Euro-Bund Prognose Bund Future: Was ist denn hier auf einmal los?

News: Aktuelle Analyse des Euro-Bund Futures

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Euro-Bund
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Ticker: GBL
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Deutsche Aktien wurden in den letzten Handelstagen verkauft wie sauer Bier … aber nicht deutsche Anleihen. Die waren heiß begehrt, der Bund Future als Anleihe-Barometer am Terminmarkt lieferte zum Wochenschluss ein massiv bullisches Signal ab. Aber warum?

Der Bund Future bildet die Kursbewegungen von deutschen Bundesanleihen ab, und zwar die einer fiktiven Anleihe mit einer stets zehn Jahre betragenden Laufzeit. Steigt der Bund Future, steigen also die Kurse solcher Anleihen, ihre Renditen fallen vice versa. Wir sehen im Chart: Die Kurse sind in den vergangenen vier Handelstagen gestiegen, am Freitag kam es dadurch zu einem eigentlich überraschenden Befreiungsschlag:

Bund Future: Chart vom 14.06.2024, Kurs 133,05 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Bund Future: Chart vom 14.06.2024, Kurs 133,05 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS

Der Bund Future überwand die seit Anfang Februar geltende Abwärtstrend-Zone und direkt im selben Aufwasch die wichtige, im Chart dick schwarz hervorgehobene 200-Tage-Linie. Da kann man sich schon mal wundern, immerhin ist der Future gerade erst unter diese Linie zurückgefallen und steuerte auf die Herbst-Tiefs 2023 zu, weil sich die Zinssenkungsphantasie in Luft auflöste. Insbesondere, als die EZB in der vorvergangenen Woche unterstrich, dass dem ersten, kleinen Schritt nach unten erst weitere folgen würden, wenn die Gesamtsituation das hergeben würde … was sie bislang eben nicht tut.

So gesehen wirkt es, als sei der Bund Future bzw. diejenigen, die da massiv deutsche Bundesanleihen einsammelten, in der falschen Richtung unterwegs. Aber die Motivation war auch eine andere.

Expertenmeinung: Durch die Europawahl wurden viele Investoren nervös. Wie geht das weiter, von wem wird Frankreich als eine der Achsen der EU in Zukunft regiert, wie verändert sich das Bild der EU insgesamt? Aber diese Frage stellten sich nicht nur international agierende, große Adressen, auch viele aus dem Euroraum und davon viele, die große Positionen in französischen Anleihen halten. Und diese französischen Anleihen wurden vergleichbar stark gegeben wie die Aktien des französischen CAC 40. Da aussteigen … ja, aber wohin mit dem Geld?

Ein Teil dieses Geldes war es, das diesen markanten Anstieg der deutschen Anleihen und mit ihnen des Bund Future auslöste. Und auch, wenn man gerne behauptet, dass politische Börsen „kurze Beine“ haben, also nicht lange vorhalten: Es ist kurzfristig nicht sehr wahrscheinlich, dass dieses jetzt dem deutschen Anleihemarkt zugute gekommene Geld umgehend wieder abfließt. Deutschland hat weiter eine Top-Bonität … und so vermeidet man ein Währungsrisiko, weil man sein Kapital innerhalb des Euroraums umschichtet.

Doch die Basis des Ausbruchs ist trotzdem eine andere, als hätte die EZB jetzt die Zinsbremse gelöst. Die charttechnische Relevanz dieses Anstiegs kann zwar Anschlusskäufe technisch orientierter Trader hervorrufen, aber die haben am Anleihemarkt ein geringeres Gewicht als bei den Aktien. Bevor die EZB den Deckel in Sachen Zinssenkungen nicht wegnimmt, sollte man sich daher darauf einstellen, dass das mittelfristige Aufwärtspotenzial des Bund Future trotz dieses so massiv wirkenden, bullischen Signals eher begrenzt ist. Auch wenn kurzfristig noch Kapital aus Eurozone-Aktien hierhin fließen und für Rückenwind sorgen könnte.

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Vorherige Analysen des Euro-Bund Futures

Man könnte allerlei Argumente zusammentragen, wieso die für heute erwartete Zinssenkung der EZB der Beginn einer Reihe weiterer, in zügiger Folge ablaufenden Senkungen sein wird. Doch der Bund Future zeigt, dass man am deutschen Anleihemarkt anders denkt – zu Recht.

Würden die Leitzinsen in der Eurozone schnell und weit sinken, würden Hypotheken und Ratenkredite rasant billiger. Und das würde das seit einiger Zeit am Boden liegende Wachstum mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederbeleben. Also ein wünschenswertes Szenario, aber ist es das auch für die EZB?

Gegen Wachstum hat die Europäische Zentralbank natürlich nichts, keine Frage. Aber gegen eine über der Zielzone liegende und dort verharrende Inflation schon. Und die Erfahrungen aus der Phase, seit der Leitzins auf seinem Hoch von 4,5 Prozent liegt – immerhin ist das bereits seit letztem September der Fall – dürften der EZB sehr klar vor Augen führen, dass eine schnelle Rückkehr zu einem neutralen Zins wohl kaum ohne ein umgehendes Revival der Inflation ablaufen würde.

Lohnabschlüsse über der Erwartung der EZB, das sture Rühren der Politik in der Suppe, eine verblüffend robuste Kreditnachfrage: All das hat eine echte Rezession in der Eurozone bislang verhindert, zugleich aber die Teuerung am Leben erhalten. Und das basiert jetzt nicht mehr nur auf den stark schwankenden Bereichen Nahrungsmittel und Energie, bei denen man sich sagen könnte, dass Schwankungen schließlich in beide Richtungen gehen. Die Inflation sitzt in allen Bereichen, so dass die Inflations-Kernrate im Mai für die Eurozone bei 2,9 Prozent lag.

Expertenmeinung: Da davon auszugehen, dass der restliche Weg zurück auf 2,0 Prozent schon von alleine gegangen wird und, wichtiger noch, die Inflation dann dort auch bleibt, wäre naiv. Und die EZB hat in den letzten Jahren bewiesen, dass Naivität nichts ist, was man ihr nachsagen könnte.

Und nicht nur die EZB agiert besonnen, das gilt auch für das Gros der Investoren am Anleihemarkt. Dort finden sich weit weniger Unerfahrene wie am Aktienmarkt, so dass man die Kursbewegungen der Anleihen bzw. die ihres Barometers am Terminmarkt, des Bund Future, durchaus als eine Art Leitstrahl der Vernunft ansehen könnte. Und wir sehen: Nein, dort erwartet man von der heutigen EZB-Sitzung keine Wunder.

Der Bund Future repräsentiert die Kursbewegungen von deutschen Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit. Das bedeutet: Die Entwicklung der Verzinsung, d.h. der Anleiherendite, muss man spiegelbildlich sehen. Steigt der Kurs einer Anleihe, fällt deren Rendite und umgekehrt. Wenn wir hier also einen derzeit intakten Abwärtstrend ausmachen, der seit Jahresbeginn existiert und der bereits unter die 200-Tage-Linie geführt hat, zeigt das:

Die Renditen steigen, man erwartet hier, dass die am Aktienmarkt noch von vielen erhoffte Serie rasante Zinssenkungen nicht kommen wird. Denn am Anleihemarkt weiß man sehr genau, was so manchem Anleger nicht bewusst ist:

Das Aufgabengebiet der EZB erstreckt sich nicht auf Wachstum, so dass ein Kompromiss, den die US-Notenbank eingehen könnte, weil die das Wachstum wegen ihrer Aufgabe, eine hohe Beschäftigungsrate sicherzustellen, im Blick haben soll, gar nicht zur Debatte stünde. Der EZB geht es um Preisstabilität, dafür sind die Voraussetzungen nicht da, somit kann der heutige Schritt kaum mehr sein als ein Angebot bzw. ein Zeichen guten Willens.

Dabei fällt auf, dass der Bund Future diese wichtige 200-Tage-Linie nicht nur unterboten hat, er ist auch schon zweimal bei einer Gegenbewegung nach oben dort abgewiesen worden. Somit müsste man nicht einmal heute in der Pressekonferenz der EZB zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, wann es wirklich etwas würde mit der Leitzins-Wende:

Sobald der Bund Future diese 200-Tage-Limie mit Schlusskursen klar über 133 Prozent zurückerobert hätte, wäre das ein starkes Signal in diese Richtung. Ein Signal, das dann auch dem Aktienmarkt die derzeit fehlende Rückendeckung bei dessen Rekordfahrt geben würde. Aber wie gesagt: Heute wäre es eher ein Wunder, wenn es dazu käme.

Bund Future Laufzeit September 2024: Chart vom 05.06.2024, Kurs 131,42 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS | Online Broker LYNX

Während am Aktienmarkt zwar wegen der vermeintlichen Gewissheit einer im März startenden Serie rasanter Zinssenkungen massiv gekauft, seither aber nicht verkauft wurde, sieht das beim Bund Future ganz anders aus. Wer das bei DAX & Co. ignoriert, tanzt auf dünnem Eis.

Am deutschen Anleihemarkt war die Rendite für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit, deren Kursbewegungen am Futures-Markt durch den Bund Future repräsentiert werden, bereits wieder von 2,96 Prozent Anfang Oktober auf 1,91 Prozent zur Jahreswende zurückgekommen, als man zu realisieren begann: Nein, die nahe Zinssenkungswelle, die man erwartet hatte, kommt so nicht. Der Gedanke, bei knapp drei Prozent Rendite dringenden Handlungsbedarf zu haben, weil der umgehende Sieg über die Inflation zu rasant fallenden Leitzinsen, in deren Schlepptau zu markant fallenden Anleiherenditen führen und das die Kurse der Anleihen durch die Decke tragen würde, war zu sehr auf Wunschvorstellungen und zu wenig auf Fakten aufgebaut. Man erkannte am Anleihemarkt schnell:

Es hat offenbar doch keine Eile, die Zinsen sinken nicht bald und auch nicht schnell und weit, man kann somit noch warten mit umfassenden Anleihekäufen unter dem Motto „so viel Zinsen gibt’s so schnell nicht wieder“. Das Resultat:

Die die Renditen bis Weihnachten drückenden Käufe wurden zu einem nicht unwesentlichen Teil wieder zurückgenommen. Der Bund Future hat derzeit etwa zwei Drittel dieser vorherigen, massiven Aufwärtsbewegung von 126,64 auf in der Spitze 138,43 Prozent zurückgenommen. Zu Recht, denn auch, wenn man derzeit erwarten darf, dass die EZB den Leitzins in ihrer nächsten, am 6. Juni anstehenden Sitzung um 0,25 oder sogar 0,5 Prozent senken wird:

Expertenmeinung: Erstens wäre das viel später als ursprünglich vermutet. Zweitens werden EZB-Mitglieder nicht müde zu betonen, dass das weitere Vorgehen absolut offen sei. Was impliziert, dass man erst einmal die Wirkung eines solchen ersten Zinsschritts prüfen will, bevor man über deutlicher sinkende Leitzinsen nachdenkt. Dementsprechend finden wir den Bund Future in einer Art „stand by“-Position an der (im Chart dick schwarz hervorgehobenen) 200-Tage-Linie wieder. Die, das zum Vergleich, beim DAX gute 2.000 Punkte unter dem derzeitigen Stand des deutschen Leitindex verläuft, was klar macht: Am Anleihemarkt hat man die voreilige Zinssenkungs-Euphorie längst wieder ausgepreist und sich einer deutlich weniger bullischen Realität angepasst, am Aktienmarkt nicht.

Bund Future: Chart vom 21.05.2024, Kurs 130,86 Prozent, Kürzel: GBL | Online Broker LYNX
Bund Future: Chart vom 21.05.2024, Kurs 130,86 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS

Damit haben wir hier aber auch eine bessere Orientierung hinsichtlich der Frage, ab wo es sich lohnen könnte, die Long-Seite und damit einen erneuten, dann idealerweise nachhaltigeren Rückgang der Anleiherenditen wieder ins Auge zu fassen. Zwei Faktoren sollten erfüllt sein:

Zum einen müsste der Bund Future diese aktuell bei 131,94 Prozent laufende 200-Tage-Linie mit Schlusskursen über 132,50 Prozent glasklar überboten haben. Zum anderen sollte die EZB-Entscheidung dann auf dem Tisch liegen und glaubwürdige Hinweise darauf liefern, dass die EZB zwar nach dem ersten Schritt erst einmal abwarten, bei entsprechend passenden Rahmenbedingungen aber schnell und entschieden handeln will. Bis dahin sollte man den Bund Future zwar im Auge behalten, aber einem solchen möglichen Befreiungsschlag besser nicht vorgreifen, alleine, weil „möglich“ in einem solchen Umfeld eben noch weniger „sicher“ bedeutet als sonst.

Im Oktober 2023 begann eine Kaufwelle, die auf der Erwartung bald und deutlich sinkender Zinsen basierte. Aber während man beim DAX weiter so tut, als sei alles bestens, rudert man am Anleihemarkt längst zurück und testet beim Bund Future jetzt eine entscheidende Linie.

Kaum verbreitete sich die Erwartung, dass die ersten Leitzinssenkungen um die Ecke warten und der Zins dann, aufgrund einer restlos besiegten Inflation, massiv und schnell gesenkt würde, wollten immens viele Trader sofort am Anleihemarkt mitmischen. Denn da, im Herbst, waren die Renditen noch hoch. Die wollte man sich für Jahre sichern, zumal man bei sinkenden Renditen am Anleihemarkt noch zusätzlich die Chance hat, mit bereits im Depot befindlichen Anleihen Kursgewinne zu erzielen.

Obwohl diese Kaufwelle dies- wie jenseits des Atlantiks immense Summen in den Anleihemarkt leitete, reichte es am Aktienmarkt trotzdem für eine beeindruckende Hausse. Was jedoch impliziert, dass das freie Kapital bei den Investoren deutlich knapper geworden sein dürfte. Aber jetzt fließt bei den Bonds wieder Geld ab, weil die gemeinhin erfahrenen und enger an den Fakten agierenden Investoren am Anleihemarkt erkannten:

Man hatte sich verleiten lassen, einen Frühstart hinzulegen. Statt im März kommen die Leitzinssenkungen später … und auch, wenn man unter den Anlegern den Beginn der Senkungen nur zögerlich nach hinten zu korrigieren bereit ist: Es ist noch nicht einmal sicher, dass die Notenbanken die Leitzinsen 2024 überhaupt über eventuelle kleine, kosmetische Schritte hinaus senken können und werden.

Und das führt dazu, dass die Hausse des Bund Future, des Kursbarometers für Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit am Futures-Markt, aktuell zu ziemlich genau 50 Prozent zurückgenommen wurde. Reicht das, um neue Käufe zu motivieren und in einer zweiten Welle das Dezember-Hoch bei 138,84 Prozent zu überwinden?

Expertenmeinung: Womöglich nicht. Ein Vorteil des bullischen Lagers wäre zwar, dass diese 50-Prozent-Korrektur nahe der 200-Tage-Linie läge, die über das Jahr 2023 immer wieder als effektiver Widerstand fungierte und daher jetzt, nachdem sie überboten wurde, eine wichtige Unterstützung darstellt. Aber genau die droht jetzt zu brechen, statt als Sprungbrett zu dienen.

Bund Future: Chart vom 21.02.2024, Kurs 132,36 Prozent, Kürzel: GBL | Online Broker LYNX
Bund Future: Chart vom 21.02.2024, Kurs 132,36 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS

Der Hintergrund: Am Mittwochabend wurde das Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung veröffentlicht. Und die Details dieser Sitzung bargen keine Argumente, dass Zinssenkungen in den USA früher kommen als man zuletzt einsehen musste. Die meisten Mitglieder des Offenmarktausschusses, des Entscheidungsgremiums der US-Notenbank, verwiesen auf die Risiken zu früh erfolgender Leitzinssenkungen. Und einige Mitglieder sahen sogar die Gefahr, dass die Fortschritte bei der Inflation stagnieren könnten. Dass die EZB einen anderen, in Sachen Zinssenkungen offensiveren Kurs fahren könnte, ist unwahrscheinlich … und das führte am Mittwochabend dazu, dass der Bund Future die bei 132,61 Prozent verlaufende 200-Tage-Linie unterbot.

Damit wäre der Weg für eine Fortsetzung der Abwärtskorrektur frei. Der Bund Future müsste zumindest über dem Vorwochen-Verlaufshoch bei 134,18 Prozent schließen, um dieses gestrige, bärische Signal vom Tisch zu bekommen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, aber mangels guter Argumente für die Bullen wäre ein weiterer Abstieg, der als nächstes Kursziel die Zone zwischen 129,56 und 131,11 Prozent hätte, die wahrscheinlichere Variante für die kommenden Wochen.

Ende Oktober begann eine gewaltige Aufholjagd im Bund Future, dem Kursbarometer 10-jähriger Bundesanleihen am Terminmarkt. Ab diesem Zeitpunkt war man sich sicher: Die ersten Leitzinssenkungen stehen vor der Tür. Doch die Tür dürfte weiter weg sein als gedacht.

Die „letzte Meile“ bei der Inflationsbekämpfung sei besonders schwierig, das betonen Notenbanker dies- und jenseits des Atlantiks immer wieder. Auf die Lohnentwicklung und den Immobilienmarkt müsse man achten, da passe das Bild noch nicht, heißt es. Und zuletzt zogen die Inflationsraten, wenngleich vorwiegend durch statistische Basiseffekte bedingt, auch noch wieder an.

Bis zum Jahresende ignorierten die Käufer am Anleihemarkt solche Aussagen. Man war sicher: Die Notenbanken würden schon noch einknicken, vor allem, wenn der Markt sie durch massive Anleihekäufe, die die Renditen im Vorgriff von Zinssenkungen nach unten drücken, zu „ihrem Glück zwingen“ würde. Aber seit Beginn des neuen Jahres bröckelt die Phalanx der Bullen. Und das zu Recht, denn:

Je stärker die Kursrallye der Anleihen und in deren Kielwasser des Bund Future wurde, je stärker somit die Renditen der Anleihen zurückkamen, desto sicherer wurde man, dass man richtig liegt. Ein Phänomen, das auch am Aktienmarkt nicht unbekannt ist: Steigende Kurse steigern die Zuversicht, das bewirkt weitere Käufe, die die Kurse noch höher steigen lassen, was den Optimismus nur noch stärker befeuert, was zu erneuten Käufen führt. Ein Kreislauf, bei dem jedoch ein Aspekt vor der Tür bleibt: die Fakten. Die Hausse nährt sich selbst, sagt man. Aber nur, bis die ersten merken, dass sie auf einer Leiter ohne Sprossen stehen. Tun sie das?

Expertenmeinung: Ja und nein. Die Frage ist, wann die Zinsen wirklich zu sinken beginnen und ob die Bullen, die das ja massiv vorweggenommen haben, so lange durchhalten.

Dass die schwachen Bereiche wie Einzelhandel und Investitionen die Preisentwicklung dämpfen und das für Leitzinssenkungen der EZB spricht, ist ebenso richtig wie der Aspekt, dass zu stark steigende Löhne sinkende Zinsen verhindern können. Nicht umsonst betonen das EZB-Mitglieder immer wieder, gestern erst EZB-Chefin Lagarde, die mit ihren Aussagen auch der ambitionierten Erwartung vieler Bund-Future-Bullen eine Absage erteilte, die Leitzinsen würden schon ab März – und dann in schneller Folge – sinken.

Sie machte deutlich, dass man erst einmal die Tarifverhandlungen, die üblicherweise im Frühjahr laufen, abwarten müsse. Nur, wenn man da keine „Zweitrundeneffekte“ fürchten müsse, könnten die Leitzinsen ab dem Sommer (der jedoch bis September dauert) sinken. Zweitrundeneffekt bedeutet, dass die Inflation die „zweite Luft“ bekommt und wieder auflebt, weil die Löhne als Reaktion auf die vorherige Inflation so stark angehoben werden, dass sie die Kosten der Unternehmen so stark erhöhen, dass diese die Preise erneut anheben müssen, was durch eine wegen der gestiegenen Löhne mitgezogenen Kaufkraft dann auch von den Verbrauchern hingenommen wird.

So schnell geht es also nicht, wie man sich das Ende 2023 dachte. Die Folge: Der steile Aufwärtstrend des Bund Futures ist aktuell dabei, zu brechen. Und das, nachdem das Anleihe-Barometer zuvor in die breite Widerstandszone zwischen 137,86 und 140,58 Prozent (bezogen auf den jetzt relevanten „Front-Monat“, den März-Kontrakt) hineingelaufen war und abgewiesen wurde.

Bund Future: Chart vom 17.01.2024, Kurs 134,20 Prozent, Kürzel: GBL | Online Broker LYNX
Bund Future: Chart vom 17.01.2024, Kurs 134,20 Prozent, Kürzel: GBL | Quelle: TWS

Ist das jetzt also das Ende der Wende, die mit einem Ausbruch über diese besagte Zone auch auf mittelfristiger Ebene gelungen wäre? Es ist möglich genug, um hier besser nicht dagegen zu halten, zumal die nächsten Supportlinien im Fall eines signifikanten Bruchs der jetzt im Feuer stehenden Aufwärtstrendlinie erst deutlich tiefer warten würden.

Obwohl die EZB gerade erst klar gemacht hat, dass Zinssenkungen vorerst nicht anstehen, fallen die Renditen am Anleihemarkt einfach weiter, der Bund Future als Kursbarometer zehnjähriger „Bunds“ macht sich gerade an die nächste entscheidende Widerstandszone.

Kann das gutgehen? Heißt es nicht im Regelwerk der „alten Hasen“, dass man niemals gegen die Notenbankpolitik traden solle? So ist es zwar, aber das scheinen viele derzeit nicht zur Kenntnis zu nehmen. Während EZB-Chefin Lagarde in der 2023er-Abschluss-Pressekonferenz erklärte, dass man noch nicht einmal über Leitzinssenkungen gesprochen habe, fallen die Renditen am deutschen Anleihemarkt weiter, die Kurse der Anleihen steigen somit (fallende Renditen = steigende Kurse der Anleihen).

Die Rendite der Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit hat gestern im Handelsverlauf das im Januar markierte, bisherige Jahrestief von 1,97 Prozent unterboten, nachdem diese Rendite Anfang Oktober noch mit knapp drei Prozent den höchsten Stand seit 2011 erreicht hatte. Der Kurs des Bund Future, der den Kurs (und nicht die Rendite) dieser zehnjährigen Bundesanleihen oder „Bunds“ abbildet, ist dadurch in eine mittelfristig entscheidende Widerstandszone gelaufen, deren Überwinden auch auf mittel- und langfristiger Ebene ein bullisches Signal erzeugen würde. Aber wie ist das möglich?

Expertenmeinung: Der Leitzins der EZB liegt ja mit 4,5 Prozent weiterhin auf dem höchsten Level seit 22 Jahren. Die Schere zwischen Leitzins und der zehnjährigen Rendite beträgt also derzeit gut 2,5 Prozent, das ist in dieser Ausprägung nur einmal, 2009, der Fall gewesen, aber damals war es umgekehrt, da lag der Leitzins tiefer und die Rendite höher. Gut, de facto ist der Leitzins für den Anleihemarkt keine Zwangsvorgabe. Wenn genug Geld in die Anleihen fließt, treibt das die Kurse eben höher und verringert damit, quasi als Nebenwirkung, die Rendite. Aber wieso wird denn derzeit so wild gekauft und damit gegen die EZB agiert?

Weil man der EZB zwar sicherlich glaubt, dass sie momentan kein Umfeld sieht, um über Zinssenkungen nachzudenken, aber sicher ist, dass sich dieses Umfeld sehr bald ergeben wird. Und damit könnte man durchaus richtig liegen, weil die Erwartung, dass die Zinsen bald zu sinken beginnen, schon so um sich gegriffen hat, dass sich der Effekt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung einstellen könnte: Investitionen und privater Verbrauch werden, wo es machbar ist, in die Warteschleife transferiert, um auf niedrigere Refinanzierungskosten zu warten. Das drückt die Wirtschaftsleistung genug, um zu sinkenden Preisen zu führen und schon hätte die EZB das Umfeld, um die Leitzinsen schnell und weit senken zu müssen.

Das ist die Theorie, der viele aktuell folgen. Die Realität hat, wie Erfahrung lehrt, aber gerne mal die eine oder andere Überraschung zu bieten. Und selbst wenn alles genau so ablaufen sollte, wie es die Bullen beim Bund Future gerade einpreisen: Sie hätten dann ja schon jetzt eine ganze Reihe an Zinssenkungen vorweggenommen, so dass es zumindest riskant ist, von einem Ausbruch über diese aktuell angegangene Widerstandszone 137,86/140,58 Prozent und dann auch noch von darüber hinaus weiter anziehenden Notierungen auszugehen.

Im Gegenteil könnte man jetzt, wo der Markt kein Halten kennt und damit in ein Extrem verfällt, über Gewinnmitnahmen auf der Long-Seite nachdenken. Short käme zwar vorerst nicht infrage, aber hier etwas Geld vom Tisch zu nehmen wäre, wie immer, wenn alle zugleich das Gleiche tun, allemal zu überlegen.