Den Großteil des dramatischen Kurseinbruchs hatte der MDAX bereits wettgemacht. Es blieben nur noch die zwei März-Hochs, um aus charttechnischer Sicht freie Bahn zu haben. Aber aus einem anfangs großen Plus wurde zum Montags-Handelsende ein kleines.

„Was wollt ihr denn noch?“, könnte man den Bullen zurufen. Natürlich hatte man in der Hoffnung auf eine Deeskalation in Sachen US-Zölle vorgekauft, sonst wäre der MDAX nie so nahe an das vorherige Hoch gelaufen. Aber das, was der US-Finanzminister dann am Montagmorgen in Genf verkündete, hatte dann eben doch keiner erwartet. Erst Ende der Vorwoche hatte Donald Trump geschrieben, dass eben dieser Finanzminister eine Reduzierung der China-Einfuhrzölle von 145 auf 80 Prozent als angemessen ansehen würde. Zumindest, sofern die Gespräche in der Schweiz gut laufen sollten. Aber dann ging es eben auf gegenseitige zehn Prozent nach unten. Ja, seitens der USA kommen noch die 20 Prozent Zoll wegen der Fentanyl-Vorwürfe obendrauf, sodass immer noch 30 Prozent bleiben. Und ja, das gilt nur für 90 Tage, aber:
Erstens darf man vermuten, dass diese 90 Tage einfach verlängert werden, wenn man mit den Verhandlungen bis dahin noch nicht durch ist. Denn die USA haben offenbar erkannt, dass sie sich mit den aggressiven Zollanhebungen zu sehr ins eigene Fleisch schneiden, um gegen ein Land wie China zu bestehen, das den Druck aussitzen will und kann. Zweitens deutet diese offenkundig friedlichere Verhandlungsstrategie der USA an, dass auch die EU einen relativ zeitnahen, nicht allzu ungünstigen „Deal“ mit den USA erreichen kann. Das Damoklesschwert eines abgewürgten Handels mit einem für viele MDAX-Unternehmen immens wichtigen Handelspartner hängt jetzt ein gutes Stück höher als zuvor. Warum also diese magere Reaktion, die zudem charttechnisch für die Bullen eine Situation schafft, die eher noch problematischer ist als am Freitag davor?
Expertenmeinung: Das hat vermutlich zwei Gründe. Zum einen kann man zwar argumentieren, dass eine realistische Chance auf einen „Status quo ante“ bedeutet, dass es angemessen ist, den Abstieg des Index seit März zurückzunehmen. Aber um darüber hinauszulaufen, müsste eben Entscheidendes besser sein bzw. werden als zuvor. Und das ist ja nicht der Fall, zumal die Beruhigung der Lage zwischen den USA und China die deutschen Unternehmen nur mittelbar betrifft. Zum anderen ist da noch der Faktor des „Rüstungsaktien-Hypes“. Und dieser Aspekt ist ein entscheidender in Bezug auf die gestern für viele wohl überraschend magere Performance.
Denn welche drei Aktien waren am Montag die größten Verlierer im MDAX? Hensoldt, Renk und thyssenkrupp. Alle im Vorfeld im Zuge der Erwartung massiv nach oben getrieben, dass Deutschland und andere EU-Länder jetzt in Windeseile immense Summen für die Aufstockung der Verteidigungsfähigkeit in die Hand nehmen. Die Nachricht, dass es übermorgen vermutlich zu einem ersten Treffen zwischen Selenskyj und Putin kommt und das ein erster Schritt in Richtung einer Beruhigung der Lage wird, hatte die „Rüstungs-Bullen“ verunsichert, alle drei Aktien verloren deutlich … und sorgten dafür, dass der MDAX erst einmal da nicht vorbeikam, wo er hätte vorbeikommen müssen:
An der Widerstandszone 30.534 zu 30.688 Punkte, die, wie Sie im Chart auf Wochenbasis sehen, nicht nur wegen der beiden März-Hochs relevant ist. Sie geht bis ins Jahr 2021 zurück, was heißt: Schon im März wurde der Index an einer alten, längerfristig bedeutsamen Widerstandszone abgewiesen und keineswegs im „luftleeren Raum“.

Das ist für das bullische Lager jetzt gar nicht mal so „ohne“, denn was in Istanbul herauskommt, sollte es zu diesem Treffen zwischen der Ukraine und Russland kommen, ist eine Sache, das muss man abwarten. Aber in Bezug auf die Deeskalation im Zollstreit müsste man konstatieren: Wer da gestern noch kaufen wollte, hat gekauft. Wer nicht gekauft hat, ist entweder längst vorher eingestiegen oder will gar nicht kaufen. Gehen dem MDAX also ausgerechnet hier, an dieser wichtigen Hürde, die Käufer aus? Denkbar genug ist es, um diesen Gedanken zuzulassen und sich, sofern Long engagiert, entsprechend vorzubereiten. Das Problem ist indes, dass die nächstliegenden, potenziellen Auffanglinien aufgrund des rasanten Anstiegs zuvor nicht gerade nahe liegen.
Da hätten wir das Tagestief vom 6. Mai bei 28.690 Punkten, als es kurzzeitig zu einem größeren Abschlag kam, das wäre die nächstgelegene Auffanglinie. Darunter folgt die Nackenlinie des März-Doppeltopps bei 28.256 Punkten und dann, heute dann fast auf gleicher Höhe, die 20-Tage-Linie. Solange nicht all diese kleineren Supportlinien unterboten wurden, bleibt der MDAX auch auf kurzfristiger Ebene grundsätzlich bullisch und ein Befreiungsschlag auf der Oberseite jederzeit möglich, Long-Positionen sollten daher so gestaltet sein, dass sie einen Test dieser Unterstützungslinien „abkönnen“.
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