Erst passierte lange nichts, dann senkte die US-Notenbank den Leitzins gleich um 0,5 Prozent. Am Aktienmarkt wurde das als Grund für die Rallye des Donnerstags proklamiert. Aber wer sich den Chart der zehnjährigen US T-Bonds ansieht, erkennt: Vorsicht, das passt was nicht.
Dass Leitzinssenkungen sofort eine stimulierende Wirkung auf das US-Wachstum und in dessen Schlepptau auf die Unternehmensgewinne haben, ist zwar gängige Meinung unter vielen Tradern, erschließt sich aber von der Logik her nicht. Denn ebenso, wie steigende Leitzinsen die Wirtschaft nicht sofort ausbremsen, haben auch fallende Zinsen eine verzögerte Wirkung. Im Gegenteil:
Eine erste Zinssenkung ist das Signal für weitere. Man wäre ja eher wenig gescheit, würde man sofort große Investitionen und Anschaffungen auf Kredit angehen, wenn man vermuten darf, dass diese Kredite in einigen Monaten noch deutlich billiger werden.
Und dass sie billiger werden, preist man ja an der Börse gerade ein. Jedenfalls am US-Aktienmarkt. Am US-Anleihemarkt etwa nicht? Ein Blick auf die Kursentwicklung der US-Staatsanleihen (Treasury Bonds oder kurz T-Bonds) mit Laufzeit zehn Jahre zeigt: Nein, tut man nicht. Oder besser gesagt: nicht mehr. Denn die Rendite, also die Verzinsung dieser zehnjährigen Laufzeit, war im Vorfeld der US-Notenbankentscheidung bereits in den Bereich von 3,65 Prozent gefallen, ausgelöst durch eine Kaufwelle Ende Juli und Anfang August. Wenn Anleihen gekauft werden und dadurch deren Kurs steigt, fällt deren Rendite, denn je höher der Kurs, desto prozentual geringer wird die Zinszahlung, die ja von der Höhe in US-Dollar her unveränderlich ist, im Vergleich zum Kurs. Das heißt was?
Expertenmeinung: Das heißt, dass man diese am Mittwoch vollzogene Leitzinssenkung bereits im Sommer vorweggenommen hatte, als man fürchtete, die Notenbank sei zu spät dran, eine Rezession wahrscheinlich und damit für die „Fed“ zwingender Handlungsbedarf gegeben. Das trieb den Kurs der zehnjährigen T-Bonds kurzzeitig sogar über die Hochs vom Dezember und Januar, wie wir im Chart sehen, bevor man sich unterhalb dieser Widerstandszone eine Zeitlang einrichtete. Je näher diese Notenbanksitzung kam, desto mehr wurde auf eine Zinssenkung hin vorgekauft, dann aber, als sie am Mittwoch vollzogen wurde, fielen die Kurse, sprich man nahm bei den T-Bonds Gewinne mit. Grund:
Man hatte ja ohnehin schon umfassende Leitzinssenkungen eingepreist, jetzt war die erste vollzogen und das, was die „Fed“ für die nächste Zeit über ihre Projektionen avisierte, ist nichts, das über die bisherigen Erwartungen hinausgegangen wäre. Sprich: Wir sehen „selling on good news“, weil das Zins-Szenario, das man jetzt erwarten darf, schon in den Kursen drin ist.
Am Aktienmarkt tut man derweil indes so, als wäre das, was die Notenbank tat und sagte, eine Offenbarung, die völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Aber vom von vielen ignorierten, davon aber nicht verschwindenden Aspekt der verzögerten Wirkung sinkender Zinsen abgesehen sollte dort auffallen, dass man eigentlich bei Dow Jones & Co. dasselbe Argument zum x-ten Mal für neue Hochs ausschlachtet, während man am Anleihemarkt die Kirche im Dorf lässt. Erfahrene Aktien-Trader haben immer ein Auge auf die Anleihemärkte!
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