markt. Aber die sind kein Allheilmittel. In Europa nicht, in den USA nicht, in China nicht, wenn zu viele schon zu viele Schulden haben und es am Zutrauen fehlt, dass das alles irgendwie von alleine wieder laufen wird. Nur dann türme ich auf einen Berg aus Schulden noch weitere auf. Da ist das Zinsniveau zweitrangig. Und überall sind die Verbraucher vorsichtig und skeptisch geworden, während der Aktienmarkt eingepreist hat, dass alles und jeder bei auch nur einem Tick niedrigeren Zinsen wie auf Knopfdruck Fabriken und Anlagen kauft oder als Verbraucher in die Konsumtempel strömt. So wird es nicht laufen.

Diejenigen, die diesen Hausse-Zug nach den Inflationsdaten in den USA am 11. September angeschoben haben, wissen das natürlich, da geht es um große Adressen, da sitzen keine unbedarften Anfänger auf den Stühlen der Strategen. Aber sie wissen eben, dass die große Masse der normalen Anleger es nicht weiß!

Und damit hatten sie bis zum Quartalsultimo genug Anleger im Gefolge, die den Kursanstieg durch fleißige Zukäufe unterstützt haben. Und man hat, aufgrund des immens werbewirksamen Effekts eines angeblich saisonal schlechten Quartals, das auf oder nahe Rekordhochs endet, auch die Chance, gleich zu Beginn des Oktobers massive Käufe von unerfahrenen Anlegern zu sehen. Käufe, in die hinein man selbst Gewinne mitnehmen, dadurch Positionen verkleinern und, wenn es passt, sogar auf die Short-Seite wechseln könnte!

Kommt jetzt das beste Quartal von allen? Nun … Zahlen sind genügsam

Aber wie könnte Letzteres „passen“? Ist nicht das vierte Quartal das statistisch beste am Aktienmarkt? Wäre es da nicht albern, einen Abwärtsschub auch nur zu erwägen? Immerhin ist es der September, der im langfristigen Vergleich der mit Abstand schlechteste Monat ist, beim DAX im Schnitt der letzten über 65 Jahre liegt man da bei -1,78 Prozent. Und wenn dieser im Schnitt so bärische Monat einen DAX auf neuen Rekordhochs sieht, dann ist es ja nahezu unmöglich, dass es im vierten Quartal, das insgesamt im Schnitt seit 1959 beim DAX und seinen Vorgängern einen Zugewinn von drei Prozent abliefert, abwärts gehen könnte. Oder?

Das Entscheidende ist das mit diesem „im Schnitt“. Denn ein durchschnittliches Plus von 0,65 Prozent über 65 Jahre ist keine Garantie für Kursgewinne, sondern, wenn man sich mal überlegt, dass der DAX 0,65 Prozent bisweilen binnen Minuten nach oben und unten läuft, einfach nur … gar nichts. Es gab extrem starke und extrem schwache Oktober und auch welche, an denen eher wenig bis gar nichts los war. Die Gewissheit, dass der Oktober und das vierte Quartal insgesamt gut laufen müssten, ist keine.

Wenn man sich nun die Frage stellt, ob man jetzt dabeibleiben, zukaufen oder doch besser Kasse machen sollte, gälte es eines zu überlegen: Was könnten sich diejenigen für dieses vierte Quartal vornehmen, die bislang ihren selbst geschriebenen Fahrplan mit Hilfe der Anleger so perfekt einhalten konnten? 

Eine Frage, die angesichts eines DAX angebracht erscheint, der bei einem durchaus nicht bullischen Umfeld wie Nullwachstum, hohen Zinsen und ungelösten Problemen mit „Zwickmühlen-Charakter“ immerhin im bisherigen Jahresverlauf mit 16,25 Prozent schon fast das Doppelte zugelegt hat als die durchschnittliche Jahresperformance seit 1988, die gerade einmal 8,2 Prozent beträgt (jeweils für ein ganzes Jahr). Wobei man nebenbei auch mal in den Spiegel schauen und sich fragen könnte:

Wenn ich schon an Durchschnittswerte glaube und daher darauf setzen will, dass die Statistik, dass das vierte Quartal im Schnitt sehr bullisch ist, auch diesmal greift … kann ich dann ernsthaft zeitgleich die Statistik der durchschnittlichen Jahresperformance im DAX ignorieren, nach der wir gerade schon fast das Doppelte eines durchschnittlichen DAX-Jahres zugelegt haben?

Obacht, Haltestelle vier ist eine Wundertüte!

Aber zurück zu den Leuten mit dem Fahrplan. Was könnte für diese großen, trendbestimmenden Akteure jetzt interessant sein? Jetzt wurden längst Hoffnungen eingepreist, die kein allzu solides Fundament haben. Das kann dazu führen, dass man sich anschaut, ob und wie viel frisches Geld zum Start in den Oktober in den Markt fließt und in dem Moment, in dem es scheint, als könne der Strom versiegen, Positionen abbaut oder Short geht. Nun gibt es im bullischen Lager immer ein Argument, das man gegen ein solches Szenario, das aber gar nicht so selten ist (siehe die folgende Ausschnitt des obenstehenden DAX-Charts!) ins Feld führt: Wenn die Sache wacklig sein soll, warum haben sich die Bären an der Börse aktuell nicht längt gezeigt? Antwort:

Börse aktuell: DAX Rückgang im Q2 2024 nach Rekordhoch davor | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: DAX Rückgang im Q2 2024 nach Rekordhoch davor | Quelle: marketmaker pp4

Warum sollten sie? Wenn man diesen Fahrplan erkennt und in aller Ruhe seinen Verlauf abwartet, bekommt man doch nur noch höhere Kurse, um Short zu gehen, wenn die Fahrplan-Käufe durch sind. Warum also vorher auf tieferem Level dagegenhalten und überrannt werden? Wenn die in der Regel ja erfahrenen Akteure im potenziell bärischen Lager sehen, dass die unbekannte, vierte Haltestelle am Rande der Klippe zu einem Abwärtsimpuls liegt, dann tauchen sie auf, vorher nicht.

Klar muss sein: Dass der Fahrplan großer Akteure vorsieht, aus einem überladenen Zug vor Haltestelle Nummer 4 auszustiegen und zuzusehen, wie der dann über die Klippe saust, ist ein mögliches Szenario, mehr nicht. Ja, der Oktober könnte einfach weiter steigende Kurse sehen. Ja, das vierte Quartal könnte ein grandios bullisches werden. Aber nur, wer versteht, dass „könnte“ ein sehr wackliger Begleiter eines randvollen Depots ist, ist auch wachsam genug, schnell und richtig zu reagieren, wenn es anders kommt als gedacht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wie heiß gelaufen ist der Aktienmarkt derzeit? Haben wir schon den Punkt erreicht, ab dem man diese Rekordjagd als eine hochexplosive „Milchmädchen-Hausse“ ansehen muss? Klären wir erst einmal, was das eigentlich sein soll und dann, wo wir da aus meiner Sicht stehen.

Also: Was soll das sein, eine „Milchmädchen-Hausse“? Als der Aktienmarkt (nicht nur in den USA, aber da ganz besonders) in den Jahren vor dem Crash 1929 und der nachfolgenden, jahrelangen Super-Baisse immer höher kochte, lag das vor allem daran, dass immer mehr Leute, die weder Erfahrung am Aktienmarkt noch den Hauch des nötigen Basiswissens hatten, auch ein Stück vom Kuchen abhaben wollten und extrem unvernünftig agierten.

Kredite für Aktienkäufe gab es überall, mit den Aktien selbst als Sicherheit. Aber zu horrenden Zinsen, weil die Kreditgeber wussten, dass die Aktien ein wackliges Unterpfand sind. Die Kreditnehmer hingegen sahen nur die rasant steigenden Kurse, pfiffen auf die Wucherzinsen und kauften wie wild. Dadurch waren auch viele einfache Leute, die eigentlich das Geld für Aktien nicht übrig hatten, auf einmal nicht nur Anleger, sie waren Spekulanten … meist indes ohne zu ahnen, wie groß die Risiken waren, die sie eingingen.

Der Name ist eher willkürlich, man hätte es auch „Schuhputzer-Hausse“ nennen können

Es hieß, man konnte in New York keine Meile mit dem Taxi fahren, ohne dass der Fahrer entweder Aktientipps haben wollte oder ungefragt welche von sich gab. Der Schuhputzer wusste über den Markt Bescheid, der Klempner, der Eismann oder eben die Mädchen in den Milchgeschäften. Zumindest dachten sie das.

Diese Spekulationswelle sorgte für immer weiter steigende, aber auch volatilere Märkte … und endete mit einem gigantischen Knall, wobei damals wie bei jedem anderen Abriss nicht absehbar war, wann genau und auf welchem Kursniveau das passieren würde. Nur dass es passieren musste, war den eher wenigen, die noch bei Sinnen waren, völlig klar. Am Ende verloren immens viele Menschen alles … und vor allem das führte dazu, dass es mit dem 1929er-Crash nicht getan war, sondern die Weltwirtschaftskrise folgte, die die Aktienmärkte bis 1934, als Roosevelt den „New Deal“ umsetzte, massiv drückte.

Dieser Spitzname kommt also aus der damaligen Zeit, wobei „Milchmädchen“ wohl einfach am besten klang, nehme ich an. Man könnte das Phänomen überbordender Gier und massiven Leichtsinns auch „Taxifahrer-Hausse“ oder „Schuhputzer-Hausse“ nennen. Der Name ist nicht der Punkt, was dahintersteht, ist entscheidend.

Es muss nicht alles genau wie damals sein … es geht vor allem um den Leichtsinn

Natürlich trug es entscheidend zur damaligen Katastrophe bei, dass es schon fast üblich war, auf Kredit zu spekulieren, aber es ging vor allem um den Leichtsinn an sich. Im Zuge des Internet-Wahns 1999/2000 lief das sehr, sehr ähnlich, während ich die Phase vor dem Crash 1987 und die vor dem Platzen der Subprime-Blase 2008 eher nicht als Milchmädchen-Hausse, sondern „nur“ als Phase überzogener Sorglosigkeit ansehen würde. Einen Run völlig unbedarfter Anleger gab es hingegen vor 1929, vor 2000 und … jetzt?

Wer behauptet, dass so etwas früher einmal denkbar war, aber doch heute nicht, möge sich erinnern: 2000 ist nicht lange genug her, um behaupten zu können, dass die Bestrafung zu großen Leichtsinns eine Sache früherer Zeiten sei. Davon abgesehen, dass es nie um das konkrete Umfeld geht. Es geht um das Verhalten der Marktteilnehmer. Und das ändert sich nie, weil sich die Menschen an sich auch nicht ändern. Die Geschichte belegt das ja immer wieder und in jeder Hinsicht.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2003 mit Absturz nach Hausse | Quelle: marketmaker pp4

Seitdem der Corona-Crash im Februar und März 2020 so rasant aufgeholt wurde, ist eine ungewöhnlich große Zahl an Anlegern neu hinzugekommen, die alle mit dem Eindruck gestartet sind, dass jeder Rücksetzer am Aktienmarkt eine todsichere Gewinnchance ist und nichts, aber auch gar nichts die ewige Hausse wird kippen können. Und dass weder die Inflation noch der Ukraine-Konflikt und die hohen Zinsen den Anstieg der Märkte stoppen konnten, dient ihnen als unwiderruflicher Beweis. Aber dabei wird eines übersehen:

Die Kurse steigen, solange mehr Volumen in Käufe als in Verkäufe geht. Ob das mit Blick auf die Rahmenbedingungen auch so passt oder nicht, hängt davon ab, ob diejenigen, die da kaufen, wissen was sie tun oder nicht. Passt das Umfeld nicht, ist schlagartig Feierabend mit der Hausse, wenn der Klientel der Ahnungslosen und Leichtsinnigen das Geld ausgeht … und sei es nur für kurze Zeit. Was dann passieren kann, wenn auch die „Milchmädchen“ angetreten sind, sprich jeder, der grundsätzlich könnte, auch dabei ist und dem Markt damit Expertise und Käufer zugleich knapp werden.

Ist das so? Und kommen die Faktoren des fehlenden Grundwissens und des Leichtsinns noch obendrauf?

Börse „lernen“? Wozu denn!

In den letzten zwei Monaten kamen alleine drei Leute aus meinen Bekanntenkreis an und verkündeten, dass sie jetzt auch am Aktienmarkt mitmischen werden. Alle drei ohne den Hauch von Basiswissen oder gar Erfahrung. Der eine sagte nur, er lasse seinen Bankberater jetzt monatlich sein Geld an der Börse verwalten … und wusste nicht mal, was genau der dann damit macht. Der zweite wollte von mir wissen, welche „Handy-App“ für Trading ich empfehlen würde (hat vorher noch nie eine Aktie gekauft), der dritte erklärte mir sogar, er werde jetzt über eine Broker-App Daytrading machen, denn er kenne da zwei, die würden da richtig viel Geld machen und davon leben.

Da sinkt einem, der wie ich jetzt seit 35 Jahren an der Börse herumhantiert, anfangs alles gelernt und gelesen hat, was man lernen und lesen konnte, ein Wirtschaftsstudium als Basis hat und trotzdem oft genug auf die Fr***e gefallen ist, der Kopf auf die Tischplatte. Vor allem eines ist heftig: Glauben Sie, dass auch nur einer der drei zukünftigen Börsen-Gurus mich gefragt hätte, wo man für Aktien-Trading gute Tutorials finden könne, welche Bücher man lesen soll, wie man am besten Paper-Trading angeht oder ähnliches? Keiner. Diese Leute wollen nichts lernen und nichts wissen, sie wollen „haben“. Und zwar Gewinn. Weil sie ernsthaft angesichts des medialen Getrommels um ein neues Rekordhoch nach dem anderen meinen, dass man dazu nichts können muss. Willkommen am Vorabend von 1929!

Wenn viele niedrige Kurse mit „billig“ verwechseln

Aber es könnte ja sein, dass das nur Zufall ist, drei Extrembeispiele, die mir halt über den Weg liefen, aber die meisten anderen klug, besonnen und mit dem nötigen Basiswissen ans Werk gehen. Könnte es. Aber der folgende Chart lässt mich vermuten, dass das nicht der Fall ist. Er zeigt, dass momentan seltsamerweise vor allem Aktien laufen, die „billig“ sind. Schauen Sie hier mal beim MDAX: Abgebildet sind diejenigen unter den 60 MDAX-Aktien, die weniger als zehn Euro kosten, Zeitraum: ein Monat. Dazu noch Delivery Hero als eine typische „Mode-Aktie“ der ersten Generation der „Ich muss nichts wissen um reich zu werden“-Spekulanten aus der Corona-Zeit, die immer dann aus dem nichts steigt, wenn diese Klientel mal wieder umfassender aktiv wird.

Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung von MDAX Aktien mit Kursen unter 10 Euro von August bis September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Bis auf thyssenkrupp und Evotec, die jetzt aber auch aufholen, sind alle diese „billig“ wirkenden Aktien in den letzten Wochen auffallend besser gelaufen als der Index selbst. Trotz der alten Börsen-Regel, dass, was billig wirkt, noch viel billiger werden kann, weil Aktien nie nur aus Versehen einen niedrigen Kurs haben. Was jeder Investor weiß. Aber wer von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, weiß es eben nicht. Wenn ich so etwas sehe, sehe ich eine Milchmädchen-Hausse.

Meme-Aktien: Heißt es nicht, „mit Geld spielt man nicht“?

Als Meme-Aktien bezeichnet man für den Gesamtmarkt unbedeutende Aktien, die in Internet-Foren massiv gepusht und von Gruppen von Marktteilnehmern dann gezielt gekauft werden, angeblich, um es den bösen Short-Sellern, die man oft irrigerweise mit dem Banken-Establishment gleichsetzt, zu zeigen. Eine dieser 2021 auf diese Weise durch die Decke (sehen Sie sich im Chart rechts die prozentuale Veränderung an!) gezockten und dann sang- und klanglos eingebrochenen Aktien war die der Computerspiele-Kette Gamestop.

Börse aktuell: Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Gamestop Aktie von 2020 bis 2024 mit extremen Ausschlägen | Quelle: marketmaker pp4

Diejenigen, die in Foren zum Kauf geraten und Kaufwellen organisiert hatten, wurden damit reich, denn sie kauften vor diesen Kaufwellen der Leichtgläubigen und stiegen aus, als deren Käufe den Level blanken Wahnsinns erreichten. Man hätte denken können, dass die, die am Ende die Dummen waren, daraus gelernt hätten. Aber im Mai und Juni 2024 ging der Irrsinn erneut los … mit dem gleichen Resultat. Wenn diejenigen, die die Ahnungslosen am Nasenring durch die Arena führen, zuletzt wieder ein ideales Umfeld für eine Runde „Abzocke“ sahen, ist das für mich ein erneuter Hinweis darauf, dass wir das „Milchmädchen-Stadium“ längst erreicht haben.

Die Gefahr an sich ist noch kein Verkaufssignal!

Zu erkennen, dass da eine Menge Leute auf dünnem Eis tanzen, während sie glauben, über das Wasser laufen zu können, heißt: Obacht, die Sache wird jetzt richtig „tricky“. Es heißt aber nicht, dass man an der Börse aktuell alleine deswegen Haus und Hof versetzen und Short gehen sollte. Das wäre in etwa genauso gewitzt wie blind sein Erspartes in Aktien zu stecken und zu glauben, rauf ist der einzige Weg für die Kurse.

Man darf nicht vergessen, dass es über zwei Jahre dauerte, bis die bis dahin auf von niemandem erahnte Größe gewachsene Blase 1929 platzte. Und vor dem Dot.Com-Crash im März 2000 ging es zwar nicht unbedingt allzu lange nach oben, dafür aber, siehe den Nasdaq 100-Chart ganz oben, extrem schnell und weit. Wer bereits Short ist, muss daher ganz genau wissen, wie man sich in einer von ihrer Größe und Dauer nicht eingrenzbare Hausse auf der Gegenseite positionieren und verhalten muss.

Aber man muss ja auch nicht glauben schaffen zu können, was so unwahrscheinlich ist, dass man es besser lassen sollte: Genau am Hoch zu verkaufen und auf Baisse zu setzen. Das klappt wenn, dann nur durch Zufall und gelingt einem von hundert. Wichtig ist nur eines: Man muss um die Gefahren wissen und immer dann, wenn immer mehr andere leichtsinnig werden, umso vorsichtiger vorgehen – das ist völlig ausreichend, um nicht unter die Räder zu kommen, die am Ende jedes Mal die Milchmädchen unter den Marktteilnehmern erwischen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Man sagt, dass ziemlich viele Anleger abergläubisch sind. Und wenn man sich überlegt, wie stark völlig unsinnige „Indikationen“ wie der Zehn-Tage-Indikator zu Jahresanfang oder der Super Bowl-Indikator beachtet werden, mag man das gern glauben. Aber wieso steigen dann die Aktienmärkte an einem Freitag, den 13. auffällig oft?

Zunächst einmal zu dieser Behauptung, dass der Anteil an abergläubischen Anlegern größer ist als unter der Bevölkerung insgesamt. Ich behaupte jetzt mal, dass das bislang noch niemand wirklich eindeutig ermittelt hat. Zumal man ja eher ungern vor anderen zugibt, z.B. beim Zerbrechen eines Spiegels innerlich schon mal mit dem Leben abzuschließen. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das tendenziell zutrifft, denn die Börsen könnten manche allemal dazu bringen, sicherheitshalber eine Hasenpfote zu streicheln, bevor sie einen Trade wagen. Weil?

Gefahren „bannen“, indem man gezielt dagegenhält? An der Börse nicht ungewöhnlich.

Weil man hier stets Entscheidungen unter Ungewissheit treffen muss. Im täglichen Leben weiß ich im Groben, was mich morgen erwartet. Sicher, auch da könnte mir ungeplant ein Klavier auf den Kopf fallen, aber an der Börse hängt ein solches Klavier jeden Tag über einem. Jeden Moment könnten Gewinnwarnungen kommen, eine wilde Kaufwelle aus dem Nichts einsetzen, Notenbanker in Reden oder Interviews unverhofft Entscheidendes von sich geben. Die meisten Marktteilnehmer kommen damit zurecht, einfach, weil die Börse und das Unerwartete einfach zusammen gehören, das liegt in der Natur der Sache. Manche aber hadern mit diesem Aspekt und verfallen auf Indikatoren wie die oben genannten, auf Glücksbringer oder ziehen halt an einem Freitag, den 13. den Kopf ein.

Dass der Freitag, der 13. eigentlich ohne triftigen Grund ein Unglückstag sein soll, dürfte den Abergläubischen nicht beruhigen. Ob er nun auf den Freitag, den 13. Oktober 1307 zurückgeht, an dem der französische König die Verhaftung aller Mitglieder des Templerordens befahl oder auf den Börsenroman „Freitag, der 13.“ von T.W. Lawson aus dem Jahr 1906, sei mal dahingestellt. Ein echtes Argument, um an einem solchen Tag besonders vorsichtig zu sein, wäre beides nicht. Aber man weiß ja nie, gell?

Aber wieso rasseln die Aktienmärkte dann nicht jedes Mal, wenn der 13. ein Freitag ist, in den Keller? Eben drum! Denn wer fürchtet, dass dieser Tag Unglück bringen könnte, kann hier aktiv dagegen wirken, indem er eben gezielt an diesem Tag nichts aus dem Depot verkauft, sondern eher das dräuende Unglück „austreibt“, in dem er/sie kauft. Bei negativen Nachrichten, die rational betrachtet fallende Kurse nach sich ziehen müssten, erleben wir das ja auch sehr oft: Das „Wegkaufen“ von Gefahren ist an der Börse ja schon fast normal. Warum also nicht auch den Freitag, den 13. auf diese Weise „bannen“?

Die Statistik ist beeindruckend – Freitag der 13. scheint für die Bullen ein Glückstag zu sein

Aber das alleine kann doch nicht wirklich dazu führen, dass ein solches Datum nicht nur nicht negativ auffällt, sondern im Gegenteil einer der Tage ist, an dem die Aktienindizes am häufigsten steigen?

Da mir kein Forschungsjahr bewilligt wurde, in dem ich mit einer Strichliste a) das Verhältnis von Tagen mit steigenden zu denen mit fallenden Kursen über Jahrzehnte ermitteln und b) dies mit den Aufwärts- und Abwärts-Tagen an einem Freitag, den 13. ins Verhältnis setzen könnte, habe ich nur die letzten gut zehn Jahre auf Freitage, die auf einen 13. fielen, abgeklopft. Das Ergebnis:

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 am Freitag, den 13. von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 am Freitag, den 13. von 2022 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Zwischen dem 1. Januar 2014 und Freitag, den 13. September 2024 haben wir 18mal einen solchen Tag gesehen. An 12 davon stieg der S&P 500, den ich hierfür als einen Index ausgewählt habe, der für Tendenzen am Aktienmarkt insgesamt mit am besten geeignet ist. Der vorstehende Chart zeigt dabei nur die letzten drei Jahre, sonst wird es zu unübersichtlich, weil man hier ja einen Chart auf Tagesbasis braucht, um sehen zu können, was der Index an diesen vermeintlichen Unglückstagen getrieben hat, die es in diesem Zeitraum viermal gab.

In 12 von 18 Fällen aufwärts … eine Zwei-Drittel-Chance auf steigende Kurse an einem vermeintlichen Unglückstag … da könnte man ja glatt erneut dem Glauben verfallen, dass hinter diesem Tag etwas Mysteriöses steckt. Tut es aber nicht. Der Grund, wieso dieser Tag auffällig oft steigende Kurse sieht, liegt nicht bei dunklen Mächten, sondern es ist die Position in Bezug auf die die Märkte ja immer kräftig beeinflussenden Abrechnungen an der Terminbörse, der diese auffällig gute Performance verursacht.

Ein Freitag der 13. fällt immer in die Tage der Terminmarkt-Richtungsentscheidung

Es ist letztlich also einfach nur ein Zufall, dass ein Freitag der 13. in zweierlei Hinsicht besonders ist. Einmal als vermeintlicher Unglückstag, zum anderen aber als ein Tag in der Phase, in der meistens bereits ausgefochten wird, in welche Richtung der Markt zur nächsten Abrechnung am Terminmarkt laufen soll. Der Grund:

Eine solche Abrechnung findet immer am dritten Freitag eines Monats statt. Da ein Freitag der 13. zwingend der zweite Freitag eines Monats ist, ist also der auf ihn folgende Freitag immer ein Abrechnungstermin an der Terminbörse.

Börse aktuell: Zusammenhang Freitag, der 13. und die Abrechnung an der Terminbörse | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Zusammenhang Freitag, der 13. und die Abrechnung an der Terminbörse | Quelle: marketmaker pp4

Und in Bezug auf solche Abrechnungen, bei denen es für die großen Akteure am Terminmarkt ja immer um gewaltige Summen geht, beginnt das Ringen, ob eine solche Abrechnung eher am oberen oder am unteren Ende der Handelsspanne der letzten Wochen ablaufen soll, in der Regel bereits am Donnerstag und Freitag der Woche davor, spätestens aber dann am Montag der Abrechnungswoche. Da die Tendenz, solche Abrechnung „as high as possible“ ablaufen zu lassen, sehr deutlich überwiegt, sind Donnerstage und Freitage vor einer Abrechnung gerne mal Tage, an denen es richtig rund geht, meist dabei aber eben aufwärts. Im vorstehenden Beispielchart gingen die Attacken der Terminmarkt-Bullen eben erst am Montag nach dem Freitag, den 13. November 2015 los, aber oft passiert das vorher. Was alles mit diesem Datum als vermeintlichem Unglückstag also gar nichts zu tun hat.

Wurde auch diesmal am Freitag den 13. die Richtung des Terminmarkts in Stein gemeißelt?

Dabei sehen wir öfter mal das Muster, was wir auch aktuell sehen: Der Donnerstag ist der starke Tag gewesen, am Freitag ging es dann eher moderat weiter aufwärts, aber eben aufwärts. Die Bullen am Terminmarkt haben also ihre Duftmarke gesetzt, jetzt kommt es darauf an, ob sie das auch bis zur Abrechnung an diesem Freitag durchhalten.

Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 vorm und am Freitag, den 13. September 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Kursentwicklung S&P 500 vorm und am Freitag, den 13. September 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Wobei das diesmal gar nicht mal so absolut sicher ist, weil erfahrene Trader sehen konnten, dass man es gegen die Rahmenbedingungen versucht. Gegen die Rahmenbedingungen, weil weder die US-Inflationsdaten am Mittwoch noch die EZB-Entscheidung am Donnerstag wirklich Wasser auf die Mühlen der Bullen waren. Was man auch daran erkennt, dass der S&P 500 am Mittwoch nach den Inflationsdaten erst einmal kräftig abrutschte, bevor man dann mit aller Macht das Ruder herumriss.

So etwas ist ein bisschen wacklig … und das weiter oben zu sehende Beispiel der Dezember-Abrechnung im dem Jahr 2015 (d.h. der zweiten, im Chart gezeigten) zeigt ja auch, dass es nach dem Richtungsentscheid keineswegs zwingend nur noch in die eingeschlagene Richtung gehen muss, sondern es auch mal zu einem heftigen Konter der Gegenseite kommen kann. Die kommenden Tage werden also spannend … aber wie gesagt: All das hat mit dem Nimbus, dass Freitage, die auf einen 13. fallen, Unglück bringen, wenig bis gar nichts zu tun!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Diesmal geht es um alles, um die Demokratie, die Wirtschaft, die Geopolitik, das zumindest kann man in den Medien lesen, hören und sehen. Wobei je nach Ausrichtung entweder Harris oder Trump den Untergang, der/die andere die Rettung bedeuten, aber: Erstens blasen die Medien jede Wahl dergestalt auf. Zweitens wird am Ende vieles weniger heiß gegessen, als es medial vorher gekocht wurde. Und drittens, und das ist mit entscheidend, geht es bei der US-Wahl 2024 nicht nur um Trump oder Harris, die Sache ist komplizierter. Sehen wir uns das mal an.

Seit 1992 habe ich jede US-Wahlnacht vor dem Bildschirm verbracht – auch bei den „Midterm Elections“ – und werde auch zukünftig keine dieser Wahlen verpassen. Aber das tue ich weniger als Trader denn als interessierter Beobachter, weil sich das Wahlsystem in den USA sehr von dem unseren unterscheidet und dadurch äußerst bemerkenswerte Konstellationen entstehen können.

Dass die für die Geopolitik und die Wirtschaft, für das Leben des Einzelnen und für die Börsen immense Bedeutung haben können, ist zwar richtig. Aber so simpel, wie die meisten Medien das darstellen, ist es nicht. Als Investor sollte man daher wissen, was genau da abläuft und wie wichtig das Ergebnis für die Märkte wirklich ist. Auch, wenn dieser Beitrag die Knackpunkte letztlich nur streifen kann: Einiges sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf haben, wenn man diese Wahl 2024 als Basis des eigenen Tradings nutzen möchte.

Die kurzen Beine der politischen Börsen und das Schwarz/Weiß-Denken der Anleger

Der oft strapazierte Spruch, „politische Börsen haben kurze Beine“ trifft oft zu. Aber ganz und gar nicht immer. Ein massiver politischer Wandel kann die Börsenlandschaft durchaus lange Zeit durcheinander wirbeln. Sicher, die US-Unternehmen konnten bislang fast ungebremst tun, was sie wollen … und daran dürfte sich auch ab 2025 nicht viel ändern, egal, wer diese Wahl gewinnt. Und die Leitzinsen und mit ihnen die Kosten für Refinanzierungen werden weiter von der US-Notenbank bestimmt, die ihre garantierte Unabhängigkeit von der Politik bewahren wird, auch egal, wer die Wahl gewinnt. Aber es macht für die Wachstumsperspektive schon einen entscheidenden Unterschied aus, wer fürderhin mehr und wer weniger Steuern zahlen muss, wen neue Gesetze fördern und wer davon gebremst wird.

Das kann auch den Wert des US-Dollars zu anderen Währungen deutlich beeinflussen, kann die Attraktivität von US-Anleihen für internationale Investoren fördern oder verringern, die Schaffung neuer Produktionsstandorte in den USA und, natürlich, die übergeordnete Tendenz der Aktienmärkte mit bestimmen. Nur übersieht man dabei gerne eines:

Wird die Politik vor ein Problem gestellt, muss es gelöst werden. Und ob man das aus eigener parteipolitische Ausrichtung nun gut oder unerfreulich findet: Meist gibt es für jedes Problem nur einen „besten Weg“… und der muss gegangen werden, egal, ob man im Vorfeld der Wahl anderes propagiert hat oder nicht. Daher stellt sich die Frage, ob der Wahlsieger/die Wahlsiegerin das Zeug hat, das Land voranzubringen nicht vor der Wahl, sondern erst, wenn man wirklich sehen kann, ob und wie Probleme angegangen und gelöst werden.

Daher ist das typische Schwarz/Weiß-Denken, dass Republikaner bessere Wirtschaftspolitik machen und daher für den Aktienmarkt besser sind als ein demokratischer Präsident, zu kurz gedacht. Sicher, je komplizierter die Ausgangslage, desto eher neigen viele dazu, die Sache auf einfache Faustregeln zu reduzieren. Aber sehen Sie sich dazu einfach mal an, wie der Dow Jones unter den letzten Präsidenten seit 1980 gelaufen ist. Der Chart ist, um die Dimension der Performance besser erfassbar zu machen, logarithmisch skaliert:

Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1980 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1980 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dass Demokraten keine „Wirtschaft können“, erschließt sich aus diesen Performances ebenso wenig wie die Schwarz/Weiß-Denkweise, dass ein republikanischer Präsident automatisch bullisch für den Aktienmarkt wäre. Und wenn man es sich genauer überlegt, ist das auch logisch denn:

Inflation, Arbeitsmarkt, Schulden, Verbraucherstimmung: Meist spielt die Politik eine Nebenrolle

Auf einen Großteil der Faktoren, die auf die Börsen einwirken, hat die Politik wenig bis gar keinen Einfluss, egal, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Der Lobbyismus großer US-Unternehmen erstreckte sich schon immer auf beide Parteien, beeinflusst politische Entscheidungen daher permanent. Gewerkschaften sind bei der Entwicklung der Löhne und damit der Kaufkraft eine entscheidende Kraft, die Notenbank mit ihrer Geldpolitik ebenso. Was den Konsum als entscheidenden Faktor des Wirtschaftswachstums angeht, spielt die Politik daher nicht selten nur eine Nebenrolle.

Inflationsphasen, geopolitische Konflikte, verzerrende Ereignisse wie Corona: Oft hat die Politik damit nichts zu tun oder muss sich mit „Erblasten“ vorheriger Regierungen herumschlagen. Dass das im Wahlkampf so ganz anders wirkt, ist normal, schließlich setzen die Kandidaten auf das kurze Gedächtnis und/oder das fehlende Wissen eines Teils der Wähler, die sie damit erreichen wollen, dass sie Amtsinhabern bzw. der Gegenpartei Missstände in die Schuhe schieben, die auf dem Gemüt der Wähler lasten. Aber man sollte eben genauer hinsehen, Beispiel Inflation:

Wenn Donald Trump im Zuge des Wahlkampfs Joe Biden für die Inflation bzw. das so viel höhere Preisniveau von Waren verantwortlich macht, neigen diejenigen, die am stärksten darunter leiden schon dazu, das unbesehen zu glauben, weil die Inflation schließlich in Bidens Amtszeit fiel. Aber sie war letztlich – und das ja nicht nur in den USA – eine Spätfolge der Lockdowns, eine Konsequenz der daraus resultierenden Materialengpässe. Und die Anfangsphase von Corona lag in Trumps Amtszeit, die Inflation war somit mehr eine „Erblast“ als eine Entwicklung, die nur auf Bidens Amtszeit basieren würde.

Ebenso wenig schuld war Bush Junior daran, dass der Dow Jones in seinen acht Jahren Amtszeit ein Minus auswies. Die Immobilienblase und der Zusammenbruch der Subprime-Spielchen hatte nur insofern mit der Regierung zu tun, als dass diese das nicht ausreichend erkannt und reguliert hat, aber man darf unterstellen, dass das unter jeder anderen Administration genauso schlecht gelaufen wäre.

Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones und Veränderung US-BIP während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1988 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kursentwicklung Dow Jones und Veränderung US-BIP während der Präsidentschaft von Demokraten bzw. Republikanern von 1988 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Auch die überbordende Staatsverschuldung ist regelmäßig, so auch diesmal, ein beliebtes Wahlkampfthema, um die gerade regierende Partei zu diskreditieren. Aber letzten Endes ist die Staatsverschuldung seit dem Ende der Clinton-Ära im Januar 2001 jedes Jahr gestiegen, egal, ob der Präsident Demokrat oder Republikaner war.

Dementsprechend überschaubar ist die Bedeutung der Politik für Wachstum und Aktienmarkt, abgesehen von den vorgenannten Faktoren der Besteuerung oder starken Eingriffen in die Macht der Großunternehmen … was indes seit dem „New Deal“ von Franklin Delano Roosevelt vor 90 Jahren niemand mehr ernsthaft gewagt und geschafft hat.

Kurzfristig kann die Wahl extreme Reaktionen auslösen … aber die sind „Kopfsache“!

Ist die Wahl also eigentlich ein rein medial aufgeblasener Non-Event, der keine dauerhafte Folge vor allem für die US-Aktien haben wird? Vorsicht, so einfach ist es dann auch wieder nicht. Denken wir an den extremen Run der US-Aktien nach Trumps Wahlsieg im November 2016. Aber man muss dabei eines bedenken: Es hätte auch ganz und gar anders laufen können.

Da zwischen der Meldung, dass Trump wider Erwarten doch noch gewonnen hat (die am 9.11.2016 gegen Mitternacht US-Ostküstenzeit bzw. gegen sechs Uhr morgens unserer Zeit kam) und der Eröffnung der Wall Street eine Menge Zeit lag, zwischen der Meldung und dem Handelsstart des DAX aber nur drei Stunden, ist es der Chart des DAX, der das am besten verdeutlicht:

Börse aktuell:Kurzfristige Entwicklung DAX nach der US-Wahl 2016 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Kurzfristige Entwicklung DAX nach der US-Wahl 2016 | Quelle: marketmaker pp4

Als klar wurde, dass nicht Clinton, sondern Trump das Rennen gemacht hat, brachen die US-Index-Futures in der Nacht haltlos ein. Noch am Morgen, als der DAX in den Handel startete, war das Minus groß, so dass dieser mit einer kräftigen Abwärts-Kurslücke in den Tag ging. Aber als der reguläre US-Handel dann um 15:30 Uhr unserer Zeit startete, war aus dem Minus schon ein Plus geworden, das immer größer wurde und dann, nach ein paar Tagen unentschlossenen Wassertretens, Richtung Jahresende in eine regelrechte Hausse überging. Weil?

Man hatte am Markt einfach entschieden, Trumps Sieg als bullisch einzuordnen. Und das funktionierte gerade deswegen, weil man eben nicht vom Wahlsieger alleine abhängig machen kann, wie es weitergeht. Es geht darum, ob genug Trader am Markt das glauben wollen oder nicht. Daher muss man, sollte man sich jetzt, zwei Monate vor dieser Wahl 2024, positionieren wollen, im Hinterkopf haben: Es ist nicht nur wichtig, wer gewinnt, sondern auch, wie die Masse der Anleger das dann einordnet.

Und dazu ist nicht nur die Wahl des Präsidenten wichtig, sondern auch und gerade ein anderer, oft außerhalb der USA übersehener Punkt: Es ist entscheidend, ob ein neuer Präsident auch wirklich regieren kann.

Achtung, am 5. November finden auch Senats- und Repräsentantenhaus-Wahlen statt!

Was abschließend zu der Aussage im Eingangs-Absatz zurückführt, dass es hier nicht nur um Trump kontra Harris geht. Am Dienstag, den 5. November wird nicht nur der US-Präsident gewählt, sondern zugleich über alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und über ein Drittel der Mitglieder des Senats abgestimmt. Anders als bei uns, sondern eher angelehnt an das französische Wahlsystem gilt daher:

Ein neu gewählter Präsident muss keineswegs nach der Wahl über eine Mehrheit seiner eigenen Partei in einer oder, idealerweise, in beiden Kammern des US-Kongresses (d.h. Senat und Repräsentantenhaus) verfügen.

Die Präsidentschaftswahl läuft, wenn man es schnell zusammenfassen will, wie folgt ab: In jedem der 50 US-Bundesstaaten wird der Sieger der Wahl zwischen Trump und Harris jeweils ermittelt. Wer gewinnt, bekommt alle sogenannten „Wahlmänner“ des Staates zugesprochen, deren Zahl von der Bevölkerungsstärke des Bundesstaates abhängt. Diese Gesamtheit der Wahlmänner aus den 50 Bundesstaaten wählt dann im Dezember den Präsidenten. Was dazu führen kann (aber nie muss), dass ein Kandidat zwar auf die gesamten USA bezogen prozentual mehr Stimmen bekommen hat, aber der andere Kandidat mehr Wahlmänner hat und deswegen trotzdem Präsident wird. Das alleine macht diese Wahlen so spannend. Doch unter dem Präsidenten stehen ja noch die zwei Kammern des Kongresses, das Repräsentantenhaus und der Senat.

Die Mitglieder im 435 Sitze umfassenden Repräsentantenhaus sind immer nur für zwei Jahre gewählt (daher sind auch die sogenannten „Midterm Elections“ so wichtig). Und auch hier gilt: Wer die meisten Stimmen in einem der 435 Wahlkreise bekommt, kriegt den Sitz. Das muss dann aber nicht der Kandidat sein, der zur Partei des kommenden Präsidenten gehört. Und Wähler, die zwar beim Präsidenten die eine, bei ihrem „Congressman“ im Wahlkreis aber die andere Partei bevorzugen, sind nicht selten.

Die 100 Mitglieder im US-Senat sind für jeweils sechs Jahre gewählt. Jeder Bundesstaat, egal wie groß oder klein, stellt zwei Senatoren. Hier wird am 5. November nur ein Drittel neu gewählt, aber auch da ist dann offen, welche Partei die kommende Mehrheit stellt, weil der Senat derzeit in einem Patt dasteht und nur der Vizepräsident (derzeit Kamala Harris), quasi als 101. Stimme, Entscheidungen der Demokraten durchsetzen kann. Was bedeutet:

Börse aktuell:Entwicklung Dow Jones nach den Midterm Elections 2022 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell:Entwicklung Dow Jones nach den Midterm Elections 2022 | Quelle: marketmaker pp4

Die Börsen dürften ein Problem bekommen, wenn der neue Präsident und die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus nicht zusammenpassen, vor allem, wenn in beiden Kammern des Kongresses die Gegenpartei die Mehrheit bekäme. Das wäre noch deutlich unerfreulicher als ein Präsident, den die Börse weniger bevorzugt hätte, denn das hieße zwar einerseits, dass die Politik kaum noch imstande ist, sich in die Wirtschaft einzumischen, weil man sich gegenseitig neutralisiert. Aber es hieße eben auch, dass man keine positiven Entscheidungen treffen kann, außenpolitisch kaum handlungsfähig wäre und die Refinanzierung des Staates unsicher würde.

Wird es dazu kommen? Oder „passt“ nach dem 5.11. für die Anleger alles und Dow Jones & Co. ziehen nach oben davon? Angesichts dieses ziemlich komplexen Wahlsystems könnte das sogar noch kurz nach der Wahl offen bleiben. Ein Thema, das spannender kaum sein könnte, daher wird dieser Beitrag nicht der letzte zu diesem Themenkreis sein!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Dass viele Medien stur versuchen, Konjunkturdaten und Statements mit dem Kursverhalten von Indizes wie dem Euro Stoxx 50 zu koppeln, obwohl es den „homo oeconomicus“, der so handeln würde, nicht gibt, ist problematisch. Bewegt werden die Kurse fast immer von anderen Motiven.

Irgendwas kann da ja wohl nicht stimmen. Erst heißt es, die USA rutschen in die Rezession, weil gerade einmal zwei Daten, nämlich die vom Arbeitsmarkt und den Einkaufsmanagern vom Juli, richtig schlecht ausfielen. Aber all die anderen schwachen Daten zuvor, die schienen keinen gestört zu haben. Und dass der europäische Leitindex Euro Stoxx 50 mit in die Tiefe gerissen wird, wirkt zwar einigermaßen nachvollziehbar, aber zwingend war das nicht, immerhin ist die konjunkturelle Situation hier eine andere.

Aber dann ist die Krise auf einmal abgeblasen, die propagierten „Not-Zinssenkungen“ der US-Notenbank nicht mehr vonnöten, weil nur eine einzige Zahl, nämlich der Einzelhandelsumsatz im Juli, besser ausgefallen war? Im Ernst? Und was war mit den schlechter als avisiert ausgefallenen Konjunkturindizes der regionalen US-Notenbanken von New York und Philadelphia, die normalerweise als wichtig erachtet werden? Mit der Industrieproduktion, die nicht nur im Juli schwächer war als erwartet, sondern bei der auch der Juni deutlich nach unten korrigiert wurde? Oder das von der Uni-Michigan ermittelte US-Verbrauchervertrauen, bei dem die Beurteilung der aktuellen Lage unerwartet negativ ausfiel, so schlecht wie seit Anfang 2023 nicht mehr … alles für die Börse aktuell irrelevant?

Börse aktuell: Entwicklung Eizelhandelsumsätze in den USA von 2010 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Eizelhandelsumsätze in den USA von 2010 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Dass das wirklich viele glauben, kann einem keiner erzählen. Vor allem nicht, wenn zugleich an der Terminbörse eine grandiose Chance bestand, die überrumpelten Trader zur am 16. August vollzogenen Abrechnung gleich zweimal auf dem falschen Fuß zu erwischen, zuerst mit einem unerwarteten Kursrutsch und dann mit einer unerwarteten Rallye.

Der US-Notenbankchef hat nichts unerwartet Positives verkündet

Trotzdem hacken viele medial weiter auf diesen gut ausgefallenen Einzelhandelsdaten herum, als wären sie die einzig relevante Konjunkturzahl. Und ignorieren, das noch obendrein, dass ein zu kräftiger Konsum ja eigentlich unerfreulich für die Inflation wäre, die für die US-Notenbank ein Problem wäre. Wobei das Canceln der Rezessionsrisiken und das Beibehalten der Erwartung kräftiger Zinssenkungen bei einer bislang noch klar über der Zielzone liegenden Inflation – vor allem in den USA – ja ohnehin nicht zusammenpassen.

Ha, mag da mancher einwenden, das sieht die US-Notenbank aber anders. Tut sie das? Als US-Notenbankchef Powell am Freitag im Zuge des Notenbanker-Treffens in Jackson Hole sagte, dass es Zeit sei, die Geldpolitik anzupassen, machte er damit deutlich, dass man seitens der US-Notenbanker ein Umfeld sieht, in dem man mit Zinssenkungen beginnen könne.

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit | Quelle: marketmaker pp4

Er sagte nicht, dass die US-Leitzinsen ab jetzt wie ein Strich und in großen Schritten nach unten gefahren werden. Es werde, richtigerweise und wie immer so kommuniziert, von den zukünftigen Konjunkturdaten abhängen, wie man da konkret vorgeht. Und siehe der vorherige Absatz: Wir haben ein nur mäßiges Rezessionsrisiko und eine noch zu hohe Inflation, so dass man da, solange sich das nicht ändert, höchst langsam und behutsam vorgehen muss.

Am Aktienmarkt aber tut man gerade … wie seit Monaten … so, als würde die Zeit des billigen Geldes, in der immens viel mehr Geld in Konsum und Aktien fließen kann, unmittelbar bevorstehen. Obwohl faktisch nichts für ein solches „Goldilocks-Szenario“ spricht, sondern der Zinssenkungsprozess Jahre dauern kann und vermutlich auf halbem Weg bei einem „neutralen Zins“ endet. Wie kann es sein, dass alle das glauben? Tatsächlich muss man die Frage anders stellen:

Nein, es gibt ihn nicht, diesen „homo oeconomicus“!

Wer glaubt denn, dass alle das glauben? Ist der auf einmal an der Börse aktuell wieder dynamisch aufwärts laufende Euro Stoxx 50 denn der Beleg dafür? Das ist er nicht.

Niemand kann den Marktteilnehmern in die Köpfe schauen, niemand weiß also wirklich sicher, was sie zu ihren Aktionen motiviert. Das weiß man spätestens, seit die Idee der Volkswirte aus früheren Jahrzehnten, dass alle alles wissen können und deswegen auch immer rational entlang dieses Wissens handeln, ein ums andere Mal durch scheinbar unlogische, bisweilen sogar absurde Impulse widerlegt wurde. Den „homo oeconomicus“ gibt es nicht. Sie sind es nicht, ich bin es ebenso wenig. Wenn man sich fragt, was den Euro Stoxx 50 und die anderen großen Indizes an den Aktienmärkten in Europa und den USA wirklich gerade antreibt, tut man daher gut daran, a) einzelne Daten als explizite Auslöser zu vergessen und b) sich mal zu fragen, warum man selbst bei seinen Trades etwas tut oder lässt.

Mir beispielsweise waren diese Einzelhandelsdaten zwar nicht egal, aber ich habe sie ins Gesamtbild aller Daten eingefügt und das wiederum als einen Teil meiner Lagebeurteilung genutzt. Der andere Teil ist, was wirklich gerade passiert: der Trend, die Charttechnik, die markttechnischen Indikatoren, das Sentiment. Und so handeln nicht nur zwei, drei andere. So handeln die meisten.

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Trendkanal von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 im Trendkanal von 2019 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Denken wir an die vielen das Geschehen entscheidend mitbestimmenden Handelsprogramme, an die rein technisch agierenden Trader, die Entscheider bei den Hedgefonds: Sie agieren alle stur entlang der Trends. Sicher, die vielen wenig erfahrenen Anleger, die das Geld und damit den „Treibstoff“ für all diese Akteure liefern, agieren oft emotional. Aber auch sie sehen sich an, was die Kurse machen und nicht irgendein „müsste eigentlich“ in Sachen Konjunkturdaten, die die meisten ja auch gar nicht interpretieren können und wollen.

Und wenn wir dann noch mit einbeziehen, dass das Gros der „Privaten“ fast immer nur auf steigende Kurse setzt, erklärt sich das, was der Euro Stoxx 50 da treibt, weitaus besser als mit der wackligen Krücke einer einzigen über den Prognosen ausgefallenen Konjunkturzahl aus den USA, mit der man das Rezessionsrisiko wegreden, schnelle, weitreichende Zinssenkungen aber als sicher beibehalten will.

Zumal man sich ja immer fragen darf, wieso die Euro-Indizes so sklavisch hinter den US-Indizes herlaufen müssen, obwohl das, was in den USA passiert, nicht 1:1 auf die Eurozone übertragbar ist. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum Index: Was treibt er denn gerade konkret, der Euro Stoxx 50?

Die Chart- und Markttechnik schufen die Basis für die Aufwärtswende, nicht US-Konjunkturdaten

Wir sehen einen Euro Stoxx 50, der genau da drehte, wo er drehen musste, um einer solchen Rallye den Boden zu bereiten. Am 5. August drehte er im Bereich des Hochs vom Sommer 2023 nach oben und verteidigte dann auf Schlusskursbasis die Unterstützungszone 4.569/4.593 Punkte. Zugleich war der Index markttechnisch überverkauft, der RSI-Indikator hatte erstmals in diesem Jahr die überverkaufte Zone erreicht. Dass da Trader, die Short waren, ihre Gewinne mitnahmen und leer verkaufte Aktien eindeckten, was die Kurse zwangsläufig höher zieht, wundert nicht.

Dann kam die Terminmarkt-Abrechnung näher, eine grandiose Chance, all diejenigen, die zur Absicherung Put-Optionen gekauft hatten, dies- wie jenseits des Atlantiks ins Leere laufen zu lassen. Das war verbunden mit einem „Gap-Close“ nach dem anderen und der Rückeroberung von Chartlinien wie der 200-Tage-Linie. Die technisch agierenden Trader und Handelssysteme waren zwangsläufig Käufer. Aber nur die Handelsprogramme denken nicht. Hedgefonds, technische Trader, diese Klientel weiß ganz genau, dass diese Rallye kein Fundament seitens der Rahmenbedingungen hat. Aber!

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit Unterstützungen und Widerständen und dem RSI von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 mit Unterstützungen und Widerständen und dem RSI von 2023 bis 2024 | Quelle: marketmaker pp4

Das ist ja kein Grund, um einfach mitten in einem dynamischen Impuls auszusteigen und auf die Short-Seite zu wechseln. Man liefe Gefahr, von denen, die weiter kaufen, überrollt zu werden und so doppelt zu verlieren: entgangene Long-Gewinne und Verluste mit den Short-Trades. Also wartet man … worauf?

Es läuft, solange es läuft

Dass die Käufe abebben, dass man erkennt, dass dem Markt die Käufer ausgehen. Darauf, dass Widerstände nicht mehr problemlos überboten oder schnell wieder unterschritten werden. Darauf, dass die Markttechnik und/oder das Sentiment, sprich die Stimmung, verdächtig heiß laufen. Passiert das nicht, geht es einfach weiter, bis die Luft raus ist. Daher ist dieser so banal wirkende Spruch letztlich eine sicher simple, aber doch zutreffende Aussage: Solange es läuft, läuft’s.

Aber wehe, wenn der Schwung raus ist und die Kurse unter bestimmte Levels rutschen, ab denen die Käufer eigentlich zugreifen müssten, aber durch Abwesenheit glänzen. Dann springt dieser große Kreis an jetzt noch bullischen Akteuren ganz schnell vom Zug, eben weil sie wissen, dass der ganz am Ende sowieso gegen eine Felswand fahren würde, weil die Rahmenbedingungen nicht passen.

Derzeit würde ich vermuten, dass die jetzt leicht überbotene Widerstandszone 4.820/4.884 Punkte und die knapp darunter, bei 4.791 Zählern, verlaufende 200-Tage-Linie als Lackmustest für die Bullen dienen könnte, d.h. ein Rücksetzer muss dort aufgefangen werden, sonst könnte man schnell konstatieren: Jetzt läuft’s nicht mehr.

Aber wie gesagt: Ob eine Erwartung realistisch ist, spielt keine Rolle, solange sie gut klingt und genug mitmachen. Und Letzteres ist ja eine Art zeitweiliges Perpetuum Mobile: Eine kräftige Bewegung zieht immer mehr Käufer an und hält sich dadurch vorerst auch ohne Kontakt zur Realität am Leben. Und noch ist das beim Euro Stoxx 50 der Fall, da mögen all diejenigen, die versuchen, die Sache strikt logisch anzugehen, den Kopf schütteln, wie sie wollen: Noch läuft’s!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt