Wer nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Workday ist ein Paradebeispiel.
Ein Unglück kommt selten allein
Die Berichtssaison nimmt munter ihren Lauf, doch wer gestern Quartalszahlen vorgelegt hat, hatte wohl einfach Pech.
Dell notiert nach den Quartalsergebnissen 11 % im Minus, Crowdstrike hat um 6 % nachgegeben, Autodesk und HP Inc. jeweils um 8 %.
Workday hat 10 % an Wert verloren. In Summe wurden etliche Milliarden an Börsenwert vernichtet.
Ein Tag ist längst kein Trend, aber es wäre durchaus möglich, dass wir gerade dabei sind, in eine neue Börsenphase einzutreten, in der nicht mehr alles blind gekauft wird.
Eine Überraschung wäre das nicht, denn die Kurse der meisten Aktien sind inzwischen so hoch, dass eine hervorragende Entwicklung bereits eingepreist ist. Darüber hinaus wäre es auch nicht das erste Mal, dass die Stimmung plötzlich dreht.
Der Wind kann jederzeit drehen
In den letzten Jahren ist das schon mehrfach geschehen. Bis Ende 2021 waren Wachstumsaktien außerordentlich beliebt, aber unter dem Strich ist so gut wie alles durch die Decke gegangen.
Selbst mittelprächtige Geschäftszahlen wurden blind gekauft.
Im darauffolgenden Jahr drehte der Wind um 180 Grad. Wachstumsaktien wurden in den Boden gehämmert und selbst die besten Geschäftszahlen wurden nicht honoriert.
Der Kurs von Workday kollabierte beispielsweise von 307 auf 128 USD, obwohl man einen Gewinnsprung von 36 % verzeichnet hatte.
Am Ende folgte der Aktienkurs natürlich den Fundamentaldaten, aber kurzfristig kam es zu einer vollständigen Abkopplung. In den letzten Monaten haben wir dasselbe erlebt, nur umgekehrt.
Die meisten Aktien sind exorbitant stärker gestiegen, als es die Fundamentaldaten rechtfertigen würden.
Was schlussfolgern wir daraus?
Die Stimmung kann ohne Vorwarnung kippen, und wenn das passiert, kann das Kursgeschehen komplett drehen.
Werden gute Zahlen über einen längeren Zeitraum ignoriert, ergeben sich dadurch Gelegenheiten. Steigen die Kurse sehr viel stärker, als die Geschäftszahlen es rechtfertigen, drohen herbe Kursverluste.
Die Sache ist so trivial, wie man es sich nur vorstellen kann, und trotzdem handelt die Mehrheit an der Börse nicht nach diesen einfachen Grundsätzen, sondern rennt irgendwelchen Trends hinterher.
Die Kursentwicklung belegt das eindeutig. Daran besteht nicht der Hauch eines Zweifels.
Ich persönlich erlebe das tagtäglich. Ständig werde ich gefragt, ob man jetzt nicht noch bei Aktie XY einsteigen soll, nachdem sie bereits 300 % oder 500 % zugelegt hat. Ich werde es nie verstehen. Nein, in den seltensten Fällen lohnt sich ein Einstieg dann noch. In den meisten Fällen ist die Aktie nach einer Kursexplosion um mehrere hundert Prozent überbewertet.
Auch diese Erkenntnis ist so trivial, wie man sich nur vorstellen kann, und trotzdem wird das Gegenteil getan.
Und dann wundern sich die meisten Kleinanleger, warum ihre Performance so miserabel ist …
Sie müssen Aktien kaufen, wenn sie gerade unbeliebt sind, obwohl das Geschäft gut läuft. Denn irgendwann werden sie wieder beliebt, weil das Geschäft gut läuft.
Dadurch erhält eine Aktie dann doppelten Aufwind, durch die steigenden Gewinne und durch die steigende Bewertung.
Damit wären wir bei der dritten Erkenntnis, die nicht trivialer sein könnte.
Die menschliche Psyche
Auch dafür ist Workday ein dienliches Beispiel. Denn nachdem die guten Zahlen über eine gewisse Zeit ignoriert wurden und die Aktie unbeliebt war, wurde sie wieder beliebt und der Kurs kletterte von 128 auf über 300 USD.
So läuft das an der Börse und daran wird sich nie etwas ändern, weil sich an der menschlichen Psyche nie etwas ändern wird. Wir sind psychologisch gar nicht dafür ausgestattet, an der Börse Erfolg zu haben.
Nahezu alle Methoden, die zu überdurchschnittlichem Erfolg an der Börse führen, widersprechen unseren Instinkten.
Wir fühlen uns in der Gruppe wohl und sind Herdentiere. Daher wollen wir kaufen, wenn die Kurse gerade durch die Decke gehen, und wir verfallen in Panik, wenn die Kurse purzeln.
Zumindest trifft das auf die absolute Mehrheit der Menschen zu und die meisten werden diese natürlichen Tendenzen auch nie überwinden können. Es ist in unseren Genen „hard coded“, dass die Gruppe Schutz bietet. Das gilt überall, nur an der Börse nicht.
Das ist auch der Grund, warum Außenseiter und Eigenbrötler wie Warren Buffett oder Peter Lynch die erfolgreichsten Investoren sind.
Lässt Sie das kalt?
Oder lässt es Sie wirklich kalt, wenn eine Aktie in Ihrem Depot über Nacht um 10 % eingebrochen ist?
Selbst wenn ich Ihnen jetzt vorbete, wie gut die Zahlen von Workday ausgefallen sind: Insgeheim werden Sie trotzdem denken, dass irgendetwas faul sein muss. Wenn man will, findet man immer etwas.
Wir schauen uns die Quartalsergebnisse aber trotzdem an. Der Gewinn lag mit 1,89 USD je Aktie weit über den Erwartungen von 1,72 USD. Mit einem Umsatz von 2,16 Mrd. USD hat man die Analystenschätzungen von 2,13 Mrd. USD ebenfalls übertroffen.
Auf Jahressicht entspricht das einem Umsatzplus von 16 % und einem Gewinnsprung von 21 %.
Der freie Cashflow war im dritten Quartal von 391 auf 359 Mio. USD rückläufig. Betrachtet man die 9-Monats-Zahlen, ist der positive Trend jedoch intakt und der FCF konnte von 970 Mio. auf 1,17 Mrd. USD gesteigert werden.
Da das Geschäft gut skalierbar und nicht kapitalintensiv ist, nutzt man den Großteil der frei verfügbaren Mittel, um Aktien zurückzukaufen.
Mit einem Barmittelbestand von 7,2 Mrd. USD, was mehr als einem Zehntel des Börsenwerts entspricht, ist das Unternehmen gut kapitalisiert.
Ausblick
Die neuesten Entwicklungen bei Workday zeigen eine beeindruckende Dynamik, angetrieben durch starkes Wachstum im Bereich KI-Lösungen, strategische Kundengewinne und eine steigende Nachfrage nach Full-Suite-Lösungen.
Etwa ein Drittel der Kundenerweiterungen im dritten Quartal haben bereits KI-Lösungen wie Talent Optimization, Xtend Pro und Recruiter Agent enthalten. Recruiter Agent sticht besonders hervor, denn das Auftragsvolumen (ACV, Annual Contract Value) hat sich im Vergleich zu Q2 mehr als vervierfacht.
Laut Workday haben sich die neuen KI-Lösungen als zentraler Wachstumstreiber herausgestellt. Daher will man verstärkt in diesem Bereich investieren. Dasselbe gilt auf Kundenseite.
Der Wert aller ausstehenden Aufträge konnte im Jahresverlauf um 20,3 % auf 22,2 Mrd. USD gesteigert werden. Der Auftragsbestand für die kommenden 12 Monate kletterte um 15,3 % auf 6,98 Mrd. USD.
Für das kommende Geschäftsjahr stellt man einen Umsatzsprung um 14 % auf 8,8 Mrd. USD in Aussicht. Das Abo-Geschäft soll um 17 % auf 7,70 Mrd. USD zulegen. Die operative Marge (Non-GAAP) soll unverändert bei 25,5 % liegen.
Der Ausblick liegt demnach leicht unter den bisherigen Erwartungen, was auch der Hauptgrund für den Kurssturz sein dürfte.
Übergeordnet ist die Aktie klar bullisch, das Kursgeschehen ist jedoch von hoher Volatilität geprägt. Nach einzelnen Quartalen kommt es immer wieder zu massiven Kursbewegungen.
Wird der vorbörsliche Kurssturz auf 243 USD im regulären Handel bestätigt, wird dadurch ein prozyklisches Verkaufssignal mit möglichen Kurszielen bei 235 – 238 und 222 USD ausgelöst. Eine weitere mögliche Anlaufstelle liegt bei 200 – 210 USD.
Gelingt hingegen eine schnelle Rückkehr über 245 USD, entspannt sich die Lage. Über 250 USD könnte die Aktie auch unmittelbar wieder auf Rallye umschalten.
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