Diese Fiskal- und Zollpolitik der USA bedroht nicht nur die US-Wirtschaft durch die Gefahr steigender Preise und reißender Lieferketten. Diese Entwicklung betrifft die gesamte Weltwirtschaft. Man sieht es bei den Anleihezinsen, am schwachen US-Dollar, an der starken Nachfrage nach Gold. Nur die Aktienmärkte scheinen nichts mitzubekommen. Was steckt dahinter – und wie könnte man das für sich nutzen?
Als ich vor über 35 Jahren anfing, mich mit der Börse zu befassen, war es wichtig, mehr zu wissen, zu sehen und zu verstehen als andere. Wer genau hinsah, konnte absehen, was passieren würde, weil volkswirtschaftliche Entwicklungen und ihre wahrscheinlichen Folgen fast immer über kurz oder lang ihren Niederschlag in den Kursen hatten. Wer sich auskannte, was also besser dran. Heute ist das tatsächlich anders. Es ist nicht leicht, sich damit abzufinden, dass all das über Jahrzehnte erworbene Wissen heute nicht mehr so viel wert ist wie früher. Aber wenn man sich die Sache einfach mal emotionslos anschaut, versteht man, warum das, was früher galt, heute nicht mehr gilt.
Es geht eben heute etwas anders zu, nur: Anders heißt ja nicht, dass man an der Börse nichts mehr verdienen könnte. Aber erst einmal ein Blick auf die „logische Börse“, wie viele von uns sie kannten und innerlich auch immer noch erwarten:
Sind Verbraucher und Unternehmen bärisch, können Aktien nicht auf Dauer steigen … oder?
Am Ende jeder Kette in Sachen Wirtschaft steht der Verbraucher. Wenn die Konsumenten gutes Geld verdienen und zuversichtlich sind, dass das auch so bleibt, geben sie gerne Geld aus, gönnen sich auch mal etwas über den Durst und ein wenig Luxus. Dann brummt die Wirtschaft, die Unternehmen in den Produktionsketten machen mehr Umsatz, beginnend beim Einzel- und Onlinehandel über die Hersteller und deren Zulieferer bis ganz an die Basis, wo die Rohstoffe für die Güter gefördert werden.
Und da eine Aktie grundsätzlich umso mehr wert ist, desto höher der Gewinn des Unternehmens ist bzw. desto höher die Dividende steigt, die der Anleger als seinen Anteil am Unternehmensgewinn ausgeschüttet bekommt, sehen wir normalerweise eine recht enge Korrelation zwischen der Stimmung der Verbraucher und dem Trend des Aktienmarkts. Derzeit allerdings nicht.

Nun können Unternehmen auch bei eher zurückhaltenden Verbrauchern mehr verdienen, wenn es ihnen gelingt, die Zulieferer preislich unter Druck zu setzen, Konkurrenten in Schach zu halten oder ihre Gewinnmargen durch Innovation und Rationalisierung zu steigern. Deshalb ist es immer gut, auch einen Blick auf die Gemütslage der Einkaufsmanager zu werfen, die sozusagen am Eingangstor der Unternehmen sitzen und daher gut abschätzen können, wie es läuft und vermutlich weitergehen wird. Es wundert also nicht, dass auch die Tendenz der Einkaufsmanagerindizes (hier nachfolgend der für die Industrie bzw. das verarbeitende Gewerbe in den USA) und der Trend am Aktienmarkt oft parallel laufen. Momentan allerdings, ich wiederhole mich, nicht. Wie kommt’s?

Wissen ist Macht … aber nichts zu wissen macht derzeit an der Börse nichts
Zwischen den Fakten und den Kursen an der Börse steht der Anleger. Direkt – oder indirekt, wenn er über Fonds oder ETFs „anlegen lässt“. Damit haben wir hier einen Filter, der entweder die Fakten so durchlässt, wie sie objektiv sind … der sie subjektiv filtert, und zwar so, wie es dem Anleger in den Kram passt … oder sogar einfach ausblendet. Was bedeutet:
Wenn es den in den Sechziger und Siebziger Jahren von Theoretikern propagierten „homo oeconomicus“ wirklich gäbe -, den Menschen also, der über alle Informationen verfügt und entsprechend dieser Fakten rational handelt – müssten Aktienindizes immer noch ziemlich parallel zur Entwicklung der Unternehmensgewinne, der Einkaufsmanagerindizes und des Verbrauchervertrauens laufen. Sie tun es deswegen nicht, weil dieser „homo oeconomicus“ nichts anderes war als eine realitätsfremde Wunschvorstellung. Die Kurse bewegen sich als Reaktion auf das, was die gerade aktiv handelnde Mehrheit der Marktteilnehmer denkt bzw. will. Und wenn die wenig oder so gut wie nichts über die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Volkswirtschaft und Aktienmarkt wissen, handeln sie rein emotional. Sprich von Gier und Angst getrieben, aber eben „mit ohne Ahnung“. Der Punkt ist:
Immer mehr Marktteilnehmern fehlt das nötige Wissen, das früher so essenziell war. Ich kenne immer mehr Leute, die selbst mit zu wenig Geld zum Leben noch irgendwie 100 Euro im Monat zusammen bekommen, um sie in den Aktienmarkt zu stecken. Weil „das Geld ja sonst immer weniger wird“ (Konditionierung aus der Negativzins-Phase) und „es doch seit Jahren super läuft“ (der gute alte Irrtum, dass, was gestern war, auch morgen sein wird).
Und viel mehr als früher wirkt sich das direkt, ganz unmittelbar, auf die Kurse aus. Weil? Weil erstens immer mehr Menschen wegen der Möglichkeiten, die Online-Broker ihnen bieten, direkt selbst kaufen und verkaufen. Und weil zweitens immer mehr Menschen entweder ETFs kaufen und/oder Sparpläne nutzen, was bedeutet: Der Zufluss frischen Geldes ist automatisiert und wirkt sich direkt aus. Denn im Gegensatz zu den klassischen Fonds, bei denen die Fondsmanager entscheiden, wo genau sie wann wie viel investieren und ob sie viel oder wenig Barreserve halten, müssen ETFs ja, um ihre Benchmarks korrekt und 1:1 nachzubilden, jeden Euro oder Dollar, der hereinkommt, sofort investieren. Egal, ob sie das für schlau halten oder nicht. Was bedeutet:
Die, die wenig oder nichts wissen, sind heute also eine ganz andere Größe als früher, konkret sind sie die entscheidende Größe, der Taktgeber insbesondere des Aktienmarkts. Denn dorthin, zu den Aktien, zieht es dieses Geld. Und zu Kryptowährungen. Nicht aber zu Anleihen, dem Forex-Bereich oder den Rohstoffen, das ist den meisten entweder zu langweilig, zu kompliziert oder gleich beides.
Dass Geld, das von Leuten bewegt wird, die sich nicht auskennen und womöglich die Risiken, die Aktieninvestments grundsätzlich neben ihren Chancen halt auch haben, gar nicht kennen und stemmen können, das ist nicht gut. Eigentlich.
Aber das bedeutet eben nicht, dass diese Klientel umgehend auf dem Bauch landen müsste. Das tat sie bislang zwar immer. Aber zum einen hat sich das lange hingezogen, meist ging das Jahre gut, zum Beispiel mehrere Jahre lang, bevor der 1929er-Crash kam. Und zum anderen hat sich die Gesamtsituation in den letzten Jahren eben verändert, hin zu dem „automatisierten Dauerzufluss“ von Sparergeld, vor allem über Sparpläne. Die, nur um das mal zu unterstreichen, grundsätzlich eine ganz hervorragende Sache sind, nur sollte man genau wissen, was man da tut.
Es könnte also jederzeit schiefgehen, falls genug dieser Anleger es auf einmal mit der Angst zu tun bekommen und/oder das Ersparte abziehen müssen, um Dinge wie ein neues Auto, eine Heizung oder gar eine Wohnung/Haus zu kaufen. Solange aber im Saldo mehr Geld hinein als hinaus fließt, geht es eben gut, geht der Trend nach oben weiter. Auch gegen die Vernunft und gegen haushohe Warnsignale seitens der Konjunktur, einfach, weil sie keiner sehen und/oder verstehen kann oder will. Was folgt daraus?
Die Hausse der Wenigen … eine Folge des „Zeitgeists“
Das kommt darauf an, was man will. Wollen Sie der Logik folgen und Recht bekommen, dann halten Sie dagegen. Problem dabei: Schon 2008 war das eine haarige Sache. Denken Sie an die Legende Michael Burry (siehe auch der hervorragende Film „The Big Short“, indem seine Geschichte und die des Platzens der Subprime-Blase 2008 erzählt wird). Burry hatte Recht, grundsätzlich. Er hatte glasklar erkannt, was andere nicht sahen oder sehen wollten. Und machte am Ende einen gewaltigen Gewinn auf der Short-Seite. Nur wäre das um ein Haar danebengegangen. Wären die Märkte ein wenig länger oben geblieben oder noch etwas höher gestiegen, hätte er zwar am Ende Recht gehabt, aber nicht bekommen … und wäre ruiniert gewesen. Das kann heute noch viel kniffliger werden, denn:
Die Kurse werden vom Strom des Geldes bewegt. Ob diejenigen, die das Geld in den Markt investieren, klug handeln oder nichts, spielt keine Rolle. Wenn mehr hineinfließt als hinaus, steigen die Kurse im Saldo. Und dann fährt nur gut, wer dem Geld folgt, so simpel ist es letztlich.

Wer am Aktienmarkt Gewinne erzielen will, muss also dem Geld folgen und nicht der Logik. Aber vielleicht etwas differenzierter als die Masse. Denn die stürzt sich hierzulande beispielsweise gerade stur auf Rüstung, Infrastruktur und Banken, in den USA auf Hightech aller Art. Das hat dazu geführt, dass die Top Sieben im US-Hightech-Sektor immer weiter zulegen, die sogenannten „Magnificent Seven“, siehe der vorstehende Chart. Aber das gilt vor allem auf mittelfristiger Ebene. Kurzfristig kann man da durchaus auch mal unter die Räder kommen, da nicht immer alles gut läuft. Ich halte daher zwei Alternativen für interessant, mit denen man genauso grundsätzlich dem Strom des Geldes folgen würde:
Entweder den breiten Markt handeln … oder besser „Stock Picking“ betreiben als die Masse
Entweder man handelt einfach den breiten Markt, indem man sich auf DAX, Euro Stoxx 50, Dow Jones, S&P 500 oder Nasdaq 100 verlegt und da konsequent Trendfolge betreibt, sprich so lange Long bleibt, bis der Trend bricht. Das ist alleine deshalb eine gute Alternative, weil man so die oft extremen Kurssprünge der Einzelwerte glättet und Chart- und Markttechnik einem mehr Unterstützung bieten als bei Einzelwerten.

Oder man sucht gezielt und immer auf kurzfristiger Ebene nach den stärksten Momentum-Aktien. Beispielhaft sehen Sie im vorstehenden Chart, dass da so manche Aktie aus dem Nasdaq 100 seit Jahresanfang noch weit besser lief als der Überflieger Nvidia. Und auch da ginge es dann nicht darum, zu überlegen, ob eine solche, von der Masse gerade wild eingesammelte Aktie dort auch wirklich stehen und weiter steigen sollte. Dass sie es tut, ist das Faktum, um das es Ihnen gehen muss. Denn ob eine solche Hausse eigentlich „dumm“ ist oder nicht: Solange sie da ist, kann man ihr folgen … wenn man konsequent und mit Stopps tradet.
Letzten Endes kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld!
Man könnte als Fazit dessen, was wie vor uns haben, den Begriff des „dummen Trends“ hervorholen. Den man verwendet um darzustellen, dass wir es mit einem von den Fakten abgehobenen Trend zu tun haben, der daraus resultiert, dass ungewöhnlich viele nicht wirklich wissen, was sie da tun. Aber dem Kind einen despektierlichen Namen zu nehmen ist eine Sache. Deswegen dagegenzuhalten, weil man meint, dass, wer Recht hat, auch Recht bekommen muss, wäre noch dümmer.
Es kostet mich, weil das erworbene Fachwissen für diese Vorgehensweise bisweilen eher hinderlich ist, zwar Überwindung, zumal es früher eben anders lief. Aber wenn man am Ende am Aktienmarkt mit mehr dastehen will als zuvor, kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld und nicht einem „müsste eigentlich“. Aber, und da sollte man dann doch ganz anders vorgehen als die Masse, mit wachem Auge und konsequenten Stoppkursen. Denn diese „Masse“ weiß eben auch nicht, wie eine Abwärtswende daherkommt und wie man dann agieren müsste. Wenn Sie es wissen, gehen irgendwann die meisten baden … und Sie nicht!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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