Das immense Plus von drei Prozent im marktbreiten US-Index S&P 500 erweckt den Anschein, dass die US-Notenbankentscheidung und/oder die anschließende Pressekonferenz von Notenbankchef Powell die Anleger begeistert haben muss. Aber ist das wirklich so?
Erwartet hatte man seitens der US-Volkswirte, dass die „Fed“ den Leitzins diesmal um 0,50 Prozentpunkte anheben und kommunizieren würde, dass diese Anhebungen vorerst weitergehen. Genau das passierte auch. Investoren, die befürchtet hatten, dass es zu einer besonders starken Anhebung um 0,75 Prozent kommen könnte, kann es eigentlich nicht allzu viele gegeben haben. Das also kann kaum der Grund gewesen sein, weshalb Dow Jones, Nasdaq 100 und der S&P 500 Hand in Hand derart durchstarteten.
Beobachter glaubten dann, einen Rallye-Grund darin gefunden zu haben, dass die Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell in der anschließenden Pressekonferenz deutlich machten, dass man nicht vorhat, dieses Tempo auf 0,75 Basispunkte zu erhöhen.
Würden die Investoren glauben, dass die Perspektiven damit jetzt wieder bullisch sind, könnte diese Rallye des Mittwochs durchaus der Grundstein einer größeren Aufwärtsbewegung sein. Immerhin hatte der S&P 500 erst am Montag ein neues Jahrestief markiert, das noch am selben Tag auf Käufe traf. Und dass hier neue Tiefs gerne mal zu Bärenfallen werden, haben wir Ende Januar und Ende Februar bereits erlebt. Warum also nicht erneut?
Expertenmeinung: Genau diesen Gedanken könnten viele derjenigen gehabt haben, die gestern bereits vor der Fed-Entscheidung kauften und danach erst recht. Aber macht es denn wirklich einen entscheidenden Unterschied aus, ob die „Fed“ den Leitzins „schnell“ oder „sehr schnell“ hochfährt? Nein, denn:
Entscheidend ist vor allem, dass damit der Geldhahn zugedreht wird. Und es wird ja nicht nur der Leitzins angehoben. Die „Fed“ kehrt die jahrelangen Stützungskäufe am Anleihemarkt um. Ab Juni wird sie monatlich für fast 50 Milliarden US-Dollar Anleihen aus den durch diese früheren Käufe aufgehäuften Beständen in den Markt geben und diese Summe ab September sogar verdoppeln. Das entzieht dem Markt Geld. Geld, das ansonsten in Aktien hätte fließen können. Hinzu kommt, dass Jerome Powell keineswegs Formulierungen wählte, die die Investoren hätten begeistern können.
Es sei möglich, so Powell, dass die US-Geldpolitik restriktiv werden müsse. Wenn das nötig werde, würde man nicht zögern, es zu tun. „Restriktiv“ heißt, dass man den Markt gezielt „zusammenstaucht“, indem man den Zins über den neutralen Level hinaus anhebt, den man derzeit allgemein bei 2,5 Prozent verortet. Und ob die „Fed“ selbst ihn überhaupt bei 2,5 Prozent sieht, weiß man nicht so genau. Powell sagte nur, man sei noch weit von einem neutralen Zinsniveau entfernt.
Immer dann, wenn das Argument „es hätte schlimmer kommen können“ nicht wirklich plausibel ist, sollte man bei Rallyes wie der von gestern vorsichtig bleiben. Es ist letztlich ja oft der Fall, dass nach einer Fed-Entscheidung massiv gekauft wird und die scheinbar plausiblen Argumente dafür nachträglich zusammengeschustert werden. Nicht selten decken da aber nur Short agierende Trader ihre Positionen ein, um den Gewinn zu sichern, weil die „bad news“ jetzt auf dem Tisch liegen. D.h. man sieht eine Art „selling on good news“, auf den Kopf gestellt.
Und natürlich dienen solche Kaufwellen dazu, den Markt zu beruhigen und Anleger davon abzuhalten, auf Basis solcher eigentlich keineswegs bullischen Entwicklungen auszusteigen. Der S&P 500 hätte ein markantes Minus gestern nicht gut verdaut, das am Montag markierte Jahrestief war nicht weit entfernt.

Wenn man einmal zurückblickt, was nach der vorherigen Notenbankentscheidung vom 16. März passierte, sieht man: Auch da wurde die damals erste Zinsanhebung „gekauft“. Es folgte eine Rallye von zwei Wochen Dauer, bevor der Index dann aber wieder nach unten drehte und neue Jahrestiefs ansteuerte.
Von Dauer dürfte auch diese Rallye nicht sein, auch, wenn sie, wenn keine anderen, sehr negativen Nachrichten kommen sollten, ein paar Tage, womöglich auch diesmal bis zu zwei Wochen vorhalten könnte. Dass das neue Tief sofort gekontert wurde und der S&P 500 die Widerstandszone 4.233/4.279 Punkte dadurch zurückeroberte, kann das befeuern. Aber über einen reinen Trading-Horizont hinaus darauf zu setzen und damit zu unterstellen, dass der marktbreite S&P 500 jetzt für längere Zeit seine Tiefs gesehen hat wäre, angesichts des Fehlens echter „good news“, gewagt.

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