Der Bund Future, das Barometer des deutschen Anleihemarkts an der Terminbörse, ist mit Schwung über die 200-Tage-Linie gelaufen. Über eine Linie, an der er seit März 2022 ein ums andere Mal abgewiesen wurde. Das ist bullisch … aber die Sache hat eine Achillesferse.
Der Bund Future repräsentiert den Kurs deutscher Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit am Terminmarkt. Wir sehen: diese Kurse steigen. Was bedeutet: Die Zinsrendite der Anleihen geht zurück. Und das sogar ziemlich hurtig. Erst Anfang Oktober wurde bei der Rendite mit knapp drei Prozent der höchste Stand seit 2011 erreicht. Jetzt ist sie auf 2,25 Prozent gerutscht. Es wird also massiv gekauft. Das wirkt ungewöhnlich, denn:
Die Renditen sinken, während der Leitzins weiterhin bei 4,5 Prozent notiert. Damit nehmen die Käufer also sinkende Zinsen vorweg, unterstellen, dass die EZB nicht nur das Hoch bei den Leitzinsen erreicht hat, sondern diese recht bald und recht deutlich senken wird. Nur dann wäre eine solche Kaufwelle nachvollziehbar: Wenn man davon ausgeht, dass man bessere Renditen auf absehbare Zeit nicht erzielen kann. Denn eine völlige Abkoppelung von den Leitzinssätzen der Notenbank funktioniert nicht. Und da hätten wir die Achillesferse.
Expertenmeinung: Dass die Inflationsraten derzeit in den USA ebenso wie in Europa sinken, bestärkt die Käufer darin, dass die Notenbanken jetzt nichts weiter drauflegen werden. Dass eben diese Notenbanken immer wieder betonen, dass man gut daran täte, das nicht auszuschließen, bremst die Bullen offenkundig nicht. Sie gehen davon aus, dass die Geldpolitik sogar sehr bald auf dem Absatz kehrt machen wird, weil die Preise nicht nur nicht stärker steigen, sondern sogar, wie im November, sinken werden. Dann müsste man die Zinsen schnell nach unten führen, um den Konsum anzukurbeln und durch eine wieder steigende Nachfrage aus einer deflationären Tendenz von unten zurück in die Zwei-Prozent-Zielzone der Inflation zu kommen.
Möglich ist dieses Szenario derzeit durchaus, wenngleich es auffällt, dass man am Aktienmarkt die gegenteilige Karte spielt: Dort setzt man auf einen steigenden Konsum und wachsende Unternehmensgewinne, während das Szenario der Anleihemarkt-Bullen eine Nachfrage-Flaute einpreist, die entsteht, weil die Verbraucher abwarten, bis Preise und Kredite wirklich deutlich billiger werden, bevor sie wieder zugreifen. Nichtsdestotrotz könnten die Käufer am Anleihemarkt richtig liegen. Aber bislang spielen sie das Spiel eben ohne die Notenbanken. Und damit ohne „Geleitschutz“.
Wie lange kann man eine Abwärtswende der Leitzinsen vorwegnehmen? Ein Vorlauf von drei bis sechs Monaten ist nicht ungewöhnlich. Aber wenn es länger dauert? Es sind ja bislang vor allem die Inflations-Gesamtraten, die nahe ans Zwei-Prozent-Ziel herangelaufen sind, nicht die Inflations-Kernraten. Und auf die kommt es den Notenbanken an. Aktuell preist man bereits mehrere Zinssenkungen ein, die alle 2024 auch wirklich kommen müssten. Wenn man so weit vorausgreift, darf nichts schiefgehen … und dass etwas schiefgeht, ist denkbar genug, um hier mit größter Vorsicht zu agieren.
Ja, der Anstieg über die 200-Tage-Linie, die zwischen März 2022 und Juli 2023 viermal attackiert wurde und an der die Bullen jedes Mal scheiterten, ist aus rein charttechnischer Sicht ein starkes Signal, das den Weg an die „ultimative“ Widerstandszone zwischen 138 und 141 Prozent freigibt, deren Überwinden ein mittel- bis langfristig bullisches Signal bedeuten würde. Aber solange man hier nicht mit, sondern wenn nicht gegen, dann doch ohne die Notenbanken agiert, sollte man noch nicht allzu viel Kapital ins Rennen schicken und Stop Loss-Absicherungen regelmäßig nachziehen!

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