Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 25.-31.08.2025

Was kann man jetzt überhaupt noch kaufen?

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Die Aktienmärkte insgesamt sind derzeit ungewöhnlich teuer bewertet. Alle scheinen sich dabei auf nur wenige Aktien zu konzentrieren, was drastische Risiken durch das damit einhergehende Klumpenrisiko bedeutet. Und die Rahmenbedingungen sind geopolitisch wie konjunkturell ziemlich wacklig. Kann man da ausgerechnet jetzt überhaupt noch frisches Geld investieren?

Um es gleich vorwegzunehmen: Sicher kann man das. Es ist nicht eine Frage des „ob“, sondern eine des „wo“ und des „wann“, wenn es um Käufe am Aktienmarkt geht. Das Ziel muss sein, erstens zuzusehen, dass man den Risiken aus dem Weg geht, die so viele andere gerade eingehen, meist, ohne, dass sie sich dessen bewusst sind. Und zweitens, dass man sich Ziele sucht, die nicht nur ein geringeres, kurzfristiges Absturzrisiko aufweisen, sondern solides, mittelfristiges Kurspotenzial mitbringen.

Raus aus dem Wald und antizyklisch denken!

Die meisten Menschen neigen zu zwei als Investor problematischen Verhaltensweisen. Zum einen tun sie gerne einfach das, was die anderen auch tun, weil sie sich in der „Herde“ sicherer fühlen. Zum anderen neigen viele dazu, sich komplett auf ihr ureigenes Ziel zu fixieren und dadurch leicht den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, sprich das „Große Ganze“ aus den Augen zu verlieren. Das führt dazu, dass viele am liebsten das kaufen, was gerade gut läuft und schon vorher stark gestiegen ist … und das umso mehr, wenn solche Aktien oder Indizes in aller Munde sind und, weil dem Weg so viele folgen, medial mit stur positivem Tenor präsent sind. Das Ergebnis führt zu Situationen, wie wir sie im folgenden Chart sehen:

Börse aktuell: Entwicklung DAX und Überflieger und Underperformer im Vergleich von Januar bis August 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und Überflieger und Underperformer im Vergleich von Januar bis August 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Wenn sich Kapital so sehr konzentriert, dass z.B. im DAX von dessen 40 Aktien nur 10 im laufenden Jahr besser gelaufen sind als der Index (beim Dow Jones laufen aktuell übrigens 19 von 30 Aktien besser!), sprich wir nur wenige Zugpferde haben und der Rest halbherzig oder gar nicht mitläuft, birgt das natürlich Risiken. Aber vor allem für diejenigen, die stur auf diese vermeintlichen Dauerläufer wetten. Nicht wenige der Aktien, die nicht im Fokus der Masse stehen, stehen zu Unrecht im Schatten – es gilt nur, sich umzuschauen, um sie zu finden. Und man muss sich fragen:

Warum trifft der Spruch, dass die Masse an der Börse zwar lange recht bekommt, aber am Ende schiefliegt und verliert, zu? Weil starke Trends bequem machen. Viele hinterfragen sich nicht, solange es läuft und verkennen dabei, dass man dadurch das bei langlaufenden Trends sukzessiv steigende Risiko einer Überbewertung und eines Mangels an frischen Käufern nicht mehr wahrnimmt.

Gefahr macht erfinderisch … wenn man sie erkennt

Immer wieder hört man den Spruch „aber hier ist das doch etwas ganz anderes“. Aber warum ist da etwas anders? Aktien, die alle glauben haben zu müssen, werden irgendwann unter der Last ihrer Bewertung zusammenbrechen. Wer das sofort realisiert, kann dann noch gut aus dem Markt kommen. Wer indes bequem geworden ist, reagiert dann nicht, sondern kauft eher noch in den jungen Abwärtstrend zu. Welche Sicherheit hat man als Anleger denn, dass heiß gelaufene Aktien wie die deutschen Rüstungstitel, wie die im DAX notierten Banken oder wie die „Magnificent Seven“ in den USA nicht auf einmal genauso schlagartig abdrehen wie z.B. die hier mit einigen „Dauerläufern“ gezeigten Aktien von Atlassian oder Adobe? Keine.

Börse aktuell: Entwicklung ausgewählter Aktien in den USA von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung ausgewählter Aktien in den USA von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Wer es schafft, antizyklisch zu denken, weil er/sie realisiert, dass der Lauf in der Masse zwar zuerst Sicherheit bietet, dann aber irgendwann dazu führt, dass man den Abgrund vor lauter Bullen nicht sieht, auf den man zu rennt, versteht auch: Bei ungewöhnlich hohen Bewertungen als Folge einer immensen Kursrallye und ggf. auch noch einer überkauften Markttechnik ist es nicht „feige“, den Gewinn mitzunehmen. Wer versteht, dass an der Börse nicht geklingelt wird, wenn ein Hoch erreicht ist, grämt sich dann auch nicht, wenn die betreffende Aktie danach noch weiter steigt. Das Hoch kann man nicht vorhersehen. In einem normalen Umfeld nicht, bei entfesselten Kaufwellen schon mal gar nicht.

Wichtig ist nur, nicht zu ängstlich zu früh zu verkaufen, sondern abzuwarten, bis Indizien einer Überhitzung auftreten, sich dann aber umgehend nach Alternativen umzusehen. Die es, wie vorher geschrieben, ja gerade dann recht zahlreich gibt, wenn zu viele sich auf zu wenige Aktien konzentrieren. Kurz: Wer imstande ist, wachsende Gefahren zu erkennen, öffnet sich dadurch auch in Richtung neuer Chancen bei Aktien, die die Masse womöglich erst in einigen Monaten oder sogar Jahren wahrnimmt.

Die Börse ändert sich nie. Das Kursverhalten und das nötige Rüstzeug bleiben immer gleich

Aber ist es denn nicht Unsinn, sich von starken Trends zu verabschieden und auf Aktien zu setzen, die derzeit kaum jemand auf dem Schirm hat und die daher noch weiter fallen könnten? Dann würde man in seinen neuen Positionen Verlust machen und in den alten Gewinne verpassen, was hieße: doppelt verloren. Das stimmt … wenn man einfach auf Verdacht, aus dem Bauch heraus, agiert. Was man aber weder muss noch sollte.

Richtig ist zwar, dass Geduld eine der wichtigsten Eigenschaften eines Investors ist. Aber das bezieht sich nicht darauf, dass man jahrelang gleichmütig eine Aktie behalten soll, die nicht ins Laufen kommt. Geduld sollte man mit dem Einstieg an sich haben, sprich warten, bis eine als interessant identifizierte Aktie charttechnisch das Signal liefert, dass jetzt ein Aufwärtstrend beginnen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung Applovin von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Applovin von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Ein Anleger, der über Jahre hinweg mehr Gewinn erzielen als Verlust einstecken will, braucht letztlich vor allem folgende Fähigkeiten:

  • Die Disziplin, Schieflagen konsequent zu bereinigen, statt sie auszublenden und auszusitzen.
  • Die Geduld zu warten, bis die Kurse eine eigene Annahme bestätigen und erst dann zu handeln.
  • Die Flexibilität, sich vom Denken und Handeln der Masse zu lösen und auch mal antizyklisch und um die Ecke zu denken.
  • Die Fähigkeit, sich anhand des nötigen, ggf. erweiterten Basiswissens selbst ein Bild machen zu können, satt auf das angewiesen zu sein, „was alle sagen“.
Börse aktuell: Entwicklung Brenntag von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Brenntag von 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Die Sieger von heute bekommen einen Stop Loss, die Sieger von Morgen einen Platz in der Watchlist

Wer Charts und markttechnische Indikatoren zu lesen weiß und die Basiselemente der Bewertung wie KGV oder KUV kennt, hat, was man braucht, um das Richtige zu tun, wenn die Highflyer von heute zu Verlierern und die aktuellen Aschenputtel zu Gewinnern werden. Was zurück zur Eingangsfrage führt, was man denn hier und heute überhaupt noch kaufen könnte.

Das, was gerade a) fair bis sogar günstig bewertet ist, b) Wachstum bei Umsatz und Gewinn vorweisen kann und c) charttechnisch ein bullisches Signal abliefert. Und wenn es da gerade nichts gibt?

Es mag für manche absurd klingen … aber in solchen Fällen haben erfahrene Investoren, auch und gerade die ganz großen Legenden, einfach mal eine höhere Barreserve. Man muss nicht nur nicht dauernd voll investiert sein – man sollte es auch nicht.

Stellen Sie einfach ein Bein in den Notausgang, indem Sie besonders heiß gelaufene Aktien in Ihrem Depot mit einem Stop Loss absichern. Und stellen Sie das andere Bein in die Tür kommender Trends, indem Sie sich nach günstig bewerteten Aktien mit Wachstum umschauen (von denen es mehr gibt, als man glauben sollte), die noch kaum jemand kaufen mag. Schreiben sie sich diese Aktien in die Watchlist und nehmen Sie sich die Zeit zu warten, bis sie bullische Signale im Chart zeigen.

Und, auch das ist etwas, das man normalerweise erst mühsam lernen muss: Grämen Sie sich nicht, wenn da plötzlich einer der Watchlist-Kandidaten mit einem Satz nach oben so stark zulegt, dass man dem Kurssprung zu teuren Kursen hinterherlaufen müsste. Das passiert. Aber es ist nicht tragisch, denn auch, wenn man es in dem jeweiligen Moment nicht so empfindet: Die Börse bietet jeden Tag irgendwo eine andere, neue Chance … es eilt nie!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Immer wieder erlebt man an der Börse, dass eine Aktie jahrelang steigt, in aller Munde ist und am Ende in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Das passiert nicht allzu oft. Aber wenn, endet das für viele Anleger fatal. Es wirkt, als habe sich ein gewaltiger Irrtum schlimm ausgewirkt. Aber das muss niemanden passieren … sofern man die tatsächliche Quelle des Irrtums findet.

Es war schon immer so und es wird vermutlich auch nie anders: Ich begegne immer wieder Anlegerdepots, die eigentlich gut aufgestellt sind und solide Gewinne abwerfen würden, wären da nicht neben zahlreichen gut performenden Aktien auch einige „Depotleichen“, die die Gesamtperformance bremsen oder sogar ins Negative verkehren. Und man bekommt, wenn man die Depot-Besitzer darauf anspricht, immer die gleichen Antworten zu hören:

„Die haben in dem Unternehmen echt Mist gebaut“ … „diese sch… Shortseller machen die Aktie komplett nieder“ … „das konnte ja keiner ahnen“ und, eigentlich immer dabei: „Jetzt lohnt es sich ja auch nicht mehr, da auszusteigen“. Was oft auch stimmt. Aber die eigentliche Frage ist ja nicht, ob man noch aussteigen sollte, wenn das Kind im Brunnen liegt, sondern warum man es nicht getan hat, bevor es überhaupt in den Brunnen fiel. Denn um das gleich voranzustellen:

Irren ist unumgänglich. Irrtümer zu ignorieren, ist das Problem

Irren darf man sich, das ist an der Börse letzten Endes sogar unvermeidlich. Schließlich kann man nie wissen, die die Rahmenbedingungen in ein, zwei oder zehn Jahren aussehen werden. Wer kauft oder verkauft, tut das an der Börse immer in einem Umfeld der Unsicherheit. Die Probleme entstehen nicht, weil man sich geirrt hat. Sondern nur dann, wenn man das verdrängt oder stur darauf beharrt, recht zu haben, obwohl die Fakten das Gegenteil darlegen. Das Problem wird erst deshalb groß, weil man es als Anleger zugelassen hat. Dann wird aus einem jederzeit möglichen Irrtum ein großer Irrtum.

Börse aktuell: Entwicklung Beyond Meat Aktie von 2019 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Beyond Meat Aktie von 2019 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Sie sehen es ja in den diesen Beitrag begleitenden Charts: Keine Aktie, kein Index und auch nicht der ganz unten abgebildete Ölpreis (der zeigen soll, dass sich so etwas keineswegs auf den Aktienmarkt beschränkt), fielen über Nacht von 100 auf 0. Man hätte etwas tun können. Aber ich wage aufgrund dessen, was ich so über die letzten Jahrzehnte erlebt habe zu behaupten: Nicht nur relativ viele reagieren nicht, wenn sie es müssten, sondern die meisten. Die Frage ist, warum das so ist.

Hierzu heute ein paar Gedanken und Vermutungen, die vielleicht hilfreich sind. Denn meiner Erfahrung nach sind große Verluste fast immer das Ergebnis eines von den Kursen losgelösten Irrtums … nämlich dem, dass sich das alles schon wieder von alleine einrenkt, ohne dass man selbst Entscheidungen treffen müsste. Das passiert vielen, da schließe ich mich selbst durchaus mit ein. Und das muss einfach nicht sein.

Börse aktuell: Entwicklung Varta Aktie von 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Varta Aktie von 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Man muss keine Bilanzen lesen können, aber man muss verstehen, wie die Börse „tickt“

Es gibt ein paar Gründe, warum Anleger an Aktien festhalten, die auf einmal ganz und gar nicht so laufen, wie sie sich das zuvor beim Einstieg ausgemalt hatten. Dabei ist mangelndes Fach- bzw. sogar Börsen-Grundwissen zwar auch eine Ursache, aber nicht entscheidend für das Verlust-Drama an sich. Denn um zu erkennen, ob gerade ein Trend gebrochen ist, muss ich nicht imstande sein, die Bilanz des betroffenen Unternehmens genau unter die Lupe zu nehmen.

Aber zu verstehen, wie die Börse grundsätzlich funktioniert, warum Kurse steigen oder fallen, wie die „Mechanik“ dieser Kursbewegungen aussieht, das ist wichtig. Und zwar, weil man dann erst wirklich versteht, wie es kommen kann, dass eine Aktie (oder auch ein Index) jahrelang steigen, dann abrupt kehrtmachen und alles, was zuvor an Kursgewinn entstand, am Ende dahin ist. Will heißen:

Man muss realisieren, dass die Kurse von den Entscheidungen der Anleger bewegt werden und diese oft nicht mit der Faktenlage übereinstimmen. Und dass die anderen genauso denken und handeln wie man selbst. Dass man, wenn man leichtsinnig agiert, oft gerade deswegen erst einmal lange Zeit nicht bestraft wird, weil so viele andere genauso leichtsinnig handeln und es genau das ist, was die Kurse erst einmal immer höher treibt. Aber Risiken gehen dadurch nicht weg. Und das ist am Ende eben das Problem, wenn viele andere erkennen, dass die Hütte brennt und man selbst nicht reagiert.

Wer sich nicht auskennt, folgt einfach der Herde. Und solange das gutgeht, kommt man gar nicht auf die Idee, sein eigenes Tun zu hinterfragen und/oder hinter Vorhänge zu schauen. Und man kommt auch nicht auf die Idee, lieber mal Gewinne mitzunehmen oder ganz auszusteigen. Weil es doch so gut läuft. Weil alle sagen, dass es so weitergehen wird (despektierlich formuliert ist das das Muhen der Herde). Und weil, solange man durch Kursgewinne belohnt wird, die Gier die Vernunft überlagert. Was man aber normalerweise nicht merkt, weil man den Erfolg nicht dem Effekt der Herde, sondern der eigenen Cleverness zuordnet.

Börse aktuell: Entwicklung HelloFresh Aktie von 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung HelloFresh Aktie von 2017 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Umdenken ist gar nicht so nicht leicht, Verluste zu realisieren auch nicht

Hinzu kommt, dass Umdenken aufwändig und gar nicht so einfach ist. Eine einmal gefasste Meinung ist für uns so lange richtig, wie sie scheinbar bestätigt wird. Anders ausgedrückt: Die Titanic galt so lange als unsinkbar, bis sie auf einmal doch sank. Und man weiß, dass viele dort erst einmal nicht reagierten und das mit dem Leben bezahlten, weil sie sicher waren, dass nicht ist, was nicht sein darf. Es ist am Aktienmarkt kaum anders. Und gerade an der Börse kostet das Umdenken und Hinterfragen Zeit, denn die Gemengelage ändert sich stetig. Man will aber nicht andauernd seine Sicht der Dinge und mit ihr seine Depotzusammensetzung anpassen. Also?

Also hält man, was man hat und denkt sich „Augen zu und durch“ bei den Positionen, die gerade nach unten abdrehen.  Auch, weil man glaubt, dass der Rest des Depots die paar „Depotleichen“ schon kompensieren wird. Und weil man hofft, dass diese Leichen schon bald wieder drehen werden, so dass man ja dumm wäre, wollte man jetzt verkaufen, nachdem eine Aktie 30, 40 Prozent vom Hoch verloren hat (was sie in Bezug auf das eigene Depot verloren hat, weil man nicht reagierte, als man hätte reagieren sollen). Denn wenn sie dann wieder steigt, wäre man ja der Angeschmierte.

Börse aktuell: Entwicklung Nordex Aktie von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nordex Aktie von 2014 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Große Irrtümer an der Börse werden nur zu großen Niederlagen, wenn man sich über sich selbst irrt, weil man sich etwas vormacht. Und nicht, weil das Schicksal über Nacht zuschlug oder andere etwas wussten, was vor einem selbst geheim gehalten wurde. Aber, so könne man einwenden: Was bringt es, sich stetig zu hinterfragen, wenn Entscheidungen an der Börse trotzdem immer unter Unsicherheit erfolgen und man damit nie weiß, ob ein Umdenken am Ende zum Erfolg führt oder sich nicht eben doch alles von selbst einrenkt?

Und außerdem, so ließe sich darüber hinaus kritisieren, sind doch Stoppkurse nie sicher. Da wird man ausgestoppt und schwupp, zieht der Kurs wieder in die andere Richtung und man ist aus dem Rennen oder muss viel teurer zurückkaufen. Und auch die Charttechnik ist ja nicht hundertprozentig zuverlässig, wie oft gibt es da Bullen- und Bärenfallen! Warum also nicht mit „buy & hold“ weitermachen und hoffen, dass mehr Dauer-Hausse-Aktien im Depot liegen als Leichen?

Wer sich von Verlusten befreit, kann erheblich neutralere Entscheidungen treffen

Weil man, wenn man sich einer unangenehmen Reaktion verweigert (und Verluste zu realisieren ist nun einmal unschöner als sie einfach auszublenden), entscheidend an Performance verliert. Eine richtige, brutale Baisse in einem Kurs ist erst dann sicher, wenn sie bereits stattgefunden hat. Wer ein paarmal unglücklich ausgestoppt wird, weil ein Kurs überraschend doch wieder anzieht, hat es zwar mühsamer. Aber dann ist man erst einmal neutral, ist freier in seiner Entscheidung, weil man nicht durch seine bestehende, gerade in Bedrängnis geratene Position im Denken korrumpiert wird. Und vor allem:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2002 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 von 1998 bis 2002 | Quelle: marketmaker pp4

Einen Verlust zu akzeptieren und ihn damit einzugrenzen, verhindert das Schlimmste, was ein Anleger tun kann … und was so viele auch tatsächlich tun: Es verhindert die sogenannte „Einstandsverbilligung“. Ein Wort, das etwas Fatales genauso verharmlost wie z.B. das Wort „Minuswachstum“. Wer konsequent verkauft, wenn ein Trend bricht, kommt gar nicht in die Versuchung, in fallende Kurse hinein eine Verlustposition immer weiter zu vergrößern, indem man immer wieder zukauft. Ja, wenn der Kurs danach sofort dynamisch dreht, hätte sich das gerechnet. Aber es ist nun einmal nicht gerade vernünftig, zu glauben, dass ein Abwärtstrend endet, nur, weil man das will, während ein Aufwärtstrend immer weiterläuft, und das auch nur, weil man das will.

Die hier im Verlauf des Beitrags eingebauten Chart zeigen zwar nicht Kursverläufe, die an jeder Ecke lauern. Aber was wir hier sehen, sind Aktien, die in aller Munde und in sehr vielen Depots waren, weil man gerade wegen dieser immensen Trenddynamik nach oben dachte: Da geht nichts schief. Und das gilt ja für Trades auf den Nasdaq 100 oder den Ölpreis genauso. Wir reden nicht von etwas, das vereinzelten Anlegern in seltenen Fällen vielleicht mal passiert, sondern von Fällen, die viele angingen bzw. an der Börse aktuell noch angehen. Deswegen sind „Depotleichen“ ja so häufig.

Börse aktuell: Entwicklung Öl von 2006 bis 2009 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Öl von 2006 bis 2009 | Quelle: marketmaker pp4

Fazit: Konsequenz ist nie einfach, aber immer nötig

Aus meiner Sicht sind die großen „Irrtümer“ an den Börsen, diese Aktien, die scheinbar für immer stiegen und dann am Ende am Boden lagen, die großen Irrtümer von uns Anlegern in Bezug auf uns selbst.

Mittlerweile drehe ich eine Trading-Position vier-, fünf- oder auch zehnmal, wenn’s denn sein muss. Einfach, weil ich langsam kapiert habe, dass es immer fatal ausgeht, wenn man entweder stur auf irgendetwas setzt, das zwar kommen kann, aber nie muss. Oder wenn man irgendwann keine Lust mehr hat, sich an neue Lagen anzupassen. Meist ist genau dann, wenn man erstmal sagt „nö, jetzt mag ich nicht mehr“ der Punkt erreicht, wo sich das x-fache Drehen eines Trades wirklich gerechnet hätte. Aber falls Sie und ich nicht gar so unterschiedlich sein sollten, darf ich diesen Hinweis als „Beipackzettel“ mitgeben:

Der Eintritt der Wirkung kann verzögert erfolgen. Bei mir waren es schon ein paar Jahrzehnte, bis ich imstande war, nicht nur anderen kritisch über die Schulter zu schauen, sondern auch mich selbst kritisch genug im Spiegel zu betrachten, um die ganz großen, teuren Irrtümer zu vermeiden. Der Weg zur Konsequenz zieht sich gerne hin. Aber er lohnt sich.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Diese Fiskal- und Zollpolitik der USA bedroht nicht nur die US-Wirtschaft durch die Gefahr steigender Preise und reißender Lieferketten. Diese Entwicklung betrifft die gesamte Weltwirtschaft. Man sieht es bei den Anleihezinsen, am schwachen US-Dollar, an der starken Nachfrage nach Gold. Nur die Aktienmärkte scheinen nichts mitzubekommen. Was steckt dahinter – und wie könnte man das für sich nutzen?

Als ich vor über 35 Jahren anfing, mich mit der Börse zu befassen, war es wichtig, mehr zu wissen, zu sehen und zu verstehen als andere. Wer genau hinsah, konnte absehen, was passieren würde, weil volkswirtschaftliche Entwicklungen und ihre wahrscheinlichen Folgen fast immer über kurz oder lang ihren Niederschlag in den Kursen hatten. Wer sich auskannte, was also besser dran. Heute ist das tatsächlich anders. Es ist nicht leicht, sich damit abzufinden, dass all das über Jahrzehnte erworbene Wissen heute nicht mehr so viel wert ist wie früher. Aber wenn man sich die Sache einfach mal emotionslos anschaut, versteht man, warum das, was früher galt, heute nicht mehr gilt.

Es geht eben heute etwas anders zu, nur: Anders heißt ja nicht, dass man an der Börse nichts mehr verdienen könnte. Aber erst einmal ein Blick auf die „logische Börse“, wie viele von uns sie kannten und innerlich auch immer noch erwarten:

Sind Verbraucher und Unternehmen bärisch, können Aktien nicht auf Dauer steigen … oder?

Am Ende jeder Kette in Sachen Wirtschaft steht der Verbraucher. Wenn die Konsumenten gutes Geld verdienen und zuversichtlich sind, dass das auch so bleibt, geben sie gerne Geld aus, gönnen sich auch mal etwas über den Durst und ein wenig Luxus. Dann brummt die Wirtschaft, die Unternehmen in den Produktionsketten machen mehr Umsatz, beginnend beim Einzel- und Onlinehandel über die Hersteller und deren Zulieferer bis ganz an die Basis, wo die Rohstoffe für die Güter gefördert werden.

Und da eine Aktie grundsätzlich umso mehr wert ist, desto höher der Gewinn des Unternehmens ist bzw. desto höher die Dividende steigt, die der Anleger als seinen Anteil am Unternehmensgewinn ausgeschüttet bekommt, sehen wir normalerweise eine recht enge Korrelation zwischen der Stimmung der Verbraucher und dem Trend des Aktienmarkts. Derzeit allerdings nicht.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und US-Verbrauervertrauen von 2004 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 und US-Verbrauervertrauen von 2004 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nun können Unternehmen auch bei eher zurückhaltenden Verbrauchern mehr verdienen, wenn es ihnen gelingt, die Zulieferer preislich unter Druck zu setzen, Konkurrenten in Schach zu halten oder ihre Gewinnmargen durch Innovation und Rationalisierung zu steigern. Deshalb ist es immer gut, auch einen Blick auf die Gemütslage der Einkaufsmanager zu werfen, die sozusagen am Eingangstor der Unternehmen sitzen und daher gut abschätzen können, wie es läuft und vermutlich weitergehen wird. Es wundert also nicht, dass auch die Tendenz der Einkaufsmanagerindizes (hier nachfolgend der für die Industrie bzw. das verarbeitende Gewerbe in den USA) und der Trend am Aktienmarkt oft parallel laufen. Momentan allerdings, ich wiederhole mich, nicht. Wie kommt’s?

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und US-Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 und US-Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wissen ist Macht … aber nichts zu wissen macht derzeit an der Börse nichts

Zwischen den Fakten und den Kursen an der Börse steht der Anleger. Direkt – oder indirekt, wenn er über Fonds oder ETFs „anlegen lässt“. Damit haben wir hier einen Filter, der entweder die Fakten so durchlässt, wie sie objektiv sind … der sie subjektiv filtert, und zwar so, wie es dem Anleger in den Kram passt … oder sogar einfach ausblendet. Was bedeutet:

Wenn es den in den Sechziger und Siebziger Jahren von Theoretikern propagierten „homo oeconomicus“ wirklich gäbe -, den Menschen also, der über alle Informationen verfügt und entsprechend dieser Fakten rational handelt – müssten Aktienindizes immer noch ziemlich parallel zur Entwicklung der Unternehmensgewinne, der Einkaufsmanagerindizes und des Verbrauchervertrauens laufen. Sie tun es deswegen nicht, weil dieser „homo oeconomicus“ nichts anderes war als eine realitätsfremde Wunschvorstellung. Die Kurse bewegen sich als Reaktion auf das, was die gerade aktiv handelnde Mehrheit der Marktteilnehmer denkt bzw. will. Und wenn die wenig oder so gut wie nichts über die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Volkswirtschaft und Aktienmarkt wissen, handeln sie rein emotional. Sprich von Gier und Angst getrieben, aber eben „mit ohne Ahnung“. Der Punkt ist:

Immer mehr Marktteilnehmern fehlt das nötige Wissen, das früher so essenziell war. Ich kenne immer mehr Leute, die selbst mit zu wenig Geld zum Leben noch irgendwie 100 Euro im Monat zusammen bekommen, um sie in den Aktienmarkt zu stecken. Weil „das Geld ja sonst immer weniger wird“ (Konditionierung aus der Negativzins-Phase) und „es doch seit Jahren super läuft“ (der gute alte Irrtum, dass, was gestern war, auch morgen sein wird).

Und viel mehr als früher wirkt sich das direkt, ganz unmittelbar, auf die Kurse aus. Weil? Weil erstens immer mehr Menschen wegen der Möglichkeiten, die Online-Broker ihnen bieten, direkt selbst kaufen und verkaufen. Und weil zweitens immer mehr Menschen entweder ETFs kaufen und/oder Sparpläne nutzen, was bedeutet: Der Zufluss frischen Geldes ist automatisiert und wirkt sich direkt aus. Denn im Gegensatz zu den klassischen Fonds, bei denen die Fondsmanager entscheiden, wo genau sie wann wie viel investieren und ob sie viel oder wenig Barreserve halten, müssen ETFs ja, um ihre Benchmarks korrekt und 1:1 nachzubilden, jeden Euro oder Dollar, der hereinkommt, sofort investieren. Egal, ob sie das für schlau halten oder nicht. Was bedeutet:

Die, die wenig oder nichts wissen, sind heute also eine ganz andere Größe als früher, konkret sind sie die entscheidende Größe, der Taktgeber insbesondere des Aktienmarkts. Denn dorthin, zu den Aktien, zieht es dieses Geld. Und zu Kryptowährungen. Nicht aber zu Anleihen, dem Forex-Bereich oder den Rohstoffen, das ist den meisten entweder zu langweilig, zu kompliziert oder gleich beides.

Dass Geld, das von Leuten bewegt wird, die sich nicht auskennen und womöglich die Risiken, die Aktieninvestments grundsätzlich neben ihren Chancen halt auch haben, gar nicht kennen und stemmen können, das ist nicht gut. Eigentlich.

Aber das bedeutet eben nicht, dass diese Klientel umgehend auf dem Bauch landen müsste. Das tat sie bislang zwar immer. Aber zum einen hat sich das lange hingezogen, meist ging das Jahre gut, zum Beispiel mehrere Jahre lang, bevor der 1929er-Crash kam. Und zum anderen hat sich die Gesamtsituation in den letzten Jahren eben verändert, hin zu dem „automatisierten Dauerzufluss“ von Sparergeld, vor allem über Sparpläne. Die, nur um das mal zu unterstreichen, grundsätzlich eine ganz hervorragende Sache sind, nur sollte man genau wissen, was man da tut.

Es könnte also jederzeit schiefgehen, falls genug dieser Anleger es auf einmal mit der Angst zu tun bekommen und/oder das Ersparte abziehen müssen, um Dinge wie ein neues Auto, eine Heizung oder gar eine Wohnung/Haus zu kaufen. Solange aber im Saldo mehr Geld hinein als hinaus fließt, geht es eben gut, geht der Trend nach oben weiter. Auch gegen die Vernunft und gegen haushohe Warnsignale seitens der Konjunktur, einfach, weil sie keiner sehen und/oder verstehen kann oder will. Was folgt daraus?

Die Hausse der Wenigen … eine Folge des „Zeitgeists“

Das kommt darauf an, was man will. Wollen Sie der Logik folgen und Recht bekommen, dann halten Sie dagegen. Problem dabei: Schon 2008 war das eine haarige Sache. Denken Sie an die Legende Michael Burry (siehe auch der hervorragende Film „The Big Short“, indem seine Geschichte und die des Platzens der Subprime-Blase 2008 erzählt wird). Burry hatte Recht, grundsätzlich. Er hatte glasklar erkannt, was andere nicht sahen oder sehen wollten. Und machte am Ende einen gewaltigen Gewinn auf der Short-Seite. Nur wäre das um ein Haar danebengegangen. Wären die Märkte ein wenig länger oben geblieben oder noch etwas höher gestiegen, hätte er zwar am Ende Recht gehabt, aber nicht bekommen … und wäre ruiniert gewesen. Das kann heute noch viel kniffliger werden, denn:

Die Kurse werden vom Strom des Geldes bewegt. Ob diejenigen, die das Geld in den Markt investieren, klug handeln oder nichts, spielt keine Rolle. Wenn mehr hineinfließt als hinaus, steigen die Kurse im Saldo. Und dann fährt nur gut, wer dem Geld folgt, so simpel ist es letztlich.

Börse aktuell: Entwicklung der Magnificent 7 und NYSE Comosite Index von 2023 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Magnificent 7 und NYSE Comosite Index von 2023 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wer am Aktienmarkt Gewinne erzielen will, muss also dem Geld folgen und nicht der Logik. Aber vielleicht etwas differenzierter als die Masse. Denn die stürzt sich hierzulande beispielsweise gerade stur auf Rüstung, Infrastruktur und Banken, in den USA auf Hightech aller Art. Das hat dazu geführt, dass die Top Sieben im US-Hightech-Sektor immer weiter zulegen, die sogenannten „Magnificent Seven“, siehe der vorstehende Chart. Aber das gilt vor allem auf mittelfristiger Ebene. Kurzfristig kann man da durchaus auch mal unter die Räder kommen, da nicht immer alles gut läuft. Ich halte daher zwei Alternativen für interessant, mit denen man genauso grundsätzlich dem Strom des Geldes folgen würde:

Entweder den breiten Markt handeln … oder besser „Stock Picking“ betreiben als die Masse

Entweder man handelt einfach den breiten Markt, indem man sich auf DAX, Euro Stoxx 50, Dow Jones, S&P 500 oder Nasdaq 100 verlegt und da konsequent Trendfolge betreibt, sprich so lange Long bleibt, bis der Trend bricht. Das ist alleine deshalb eine gute Alternative, weil man so die oft extremen Kurssprünge der Einzelwerte glättet und Chart- und Markttechnik einem mehr Unterstützung bieten als bei Einzelwerten.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100, Nvidia und die stärksten Nasdaq Aktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100, Nvidia und die stärksten Nasdaq Aktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Oder man sucht gezielt und immer auf kurzfristiger Ebene nach den stärksten Momentum-Aktien. Beispielhaft sehen Sie im vorstehenden Chart, dass da so manche Aktie aus dem Nasdaq 100 seit Jahresanfang noch weit besser lief als der Überflieger Nvidia. Und auch da ginge es dann nicht darum, zu überlegen, ob eine solche, von der Masse gerade wild eingesammelte Aktie dort auch wirklich stehen und weiter steigen sollte. Dass sie es tut, ist das Faktum, um das es Ihnen gehen muss. Denn ob eine solche Hausse eigentlich „dumm“ ist oder nicht: Solange sie da ist, kann man ihr folgen … wenn man konsequent und mit Stopps tradet.

Letzten Endes kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld!

Man könnte als Fazit dessen, was wie vor uns haben, den Begriff des „dummen Trends“ hervorholen. Den man verwendet um darzustellen, dass wir es mit einem von den Fakten abgehobenen Trend zu tun haben, der daraus resultiert, dass ungewöhnlich viele nicht wirklich wissen, was sie da tun. Aber dem Kind einen despektierlichen Namen zu nehmen ist eine Sache. Deswegen dagegenzuhalten, weil man meint, dass, wer Recht hat, auch Recht bekommen muss, wäre noch dümmer.

Es kostet mich, weil das erworbene Fachwissen für diese Vorgehensweise bisweilen eher hinderlich ist, zwar Überwindung, zumal es früher eben anders lief. Aber wenn man am Ende am Aktienmarkt mit mehr dastehen will als zuvor, kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld und nicht einem „müsste eigentlich“. Aber, und da sollte man dann doch ganz anders vorgehen als die Masse, mit wachem Auge und konsequenten Stoppkursen. Denn diese „Masse“ weiß eben auch nicht, wie eine Abwärtswende daherkommt und wie man dann agieren müsste. Wenn Sie es wissen, gehen irgendwann die meisten baden … und Sie nicht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Donald Trump entlässt die Leiterin der Statistikbehörde im US-Arbeitsministerium, weil er überzeugt ist, dass die aktuellen Arbeitsmarktdaten manipuliert wurden, um ihm zu schaden. Zugleich würde er gerne den US-Notenbankchef entlassen, weil er unterstellt, dass der die Leitzinsen nur deshalb oben behält, weil er keine Ahnung hat. Und dann die Sache mit den Zöllen. Die Anleger schauen jetzt offenbar doch genauer hin und werden nervös. Und sie tun gut daran.

Niemand kann alles wissen. Was wiederum jeder weiß … oder wissen sollte. Natürlich gibt es sogenannte „Besserwisser“, jeder kennt einige davon. Manche von denen reden nur gescheit daher, weil sie glauben, dass sie dann besser angesehen sind, andere wissen vieles wirklich besser. Aber die Zeit der „Universalgelehrten“, die ist vorbei. Gute Chefs zeichnen sich daher dadurch aus, dass sie delegieren können und den Blick für Kompetenz haben. Gute Leute braucht man dann, die engagiert, fachkundig und bereit sind, im Sinne der Sache zu widersprechen, wenn sie es wirklich besser wissen. Und gute Chefs hören zu, gewinnen mithilfe der kompetenten Berater einen klaren Überblick und entscheiden zielorientiert, ohne Ansehen des eigenen Renommees.

Menschen, die diese Eigenschaften haben, machen Unternehmen groß. Menschen, die das Gegenteil darstellen, indem sie sich mit Jasagern umgeben, eine Paranoia pflegen und bei ihren Entscheidungen nicht ein realistisches Ziel, sondern einen unmittelbaren Showeffekt im Sinn haben, können Unternehmen im D-Zug-Tempo zerstören. Oder Nationen.

Nachdem im Verlauf der Geschichte so mancher absolutistische Alleinherrscher auf diese Weise ganze Staaten in Katastrophen geführt hat, wurden Parlamente und Gerichte eingeführt, die das, was der „Chef“ so treibt, kontrollieren und ggf. gegensteuern sollen. Denn je mehr Menschen in einen Entscheidungsprozess eingebunden sind, desto größer die Chance, dass solche Entscheidungen auch klug und zielführend für die Gemeinschaft sind. Allerdings …

… muss es auch Regelungen für Notfälle geben. Im Fall eines nationalen Notstands ist Eile geboten, da kann nicht lange geprüft und diskutiert werden. Dann entscheiden, ausnahmsweise, nur wenige oder, im Fall der USA, nur einer, nämlich der Präsident. Wobei da ja trotzdem nichts anbrennen kann, denn zum einen wird der ja entsprechend des Wählervotums von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt und ist zum anderen ja noch an die Gesetze gebunden. Soweit die Theorie.

Nichts ist einfach nur schwarz oder weiß

Eigentlich sind Zölle eine Sache des US-Kongresses, sprich von Repräsentantenhaus und Senat. Eigentlich ist die US-Notenbank von jeglicher politischen Einflussnahme frei. Eigentlich sind freie Marktwirtschaft und Planwirtschaft unvereinbare Gegensätze. Eigentlich sitzen in Behörden und Ministerien Fachleute, die beraten können und sollen, statt von Besserwissern in Chefsesseln bevormundet zu werden. Eigentlich sollte die Judikative sicherstellen, dass Entscheidungen, die nicht im Sinne der Gesetze und des Gemeinwohls gefällt wurden, revidiert werden. Und eigentlich sollten Minister kompetente Berater sein und keine Jasager. Wenn all das aber nicht so ist, kann das nicht zu erheblichen Schwierigkeiten führen, sondern es wird dazu führen. Nur darf man dabei nicht tun, was bei vielen eine Art Automatismus ist:

Man darf nicht pauschalisieren und alles der Einfachheit halber über einen Kamm scheren. Zwar ändert das nichts am Problem an sich, sprich an den Gefahren, die entstehen, wenn einer alles alleine entscheidet. Aber trotzdem ist nicht einfach alles kategorisch falsch, was Donald Trump tut oder beabsichtigt. Drei Bereiche sind gerade außerhalb des Dauer-Themas Zölle in den Fokus gerückt: Die Notenbank bzw. die Leitzinsen, der US-Arbeitsmarkt und die US-Medikamentenpreise. Ein paar Gedanken zu diesen Themen von meiner Seite.

US-Arbeitsmarktdaten: Niemand weiß, was wirklich Sache ist

Ich mag keine Großbuchstaben, mehrfache Unterstreichungen und mehrere Ausrufe- oder Fragezeichen als Mittel, um Forderungen oder Missfallen Nachdruck zu verleihen. Eine saubere Argumentation, klar strukturiert vorgetragen, das braucht es, keine eskalierende Zeichensetzung. So gesehen halte ich vor der Art und Weise, wie der US-Präsident mit dem Rest der Welt kommuniziert, wenig. Aber ich habe mich schon oft dabei ertappt, wegen des Stils gleich den Inhalt mit zu verdammen. Was immer ein Fehler ist. Zum Beispiel in Bezug auf die Sache mit den Arbeitsmarktdaten.

Donald Trump will, dass seine Wirtschaftspolitik umgehend Erfolge generiert, die er vorzeigen kann. Da kann es nicht überraschen, wenn die jüngsten Arbeitsmarktdaten im ganz und gar nicht gefallen haben. Auch, weil die Zahl der laut offiziellen Zahlen neu geschaffenen Jobs mit 73.000 unter den Prognosen lag. Und eine sinkende Beschäftigung andeuten, denn wegen des Bevölkerungswachstums müssten die USA monatlich um die 150.000 neue Arbeitsplätze schaffen, um die Beschäftigungsquote zu halten. Aber vor allem, weil die vorherigen Zahlen für Juni und Mai extrem nach unten korrigiert wurden. Die für den Juni von 147.000 auf 14.000 und die für Mai von 144.000 auf 19.000. Das zeigt: Der angeblich trotz „Zollpolitik“ so robuste Arbeitsmarkt wankt. Und das schon seit Monaten … und keiner hat’s gemerkt. Trumps Maßnahme:

Er will die Chefin der Arbeitsstatistik-Behörde entlassen. Die in der Zeit von Bidens Präsidentschaft ernannt wurde und die er deswegen verdächtigt, die Zahlen zu manipulieren, um ihm zu schaden. Das hat sie ganz sicher nicht. Erstens, weil sie es dann von vornherein hätte tun können. Zweitens, weil der schwächer als gedacht daherkommende Arbeitsmarkt die Forderung nach Leitzinssenkungen unterstützt, was Trump wiederum in die Karten spielt. Drittens, weil der Fehler im System liegt und nicht an Personen festzumachen ist.

Börse aktuell: Entwicklung US-Arbeitslosenrate von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Arbeitslosenrate von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Dass die Zahlen dermaßen falsch gewesen sind, dass es einen graust und dass man bei solchen Revisionen einsehen sollte, dass auch die jetzt veröffentlichten Daten zu hoch oder zu niedrig sein könnten, ist richtig. Und der US-Präsident hat völlig Recht, dass das ein großer Mist ist. Aber dann muss man die Sache eben grundlegend neu angehen. Alleine die Tatsache, dass die Arbeitslosenrate trotzdem mit 4,2 Prozent sehr niedrig bleibt, obwohl sie – angesichts der für die steigende Zahl der Arbeitnehmer zu wenigen neuen Jobs – steigen müsste, macht klar: Das System taugt nichts. Mein Reden seit Jahren, das war auch immer wieder Thema an dieser Stelle. Wo liegt das Problem?

Es liegt darin, dass man mit wenig Aufwand in kürzester Zeit Daten vorlegen will … oder, nach politischem Willen, soll. Das geht aber nicht so einfach, die USA sind kein 20-Mann-Betrieb. Was tut man also, und das nicht seit Kurzem, sondern schon seit eh und je? Man führt Umfragen durch, für die Zahl der neuen Arbeitsplätze bei Unternehmen, für die Arbeitslosenrate bei Bürgern. Diese vom Umfang zu kleinen Umfragen, deren Antworten zudem nicht überprüft werden können, werden dann einfach auf das gesamte, riesige Land hochgerechnet. Ergebnis:

Eine absolut nicht eingrenzbare, aber, wie man hier nicht zum ersten Mal sieht, gewaltige Fehlerquote. Wobei die Revisionen dann durch später einlaufende Daten von Unternehmen und Behörden und Neuberechnungen saisonaler Faktoren zustande kommen. Das ist in der Tat Murks. Zumal die Arbeitsmarktdaten extrem wichtige Indikationen sind.

Aber diese Daten wurden eben nicht manipuliert, sie sind von sich aus so, wie sie zusammengetragen werden, untauglich. Nur hatte niemand bislang die Energie, das zu ändern. Wenn Donald Trump akkurate Daten will, dann ist sein Ziel richtig und berechtigt. Wenn er dafür aber einfach eine Behörden-Chefin entlässt, die weiterführte, was alle Vorgänger auch so machten, ist sein Weg der falsche. Nötig wäre hier, dass die von Trump eingesetzte US-Arbeitsministerin (die Trump natürlich nicht feuert, sie wurde ja von ihm und nicht von Biden ernannt) das System grundlegend neu aufstellt. Was aber viel, sehr viel Aufwand und Überlegung erfordert. Und Donald Trump will gemeinhin sofort Ergebnisse sehen. Gut möglich daher, dass alles beim schlechten Alten bleibt … eine neue Statistik-Chefin die Zahlen fürderhin nur ein wenig besser rechnet … und wir weiterhin ohne den so wichtigen, klaren Blick auf die Lage am Arbeitsmarkt auskommen müssen.

US-Notenbank: Alles Narren, Trump kann‘s besser?

Die US-Notenbank hat den Leitzins bislang zweimal um je ein halbes Prozent gesenkt. Die Range für die sogenannte Federal Funds Rate liegt damit immer noch hoch, bei 4,25 zu 4,50 Prozent. In Europa liegt der Leitzins längst weit tiefer. Donald Trump passt das nicht. Ganz grundsätzlich und aus seiner Warte betrachtet ist das verständlich, denn:

Hohe Zinsen bremsen theoretisch den Konsum und machen die Refinanzierung der Regierung teuer. Es ist halt ein erheblicher Unterschied, ob man für zehn- oder gar dreißigjährige Staatsanleihen vier bis fünf Prozent Zinsen zahlen muss oder nur zwei. Zumal der Zinssatz ja über die gesamte Laufzeit bleibt, wo er eingangs war und so das Staatssäckel über viele Jahre weiter belastet, auch, wenn die Leitzinsen später massiv niedriger stehen sollten. Also will er umgehende und drastische Zinssenkungen. Ein Prozent, schrieb er unlängst mal, seien okay.

Und weil die Notenbank nicht tut, was er will, soll der Chef gehen. Am besten gestern. Und, wenn der nicht zurücktritt (weil er ihn rechtlich gesehen einfach nicht feuern kann), solle das Führungsgremium, genannt Board of Governors, die Kontrolle übernehmen.

Seine Sicht der Dinge ist klar: Mr. Trump will Wachstum als Beweis dafür, dass seine Strategie funktioniert. Und Wachstum lässt sich steigern, wenn mehr konsumiert wird. In dieser Hinsicht sieht er teure Kredite und hohe Hypothekenzinsen als unnötiges Hindernis. Und er will natürlich die Staatsschulden nicht durch teuren Schuldendienst noch schneller steigen sehen. Zugleich sieht er eine Inflationsrate nur wenig über der Zielzone von zwei Prozent. Es wirkt, als hätte er Recht damit, deutlich niedrigere Zinsen zu fordern.

Komplett Unrecht hat er meiner Ansicht nach auch nicht, aber die Sache ist eben kniffliger, als er sie sieht bzw. sehen will. Die Unternehmen werden die Preise anheben, sobald sie können und so weit sie können, sagte kürzlich ein Marktstratege und hat damit vollkommen recht. Und dass die Inflation jetzt noch moderat ist, basiert auf dem Vorzieheffekt der Zölle. Sobald die im Vorfeld der Zölle bis zum Bersten aufgefüllten Lagerbestände abverkauft sind, gehen die Preise hoch. Das wird wohl erst gegen Herbst sein, aber dann haben wir in den USA eben vermutlich Inflationsraten, die deutlich über dem liegen, was die „Fed“ tolerieren kann.

Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und EZB-Leitzins im Vergleich von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Leitzins und EZB-Leitzins im Vergleich von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Was den Arbeitsmarkt angeht, zeigt sich jetzt plötzlich, dass es da Probleme gibt. Was eigentlich Zinssenkungen unterstützen würde, damit die Nachfrage steigt, deshalb mehr Leute eingestellt werden und so die Wirtschaft stabilisiert wird. Aber dem steht eben der absehbare Effekt der Zölle entgegen. Dass man sich im FOMC, dem Entscheidungsgremium der US-Notenbank nicht einig ist und zwei der zwölf Mitglieder (beide von Trump nominiert) für eine Zinssenkung waren, basiert darauf, dass die nicht daran glauben, dass die Zölle bei der Inflation mehr ausmachen als einen kurzen Peak, der schnell von alleine verschwindet. Dass die anderen zehn (bzw. neun, Ariana Kugler nahm nicht teil) das anders sehen, liegt u.a. an der Erinnerung an 2022, als man auch dachte, die Inflation durch reißende Lieferketten nach Corona gehe von alleine weg und man damit dramatisch daneben lag.

Jerome Powell mag Chef der Notenbank sein, aber er entscheidet nicht alleine. Er hat in diesem FOMC eine Stimme wie jede andere. Wollte Trump erreichen, dass die Notenbank nicht mehr unabhängig ist, sondern seinem Willen gehorcht, müsste er die Mehrheit der Fed-Gouverneure austauschen. Und das funktioniert nicht. Dass am Freitag Ariana Kugler vorzeitig das Handtuch warf, gibt ihm zwar die Möglichkeit, einen weiteren eher ihm zugeneigten Nachfolger zu benennen. Aber die Mehrheit bleibt, was sie ist: unabhängig und der Sache verpflichtet. Richtig ist zwar trotzdem, dass der Leitzins ein wenig niedriger stehen könnte oder sogar sollte, was Staatsverschuldung und Immobilienmarkt angeht. Aber richtig ist eben auch, dass das beim Konsum, der ja in den USA auch bei den hohen Zinsen einfach weiter brummte, ein gefährliches Signal auslösen würde. Und diesen Geist dann in die Flasche zurück zu bekommen, würde schwierig. Fazit:

Der Leitzins könnte tiefer sein, aber wäre er so tief, wie es Mr. Trump gerne hätte, dürfte der verzögerte, aber deswegen eben nicht ausbleibende Zoll-Effekt dafür sorgen, dass man ihn in einem halben oder dreiviertel Jahr hurtig und drastisch wieder anheben müsste. Die „Fed“ ist vielleicht ein bisschen zu zögerlich, aber unter dem Strich weiß sie besser, was sie zu tun hat, als der Präsident.

Trumps Attacke auf die Pharmakonzerne – klappt das?

Am Donnerstag platzte Donald Trump der Kragen. Er forderte zahlreiche große Pharmakonzerne auf, binnen 60 Tagen geeignete Maßnahmen vorzulegen, die dazu führen, dass die Medikamentenpreise in den USA nicht höher sind als die in anderen Industrienationen. Und hier auf die Barrikaden zu gehen, ist richtig. Es gibt in den USA, anders als z.B. bei uns, keine Regulierung für Medikamentenpreise, die können die Hersteller in den USA so hoch setzen, wie sie wollen. Das ist in einem Land, in dem viele keine Krankenversicherung haben und wenn, diese dann wegen derart teurer Medikamente immer weniger bezahlbar ist, fatal.

Nun war das schon immer so, aber deswegen ist es noch lange nicht richtig. Mr. Trump versuchte bereits in seiner ersten Amtszeit … und nicht als erster Präsident … diesen Spuk zu beenden. Aber die Pharmalobby ist extrem stark. Sie wird einwenden, dass dann nicht mehr genug Geld für die Entwicklung neuer, wichtiger Medikamente da wäre und das dann die Schuld des US-Präsidenten sei. Man wird einwenden, dass das viele, viele Jobs kosten würde, weil die Milliardengewinne dann kleiner ausfallen und das dann ebenfalls die Schuld des US-Präsidenten sei. Wie immer.

Börse aktuell: Entwicklung der größten US-Pharmaaktien und des Dow Jones im Vergleich in der Woche 28.07. bis 01.08.2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der größten US-Pharmaaktien und des Dow Jones im Vergleich in der Woche 28.07. bis 01.08.2025 | Quelle: marketmaker pp4

Ich für meinen Teil würde die Reaktion vieler Pharma-Aktien am Freitag daher lieber nicht als Aufforderung zum Kauf ansehen. Viele taten genau das, wie der vorstehende Chart zeigt, weil sie sicher sind: Die Pharmalobby wird das Kind schon schaukeln.

Aber wenn jemand das durchboxen könnte, dann Trump, gerade wegen seiner eigentlich fatalen Eigenschaft, alleine zu entscheiden, sich um Berater und Gesetze wenig bis gar nicht zu kümmern und einfach zu befehlen, was er für richtig hält. Es könnte daher wirklich klappen. Und das macht klar: Nicht alles ist einfach schwarz oder weiß.

Aber unter dem Strich bleibt, dass die Art und Weise, mit der US-Präsident Trump regiert, nicht Folge oder gar Lösung von Problemen ist, deren Existenz jetzt langsam doch wieder vom Aktienmarkt wahrgenommen wird, sondern oft ihre Ursache. Niemand kann alles wissen. Deswegen muss man delegieren und zuhören, vertrauen und sich ggf. auch zurücknehmen können. Mr. Trump kann und/oder will nichts von alldem … und das wird die Börsen vermutlich in einen heißen Herbst führen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Der Giftkelch mit US-Einfuhrzöllen von 30 Prozent ist also jetzt an der EU vorübergegangen, es gelang am Sonntag, eine mit Japan vergleichbare Einigung zu erzielen, die einen Standard-Zoll von 15 Prozent vorsieht. Aber ich habe den Eindruck, dass der Kelch jetzt zwar kleiner ist, Gift ist aber dennoch drin.

Bislang hat die Trump-Methode ja tadellos funktioniert: Etwas Unglaubliches androhen, dann einen auf Verhandlungsbereitschaft machen, bei Widerstand ein vorher versöhnlich wirkendes Angebot wieder in die Gefahrenzone bugsieren (das waren die 50 Prozent, die er der EU kurzzeitig angedroht hatte), danach die Latte senken, aber unangenehm hoch lassen (30 Prozent), um sich dann wie im Basar auf etwas Niedrigeres zu einigen (15 Prozent).

Auf diese Weise wird der Gegenseite suggeriert, man sei doch prima davongekommen. Dass damit jetzt dennoch deutlich unangenehmere Handelsbedingungen mit den USA existieren als zuvor und diese im Raum stehende Zahl von 15 Prozent ja nicht alles ist, was man hinnehmen muss, geht da leicht unter. Beispiel Japan:

Der Tokioter Leitindex Nikkei 225 sprang letzte Woche förmlich aus den Schuhen, als Trump gönnerhaft „nur“ 15 Prozent Zoll verhängte und nebenbei noch ein paar Hundert Milliarden an Investitionen in den USA verlangte, von deren Gewinnen dann aber 90 Prozent den USA gehören sollen. Und 100 Boeing-Flugzeuge solle man kaufen und den Markt für US-Güter öffnen, z.B. für Autos oder Reis. Da lief es vorher wohl nicht so … seltsam. Hätten viele nicht nur auf diesen Zoll gestarrt, der für Japan damit von angedrohten 25 auf 15 Prozent gesenkt wurde und den Eindruck vorgaukelte, das sei jetzt eine ganz hervorragende Sache, wäre der Index ganz sicher nicht derart gestiegen, wie es der folgende Chart zeigt.

Börse aktuell: Entwicklung Nikkei 225 von Juli 2024 bis Juli 2025 - Reaktion auf den Deal USA / Japan | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nikkei 225 von Juli 2024 bis Juli 2025 – Reaktion auf den Deal USA / Japan | Quelle: marketmaker pp4

Und ab jetzt herrscht Friede? Ich weiß nicht recht …

Zumal ich einen Gedanken in den Raum stellen möchte: Was Donald Trump da tut, könnte man durchaus Erpressung nennen. Angenommen, Ihr Arbeitgeber steht plötzlich in der Tür und erklärt: Hör zu, o geschätzter Mitarbeiter, ich möchte, dass du ab sofort nicht 40, sondern 60 Stunden arbeitest, denn ich finde, ich bekomme für mein Geld einfach zu wenig. Und der wäre dann nach ewigen Verhandlungen bereit, auf 50 Stunden herunterzugehen, wenn Sie dafür auf zehn Prozent Gehalt verzichten … würden Sie dann jubelnd des Abends um die Häuser ziehen? Und hätten Sie zudem dann das Gefühl, jetzt sei alles geklärt und Ihr Chef wird nicht nächstes oder übernächstes Jahr die gleiche Nummer abziehen, um noch mehr aus Ihnen herauszuholen?

In Bezug auf die derzeitige US-Regierung wäre ich da jedenfalls nicht sicher, dass da nicht irgendwann erneut Ärger ins Haus steht. Denken wir nur daran, wie sich Trump in seiner ersten Amtszeit beschwerte, China halte sich nicht an die Vereinbarungen und würde viel weniger US-Waren kaufen als zugesagt. Und auch zuletzt hatte er ja in dieser Hinsicht diverse Posts losgelassen. Nein, wirklich sicher sein, dass jemand, der so vorgeht, jetzt ein verlässlicher und fairer Handelspartner sein wird, kann man nicht.

Das sind keine „Peanuts“, um die es da geht

Aber zu unserem „Deal“: Davon mal abgesehen, dass der ja erst von den Mitgliedsländern angenommen werden muss, hat man, wie bei Japan auch, bislang keine Details zu einem konkreten „Wie“, „Wann“ und „Was“. Es stehen wie üblich nur ein paar Zahlen im Raum:

Für 750 Milliarden US-Dollar soll die EU aus den USA Energie kaufen. Trump hatte ja schon in „Turn One“ immer wieder darauf hingewiesen, dass die USA doch viel schöneres und besseres Erdgas hätten als die Russen. Jetzt wird er es also los. Zudem solle die EU 600 Milliarden US-Dollar mehr in den USA investieren als zuletzt. Da die EU selbst nicht investieren kann, müsste man das irgendwie in der Privatwirtschaft forcieren. Wie schon im Fall Japan frage ich mich: wie? Wird dann ausgelost, wer „drüben“ eine Fabrik hinstellen muss? Man kann ja – eigentlich – kein Unternehmen zwingen. Zumal bislang unklar ist, von welchem Zeitraum wir da sprechen. Einmalig über den Zeitraum eines oder mehrerer Jahre? Oder soll das mit dem Mehr an Energie-Käufen und Investitionen eine regelmäßige Sache sein?

Dem DAX helfen dürfte es an der Börse aktuell zwar erst einmal, dass unter den Hut dieser 15-Prozent-Einigung auch die Automobile kommen. Wobei man dort zwar unterstrich, dass auch 15 Prozent zu viel seien. Aber weniger war eben nicht drin. Ungut ist, dass Mr. Trump erwähnte, dass der Pharmabereich nicht Teil der Einigung sei. Außerdem, was aber weltweit für alle gilt, bleibt es bei den sportlichen 50 Prozent Einfuhrzoll auf Stahl und Aluminium, was aber vermutlich die US-Industrie mehr unter Druck setzen wird als die Produzenten im Rest der Welt.

Von „Peanuts“ reden wir da auf jeden Fall nicht. Die EU exportierte letztes Jahr Güter für 531 Milliarden Euro in die USA. Und das gesamte Bruttoinlandsprodukt der EU betrug 2024 knapp 18 Billionen Euro. Da sind die – Energiekäufe und US-Investitionen zusammengenommen – 1,35 Billionen, die die USA jetzt als monetäre Beilage zu ihren 15 Prozent Einfuhrzoll abgegriffen haben, wirklich nicht „Nichts“. Wird man bei Dax und Euro Stoxx 50 angesichts dessen heute genauso begeistert zulangen, wie das in Japan der Fall war?

Börse aktuell: Entwicklung DAX Februar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Februar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das erinnert irgendwie an Silvester

Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir als EU zwar keine andere Wahl hatten, denn hätte Frau van der Leyen jetzt auf den Tisch gehauen und Mr. Trump in den Senkel gestellt, wäre die Reaktion fatal gewesen. Mit dieser US-Regierung kann man letztlich nur versuchen, den Weg des geringsten Flurschadens zu suchen. Aber ob ein Schierlingsbecher einen halben Liter fasst oder nur Schnapsglas-Größe hat: Beides hat Folgen, wenn man ihn schlucken muss.

Und davon abgesehen, dass es rational knifflig wäre, einen „Deal“ mit Käufen zu feiern, wenn ein Index wie der DAX ohnehin schon auf Rekordhoch steht und diese Einigung von der US-Regierung nur so inszeniert wurde, dass man das Gefühl bekommt, die USA seien uns entgegengekommen, ist die Frage:

Läuft die Party in Bezug auf diese Thematik nicht schon so lange, dass jetzt viele im Stil von „selling on good news“ Gewinne mitnehmen wollen, auf der Gegenseite aber wegen Wochen und Monaten der Vorkäufe die Käufer knapp werden?

Denn bereits seit dem April-Crash wird ja nach dem Motto gekauft, dass das am Ende alles nicht so heiß gegessen wird, als es da nach Trumps „Liberation Day“ mit seiner Zolltafel gekocht wurde. Selbst, wenn man auf diese Straßenhändler-Methodik hereinfallen und das Gefühl haben würde, das sei doch jetzt alles super gelaufen, wäre also die Frage, ob viele ihre Depots an der Börse aktuell nicht längst bis zum Anschlag vollgepackt haben, Fonds inklusive.

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 von Oktober 2024 bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 von Oktober 2024 bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das erinnert mich irgendwie an Silvester: Man feiert und feiert und feiert, beginnt meist schon um 18 oder 19 Uhr … und wenn es dann endlich soweit ist, sind alle dermaßen satt, angetrunken und ausgelaugt, dass die Party ruckzuck vorbei ist, kaum dass die Ziellinie erreicht wurde. Wird es jetzt womöglich ähnlich laufen?

DAX und Euro Stoxx 50 müssen aus ihren aktuellen Handelsspannen nach oben ausbrechen und auch darüber bleiben. Dann kann es etwas werden mit diesem kollektiven Gefühl, dass „weniger schlecht“ und „gut“ das gleiche sind … immerhin basiert so ziemlich alles an der Börse auf der subjektiven Interpretation dessen, was an Fakten eintrudelt. Sollte das mit dem Ausbruch aber schiefgehen oder ein solcher binnen weniger Tage zum Fehlausbruch werden, wäre das ein Schuss vor den Bug … aber erst, wenn diese Handelsspannen nach unten verlasen wurden, brennt wirklich etwas an. Das wird heute und in den kommenden Tagen spannend!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Dieser Tage beginnt die Phase der Halbjahresbilanzen. Aber es ist auch der Moment, in dem Donald Trumps zweite Amtszeit ihr erstes Halbjahr absolviert hat. Dabei erscheint das Verhalten der Aktienmärkte in Relation zu Trumps Politik seltsam optimistisch was im Rahmen der schleichenden, täglichen Veränderungen weniger auffällt, in einem Vorher-Nachher-Vergleich aber schon. Es ist aber durchaus erklärbar, wenn man weniger darauf schaut, was er tut, sondern wie er es tut.

Im Wahlkampf ebenso wie in den Wochen zwischen der Wahl im November 2024 und seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 verkündete Donald Trump, dass er so viel in allerkürzester Zeit erreichen werde wie noch kein Präsident vor ihm, nicht einmal wie er selbst in seiner ersten Amtszeit. Er wollte den Ukraine-Krieg beenden, den Nahost-Konflikt befrieden, das Handelsbilanzdefizit beseitigen, mehr Arbeit und mehr Einkommen für alle schaffen, die Steuern senken, die Zinsen gleich mit, die Migrationsproblematik lösen und damit in kürzester Zeit ein Amerika schaffen, das seinen Vorstellungen von erstrebenswert entspricht. Wir wissen: Jetzt, nach einem halben Jahr, ist davon fast nichts erreicht worden.

Das können auch die Bullen am US-Aktienmarkt nicht übersehen … zugleich sieht man ein ums andere Mal, wie der US-Präsident sein Amt zur eigenen Bereicherung ausnutzt und fast komplett ohne den US-Kongress regiert, als sei er ein absolutistischer Herrscher. Trotzdem wirkt es, als würde man seitens der Anleger gerade ein für eine Hausse perfektes Szenario handeln. Eines, das bislang nicht existiert und, nüchtern betrachtet, wohl kaum erreicht wird. Wieso ist man am Aktienmarkt an der Börse aktuell derart guter Dinge?

Die Performance der US-Indizes: Gefühlt: grandios. Real: geht so.

Das ist man eigentlich gar nicht, es fühlt sich nur so an. Vor allem, weil der bislang einzige, drastische Kurseinbruch als Folge von Mr. Trumps Vorstellung von Handelspolitik so rasant aufgeholt wurde und sich die Indizes dadurch wieder im Rekord-Terrain bewegen. Denn misst man die Performance ab Amtsantritt am 20. Januar 2025, kommt man für den Dow Jones auf etwa drei, für den S&P 500 auf fünf und für den Nasdaq 100 auf acht Prozent Kursanstieg. Das ist für ein halbes Jahr in Relation zum langjährigen Mittel sogar unterdurchschnittlich. Und nimmt man die Entwicklung ab dem Wahltag, dem 5. November 2024, so kommen da fünf, neun und vierzehn Prozent Plus zusammen. Auch nicht unbedingt grandios … aber es fühlt sich eben ziemlich bullisch an. Die Frage ist:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Wieso sind die Kurse überhaupt nahe am oder auf Rekordniveau, wenn doch Trumps Versprechen, alles ruckzuck zum Besten zu wenden, nicht eingelöst wurden? Sehen wir uns in den folgenden Charts einmal an, wo es überall nicht so läuft, wie es für seine stabile Aktien-Hausse laufen müsste:

Bislang kaum echte Effekte der „Zoll-Strategie“

Eines von Donald Trumps Lieblingsprojekten sind die Zölle. Damit will er erreichen, dass die US-Bürger mehr in den USA hergestellte Waren kaufen, die ausländischen Anbieter vom Markt zurückdrängen und den heimischen Unternehmen Vorteile bieten. Problem dabei: Erstens sind viele US-Hersteller auf Zulieferteile aus dem Ausland angewiesen und/oder haben ihre Produktion seit Jahren im Ausland. Zweitens wirken die Zölle ja letztlich wie eine Steuer, die entweder die US-Importeure oder die US-Verbraucher zahlen. Natürlich weniger, wenn die Exporteure ihre Preise senken würden, um Umsatzeinbußen zu minimieren. Aber das ist – in den Dimensionen, um die es bei diesen Einfuhrzöllen geht – kaum möglich.

Zugleich soll das massive US-Handelsbilanzdefizit verringert, im Idealfall sogar in einen Überschuss verwandelt werden, d. h., dass die USA dann mehr exportieren, statt importieren. Und Trump will mit den Zolleinnahmen den Staatshaushalt entscheidend mitfinanzieren. Bislang zeigen sich da aber keine wirklich vertrauenerweckenden Effekte.

Börse aktuell: Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Zwar klingt es wie ein gewaltiger Erfolg, wenn die US-Zolleinnahmen im ersten Halbjahr mit 87,2 Milliarden US-Dollar meilenweit über denen des Vorjahres liegen. Alleine im zweiten Quartal nahmen die US-Zollbehörden 50 Milliarden US-Dollar mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Aber 87,2 Milliarden in sechs Monaten stehen, nur als Beispiel-Zahl, einem Schuldenstand des Staates von, Stand Juni, 36,2 Billionen US-Dollar gegenüber. Um das nennenswert zu reduzieren, bräuchte es sehr viele Jahre mit sehr viel höheren Zolleinnahmen. Und auch den Anlegern sollte eigentlich klar sein, dass diese Milliarden aus den Taschen der US-Verbraucher kommen und in das Staatssäckel fließen, nicht aus den Kassen der Hersteller. Und was die Regierung dann mit den Zolleinnahmen tut, muss keineswegs allen US-Bürgern zugutekommen.

Börse aktuell: Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Zudem fällt auf, dass Donald Trump zwar tönte, er habe mit dieser cleveren Strategie das Handelsbilanzdefizit halbiert. Aber die beiden vorstehenden Grafiken machen klar, dass der vorherige Rekord ja letztlich auf seinem Mist gewachsen war, denn da hatten die internationalen Unternehmen bzw. die US-Importeure wegen der absehbaren Zölle so viel wie möglich in die USA geschafft, bevor es massiv teurer würde. Diese Welle an Vorab-Importen zu halbieren heißt dann eben nur, dass jetzt wieder ein Niveau beim Handelsbilanz-Defizit erreicht wurde, was in den Jahren der Biden-Administration normal war. In Trumps erster Amtszeit war dieses Defizit, die obere Grafik zeigt das, übrigens deutlich geringer.

Die US-Verbraucher bleiben vorsichtig, die Trader sind es nicht

Hinzu kommt, dass dieses Zoll-Theater ja noch nicht vorbei ist. Und wann da der Vorhang des letzten Akts fällt, weiß niemand. Aktuell steuern wir auf das Ende der Frist nach der Frist zu. Aber wie sich das alles nach dem 1. August darstellt, weiß man nicht. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung unter den US-Konsumenten, da bewegen wir uns, auch, wenn sich die Gemütslage offenbar vom Tief des Aprils gelöst hat, auf einem Level, das wir zuletzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise und der Phase der damaligen Lockdowns gesehen haben.

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Und der Konsum als Rückgrat des Wachstums? Zumindest die Umsätze im Einzelhandel kommen nicht so daher, als hätten die US-Bürger jetzt Vertrauen in bald anbrechende, goldene Zeiten gefasst. Zwar war der US-Einzelhandelsumsatz im Juni stärker angestiegen als seitens der Volkswirte erwartet. Aber eine Jahresrate von +3,9 Prozent ist nur Durchschnitt … zumal diese Umsätze nicht inflationsbereinigt sind. Zieht man die Teuerungsrate von offiziell zuletzt 2,7 Prozent ab, bleibt da nichts, das man als nennenswertes Wachstum ansehen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Warum Donald Trump so dringend massive Zinssenkungen bräuchte

Das weiß auch der US-Präsident. Und er weiß auch, wie er das ausbleibende Wachstum auf Touren bringen könnte: mit billigem Geld. Würden die US-Bürger wieder spottbillige Kredite aufnehmen können, würde das viel ändern. Mittelfristig zwar keineswegs zum Guten, immerhin sind steigende Schulden ein permanentes Risiko in Schwächephasen der Wirtschaft und treiben die Inflation hoch. Zumal die US-Bürger insgesamt sowieso schon überschuldet sind. Aber um zeigen zu können, dass seine Politik Wachstum erzeugt, braucht er einen Run in Kredite. Und da steht ihm die US-Notenbank derzeit im Weg.

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Aber sollte es ihm gelingen, die Kontrolle über die Geldpolitik zu erlangen, hätte er gleich ein ganz anders, noch größeres Problem: Die internationalen Investoren, aber zweifellos auch sehr viele US-Investoren würden zusehen, dass sie ihr Investitionskapital aus dem Land schaffen. Denn in diesen Kreisen weiß man, dass es mit Donald Trumps Sachverstand in Sachen Volkswirtschaft, Fiskal- und Geldpolitik nicht weit her ist, er zugleich aber von Fachleuten keinerlei Rat annimmt.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das alles ist also eigentlich kein Umfeld, in dem die US-Aktienmärkte auf Rekordniveau notieren müssten. Das braucht Wachstum bei den Unternehmensgewinnen, um solide zu sein. Und die Unternehmensgewinne wachsen normalerweise nur – und mittelfristig immer nur – wenn die Verbraucher optimistisch sind und deswegen mehr ausgeben. Das sehen wir auch an dem normalerweise engen Gleichlauf von Verbraucherstimmung und Aktienmarkt. Doch seit Ende 2022 laufen diese beiden Indikationen auseinander … und seit Anfang 2025 besonders stark.

Wie kann das angehen? Wie gelingt es Donald Trump, den Aktienmarkt oben zu halten … was er muss, weil starke Verluste dort und damit Einbußen beim Ersparten vieler US-Bürger den Konsum und mit ihm das Wachstum erst recht drücken würden?

Die bewährten Tricks der ersten Amtszeit funktionieren erneut

Indem er eine Vorgehensweise kultiviert, die er bereits bei seiner ersten Amtszeit eingesetzt hatte, z.B. in Bezug auf den Handelskrieg mit China damals oder den Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze:

Er stellt erst einmal eine extreme Drohung in den Raum. Dabei kalkuliert er durchaus eine schockierte Reaktion ein, aber: Dann relativiert er dieses Extrem. Dadurch bekommen die Anleger das Gefühl, es sei etwas ganz Hervorragendes passiert, obwohl er nichts anderes getan hat, als etwas völlig Negatives auf etwas ein bisschen weniger Negatives herunterzufahren. Und er lässt offen, wie es weitergeht, tut so, als gäbe es Deadlines und löst die dann immer wieder auf.

Genau das hat er in Bezug auf die Zölle getan und gibt den Anlegern dadurch das Gefühl, das werde alles in Kürze ganz toll laufen. Zumal er, so wie damals 2017 und fortfolgend mit China, die Trader immer wieder „animiert“, indem er regelmäßig erklärt, herausragende, grandiose „Deals“ würden in allernächster Zeit verkündet. Dass da weit weniger kommt als man hoffen mochte und das, was kommt, oft eher eine Mogelpackung ist: Wen kümmert’s, solange der Trend noch nach oben weist!?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Aber es gibt ein gewaltiges Damoklesschwert bei dieser Trump’schen Strategie: Irgendwann muss er eben wirklich etwas vorzeigen können, das taugt, das rational gesehen eine Verbesserung ist und Wachstum schafft statt Inflation und Sorgen.

Und das kann er nur, wenn genug Handelspartner auf seine Forderungen eingehen, sprich auf die Knie fallen. Wenn genug ausländische und heimische Unternehmen wirklich ihre Produktion in die USA verlegen. Und wenn das Geld billiger wird, sprich er die Leit- und Kreditzinsen nach unten bekommt. Und wer sich von dieser durchaus cleveren Strategie des „vor und zurück“ und des „bald, bald“ zu lösen vermag, dürfte schnell erkennen: So wirklich wahrscheinlich ist es nicht, dass all das so hinhaut. Wir dürfen gespannt sein, was das zweite Halbjahr seines ersten Jahres im „second term“ im Oval Office bringen wird!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.