Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 26.-01.06.2025

Trump vs. EU: Diese vermeintliche Mücke ist womöglich doch ein Elefant

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DAX
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„Promise made, promise kept“, mit dieser Aussage geht Donald Trump bei seinen Wählern hausieren. Würde der Einfuhrzoll für EU-Güter in die USA aber so, wie er es „empfohlen“ hat, am Samstag auf 50 Prozent steigen, hätte er seine Zusage, eine 90-Tage-Frist zu gewähren, gebrochen. Das wäre fatal für die EU, aber auch fatal für die USA. Und das nicht nur mit Blick auf die wirtschaftliche Perspektive.

Zumindest bei mir war der erste Gedanke, als ich sah, warum die Aktienmärkte am frühen Freitagnachmittag auf einmal Fallsucht bekamen: „Dreht der jetzt völlig durch?“ Eine höchst subjektive, emotionale Einschätzung, die ich, weil ich im Gegensatz zum US-Präsidenten nicht alles (und besser als alle anderen) weiß, nicht als zwingend richtig sehen möchte. Zumal es eine Frage war.

Aber nun ja, da waren doch diese 90 Tage, die der Herr Präsident am 9. April gewährte. Nachdem er zuvor am 2. April seine beeindruckend bizarr „berechneten“ Zölle gegen das Gros der restlichen Welt verkündet hatte. 90 Tage, die eben diese „Nicht-USA“ Zeit haben, um sich zu unterwerfen … was schreibe ich denn da, nein, um eine faire, neue Handelsbeziehung mit den bis dato fies über den Tisch gezogenen USA zu vereinbaren.

Und jetzt auf einmal also doch nicht. 50 Prozent, eine schöne, runde Zahl und hoch genug, um wie ein Handelsembargo zu wirken. Ab dem 1. Juni. Wenn bis dahin nichts passiert, das dem US-Präsidenten den Eindruck vermittelt, dass die EU tut, was er sich vorstellt. Und zwar hurtig.

Me, Myself & I: Das Gremium, das über die US-Zölle entscheidet

Dass vor allem die Eurozone-Aktienindizes daraufhin schlagartig wegkippten, als seien sie in einen offenen Gully gefallen, wundert nicht. Dass es die US-Index-Futures ebenfalls erwischte, wenngleich prozentual weniger, auch nicht. Denn außerhalb des engsten Dunstkreises um Mr. Trump ist mittlerweile jedem, der im Bereich Wirtschaft Grundwissen besitzt, klar: Diese Zölle sind eine beeindruckend miese Idee. Vor allem, wenn sie pauschal und gegen alles und jeden verhängt werden.

Börse aktuell: Entwicklung DAX am 23. Mai. 2025 - Trump kündigt 50-Prozent-Zölle für die EU an | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX am 23. Mai. 2025 – Trump kündigt 50-Prozent-Zölle für die EU an | Quelle: marketmaker pp4

Aber dann, der vorstehende Chart, der den DAX am Freitag auf Fünf-Minuten-Basis abbildet, zeigt es, wiesen die ersten darauf hin, dass der US-Präsident in seinem „Truth Social“-Post ja nur „empfohlen“ habe, das zu tun. Und schon wurden die Verluste wieder gekauft. Weil er es ja am Ende doch nicht tut? Das dachte man in Bezug auf Dimension und Reichweite dessen, was Trump am 2. April, dem von ihm so genannten „Tag der Befreiung“ tat, vorher auch. Zumal:

Wem genau „empfehlen“ der Herr Präsident dieses denn? Bislang hatte man nicht den Eindruck, dass irgendwer außer ihm selbst da wirklich etwas zu entscheiden hat. Seine Truppe von Handelsberatern pflegt ihn zu preisen und zu nicken und selbst Finanzminister Bessent scheint, zumindest nach außen hin, nur eine Art Befehlsempfänger zu sein. Diese Empfehlung scheint also für ihn selbst zu gelten: Das Gremium Trump … dazu passt dieser alte Songtitel „Me, Myself & I“ irgendwie.

Und wie erklärte Finanzminister Bessent diese Sache? Der verkündete, die bisherigen Vorschläge der EU hätten nicht die gleiche Qualität gehabt wie diejenigen anderer Handelspartner. Und die 90 Tage seien ja nur für die gedacht gewesen, die auf die USA zukommen und „in gutem Glauben mit uns verhandeln“. Was übersetzt in etwa heißt: Wir in der EU sind ein verstockter und ebenso selbstsüchtiger wie heimtückischer Haufen.

Davon mal abgesehen, dass aus Brüssel im April zu hören war, dass die USA quasi nicht ans Telefon gehen, als es um Termine für Gespräche ging und am gleichen Tag, sprich am Freitag, Gespräche stattfanden (wenngleich nur auf Beauftragten-Ebene), muss die Bedingung, einen Aufschub nur unter der Voraussetzung eines subjektiv positiven Eindrucks zu gewähren, irgendwo im nicht vorhandenen Kleingedruckten gestanden haben.

Ein Musterbeispiel für: „Wie bringe ich mich selbst in Schwierigkeiten“

Jetzt kann man vermuten … und in diese Richtung könnte es in der Tat gehen, dass Mr. Trump a) einfach schlechte Laune hatte und wegen des Umstands frustriert war, dass Putin ihn am langen Arm verhungern lässt. Die EU kann er eh nicht leiden, weil die ihm zu kompliziert und zu nervig ist, mit all diesem Gewurstel an Gremien und Institutionen, aus denen die Gemeinschaft besteht. Und Apple geht ihm zudem auf den Geist, weil dieser Tim Cook einfach nicht tut, was er verlangt. Also kriegen die beiden spontan zum Frühstück eine verpasst: Die EU 50 Prozent, Apple 25 Prozent.

Aber halt, da muss ja noch b) kommen. Es könnte auch sein, dass Donald Trump beide „Opfer“ seines Freitags-Frühstücks auf diese Weise dazu zwingen will, mal in die Pötte zu kommen. Umgehend etwas anzubieten statt herum zu lavieren. Etwas, das wirklich in seine Richtung geht, damit er etwas hochalten und sagen kann: „Schaut, das habe ich geschafft“. Denn mehr als die Hälfte der 90 Tage sind um … und weder geht in Nahost etwas voran noch in der Ukraine, das Verbrauchervertrauen liegt am Boden, die Inflationssorgen steigen weiter, die US-Notenbank ist stur auf (laut Trump falschem) Kurs und in Sachen „Deals“ ist bisher nur etwas mit Großbritannien gelaufen, aber noch nicht unterzeichnet. Da wird es Zeit für „good news“. Und wenn nötig, dann halt so, mit der Brechstange.

Ich halte es zumindest für recht wahrscheinlich, dass diese Aktion eine Kombination aus beidem ist. Aber weder Apple noch die EU können einfach so Berge versetzen. Zumal weder Apple noch die EU der Ansicht sein können, dass das, was der US-Präsident fordert, für sie mehr sein könnte als einfach nur drastisch negativ. Was also wird am kommenden Samstag passieren?

Kann er es sich wirklich leisten, diese „Empfehlung“ zurückzunehmen, ohne von der EU etwas vorweisen zu können? Zumal er später am Freitag noch erklärte: „I’m not looking for a Deal with EU. We’ve set the Deal, it’s 50 %“? Täte er es, wäre sein Standing im Wahlvolk noch wackliger. Er würde als Unentschlossen daherkommen, genau das, was er auf gar keinen Fall will. Damit kann man zumindest festhalten: Der US-Präsident hat sich mit diesem „Posting“ ohne Not selbst in Schwierigkeiten gebracht.

Und die Märkte? Setzt er diese Drohung um, würden 50 Prozent Zoll eine fatale Wirkung entfalten. Bei den EU-Exporteuren, bei den US-Importeuren, bei den Arbeitnehmern hier, bei den Konsumenten drüben. De facto hieße das: Der 2. April wäre mit einem Schlag wieder da. Der 2. April, der zum Crash des 7. April geführt hatte. Wenn wir uns dann mal den marktbreiten US-Index S&P 500 ansehen, darf man sich schon fragen: Verstehen die Anleger nicht, was da gerade passiert?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Der US-Anleihemarkt reagiert bärisch, die Aktienmärkte nicht.

Denn die Erkenntnis steht spätestens jetzt doch haushoch an den Wänden aller Börsensäle: Donald Trump tut, was er will, wann er will und wie er es will. Und wenn ihm seine eigenen Versprechungen nicht mehr genehm sind, wirft er sie einfach über Bord.

Was die US-Märkte angeht, steht da ja obendrein auch noch sein neues Steuergesetz, dass er „Big Beautiful Bill“ nennt, drohend im Raum. Runter mit den Steuern, je mehr man zahlt, desto größer soll die Senkung ausfallen. Zu Lasten neuer Schulden, die (laut Trump, aber entgegen der Warnung zahlloser Experten) dann durch mehr Steuereinnahmen durch rasant anziehendes Wirtschaftswachstum ausgeglichen werden sollen.  Gespart werden soll zudem dort, wo es seiner Ansicht nach nicht wichtig ist, Geld bereitzustellen, u.a. bei Medicaid, Verpflegungszuschüsse (Food Stamps), Bildung. Das Gesetz ist mit einer mickrigen Stimme Mehrheit durch das Repräsentantenhaus gekommen, jetzt ist der Senat dran.

Am Anleihemarkt, wo man grundsätzlich enger an den Fakten agiert, ist die Stimmung nicht gerade gut. Wir sehen im folgenden Chart, dass die Rendite für US-Staatsanleihen (T-Bonds) mit 30 Jahren Laufzeit zuletzt wieder angezogen hat und kurz davorsteht, das 18-Jahres-Hoch, das Ende 2023 erreicht wurde, zu überbieten. Das bedeutet: Das Schuldenmachen wird für die US-Regierung immer teurer. Und es bedeutet: Geld fließt aus US-Anleihen ab. Aber nicht aus dem Aktienmarkt. Weil?

Börse aktuell: Entwicklung Rendite US T-Bonds mit 30 Jahren Laufzeit von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rendite US T-Bonds mit 30 Jahren Laufzeit von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Was Anleger und Ameisen außer dem Anfangsbuchtstaben oft gemeinsam haben

Das ist eine wichtige Frage, denn rein von der Ratio her kann man mittlerweile nicht mehr unterstellen, dass sich das alles in der immerhin noch sehr lange währenden Amtszeit des derzeitigen US-Präsidenten zum Guten wenden wird. Und dass die großen Unternehmen, die in DAX, Dow oder Nasdaq notiert sind, eine solche Wirtschaftspolitik schon wegstecken werden, ist illusorisch, dafür ist sie zu drastisch, zu wenig durchdacht, zu einseitig.

Eine Begründung, die sich finden lässt, ist eine, die ich erstmals in einer Analyse der Bank of America vor vielen Jahren fand und die erklärt, warum speziell der Aktienmarkt im Zweifel einfach trotzdem steigt, die Anleger gerade in besonders kritischen Phasen kaufen, statt auszusteigen:

Wenn die Gesamtsituation ungewöhnlich kompliziert wird und die Risiken eine Dimension annehmen, in der man nicht mehr imstande ist, diese in Dollar oder Prozent zu erfassen, reagieren viele wie Ameisen. Ameisen weichen Hindernissen und Gefahren, die sie in ihrer Größe abschätzen können, aus. Aber nicht einem menschlichen Fuß, der für sie von der Richtung und Größe her einfach nicht zu erfassen ist.

Ähnlich reagieren viele Marktteilnehmer, vor allem, wenn sie wenig bis gar nicht erfahren sind (was man am Anleihemarkt seltener sieht als bei Aktien): Sie tun einfach, als wäre alles normal, als würde sich alles schon von alleine zum Guten fügen und tun, was sie immer tun: sie kaufen. Und wenn genug so vorgehen, steigen die Kurse, was wiederum zu dem bestätigenden Gefühl führt, das Richtige zu tun, denn die anderen (die sicher wissen, was sie tun) machen es ja auch.

Man könnte sich jetzt zurücklehnen und sich sagen: „dann passt doch alles“. Das könnte man, würde die Historie nicht aufzeigen, dass dieses „Ameisen-Verhalten“ nicht nur für Ameisen, sondern auch für Anleger am Ende meist schiefgeht. Die Chance, ausgerechnet im Bereich einer Profilrille des Stiefels unterwegs zu sein, wenn der Schuh den Boden berührt, ist genauso niedrig wie die, zufällig genau die Aktien im Depot zu haben, die nicht fallen, wenn der Markt doch noch auf eine negative Entwicklung reagiert.

Börse aktuell: Entwicklung DAX von Januar bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX von Januar bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Und diesmal haben wir ja sogar noch eine Blaupause vor Augen, nämlich den Kurseinbruch von Anfang April. Die Kurse stiegen, weil man dachte, das doch nicht passiert, was man zuvor panisch eingepreist hat. Jetzt steht mit Mr. Trumps 50-Prozent-Aussage im Raum, dass in ein paar Tagen womöglich genau das doch passiert, was man zuvor ausgepreist hat, so gesehen: Obacht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
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In Bilanzen findet man meist „um Sondereinflüsse“ bereinigte Ertragsdaten. Das wird gemacht, damit einmalige Kosten den guten Eindruck der Gewinne nicht belasten. Aber diese Kosten sind ja trotzdem da. Würde man das beim DAX tun, also Sonderfaktoren, die ihn zuletzt stark beeinflusst haben, herausrechnen … zu welchem Ergebnis käme man da? Wäre der deutsche Leitindex dann immer noch auf dem Weg zur 25.000 Punkte-Marke?

Die Fragestellung lautet: Wie kam der DAX dorthin, wohin er jetzt gestiegen ist? Spielen dabei Sonderfaktoren eine Rolle, die sich verflüchtigen oder auch nur abschwächen könnten, so dass er ohne diese Besonderheiten nicht imstande wäre, alleine zu stehen, sprich den Rekordlevel zu halten oder auszubauen?

Grundsätzlich könnte man behaupten, dass der letzte Kurs immer der vom Markt „gerechtfertigte“ ist, weil der Markt ihn auch gehandelt hat. Es sind also nie Phantasiekurse, um die es beim deutschen Leitindex geht. Aber das ist nicht der Punkt. Die Frage ist, ob den Akteuren bestimmte, den Index derzeit vor allem höher ziehende Aspekte bewusst sind. Denn wenn das der Fall ist, kann das zum Problem werden, wenn sich diese „Sondereinflüsse“ relativieren. Gehen wir einmal die aus meiner Sicht auffälligsten durch.

Der DAX ist kein Index wie die anderen. Und die internationalen Investoren wissen das.

Zunächst einmal wäre da die Tatsache, dass der DAX, wie ihn die Anleger kennen, anders berechnet wird als nahezu alle anderen großen Indizes weltweit. Während z.B. Euro Stoxx 50, Dow Jones, Nasdaq 100 oder S&P 500 Kursindizes sind, was heißt, dass alleine die reinen Kursveränderungen der in ihnen gelisteten Aktien den Index-Kurs ergeben, ist das beim DAX anders, ebenso wie bei MDAX, TecDAX oder SDAX. Diese deutschen Indizes sind sogenannte Performanceindizes, bei denen die von im Index enthaltenen Unternehmen ausgeschütteten Dividenden wie Kursgewinne gerechnet und dann auch noch gleich fiktiv reinvestiert werden, was einen Zinseszins-Effekt bewirkt. Bei anderen Indizes zählt nur der Kurs.

Börse aktuell: Entwicklung DAX Performanceindex und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Performanceindex und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Der vorstehende Chart zeigt zum einen diesen üblichen DAX als Performanceindex, zum anderen den DAX KI, also den Kursindex, bei dem, wie bei internationalen Indizes, nur die Kursveränderungen zählen. Sie sehen:

Der DAX KI ist noch gar nicht nach oben ausgebrochen, sondern schloss am Freitag an und nicht über dem vorherigen Rekordhoch vom März. Sie sehen auch, dass der DAX KI unter 9.000 Punkten steht, während der durch die Dividenden-Einrechnung positiv verzerrte DAX Performanceindex an der 24.000er-Marke kratzt. Damit wird ziemlich klar, wie extrem dieser „Sondereinfluss“ ist, denn Anfang 1988 starteten beide Index-Berechnungsformen mit 1.000 Punkten! Der Punkt dabei ist:

Große, internationale Investoren sehen sich den DAX natürlich in der KI-Variante an, um ihn mit anderen Indizes vernünftig vergleichen zu können. Und sehen damit eben keinen Ausbruch über das alte Hoch. Dieser Ausbruch wurde durch die vielen in den letzten Wochen ausgeschütteten Dividenden begünstigt, ist aber damit ein bullisches Signal, das vor allem deutsche Anleger sehen, der Rest aber nicht. Das internationale Kapital, das richtigerweise den DAX KI als Vergleich heranzieht, sieht weiterhin einen Index, der nicht ansatzweise an die über Jahrzehnte stärkeren US-Indizes heranreicht.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones, Nasdaq 100, Euro Stoxx 50 und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones, Nasdaq 100, Euro Stoxx 50 und DAX Kursindex von 1988 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Ein DAX ohne den Sondereinfluss der Terminbörse … jetzt wäre das der Fall

Ein weiterer Aspekt ist die am Freitag absolvierte Abrechnung der Index- und Aktienoptionen an der Terminbörse. Intensive Trends werden Richtung Abrechnungstag oft durch die Aktivitäten der großen Player am Terminmarkt intensiviert. Aber ist diese Abrechnung erst über die Bühne, fällt auch dieser „Sondereinfluss“ weg, das Zugpferd ist dann ausgeschirrt. Das muss die Trendrichtung nicht ins Gegenteil verkehren, aber ohne diese Sogwirkung des Terminmarkts braucht es dann andere Argumente, um den Trend fortzusetzen, in unserem Fall die Aufwärtsbewegung.

Börse aktuell: Der Einfluss des Terminmarktes auf den DAX im Zeitraum 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Der Einfluss des Terminmarktes auf den DAX im Zeitraum 2024 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Sondereinfluss US-Zölle: Aktuell wirkt die erhoffte Einigung kurstreibend

Nächster Faktor: die USA-Problematik. Ein Gutteil der Verluste, die bei zyklischen und/oder stark exportorientierten DAX-Titeln durch Trumps „Zoll-Hammer“ am 2.4. entstanden waren, wurden aufgeholt, in einigen Fällen sogar mehr als das. Doch Ende der Woche wird die Hälfte von Trumps 90-Tage-Galgenfrist vorbei sein, ohne dass die Verhandlungen mit der EU überhaupt begonnen hätten. Zudem zeigt der „Deal“ mit den Briten, dass man höhere Zölle wohl nur wird abbiegen können, wenn man den USA markante Vorteile im Handel zubilligt. Es ist also dünnes Eis, auf dem diejenigen stehen, die da bereits im Vertrauen auf eine Einigung hin zugreifen.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und von Zollproblematik eher betroffene Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und von Zollproblematik eher betroffene Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wenige Zugpferde … und die haben den Grund ihrer Rallye schon eingepreist

Und nicht zuletzt steht der DAX nur, wo er jetzt steht, weil die neue Bundesregierung massiv Schulden machen will, um Infrastruktur und Verteidigung zu stärken. Dadurch sind die Bank- und Finanzwerte gestiegen, weil man damit rechnet, dass die von höheren Anleiherenditen und einer verstärkten Emissionstätigkeit bei den Festverzinslichen profitieren. Und es sind Heidelberg Materials bzgl. Infrastruktur und Rheinmetall bzgl. Verteidigung, die zuletzt haussierten. Dass sich das umkehrt, ist zwar unwahrscheinlich. Aber all diese Aktien sind jetzt ziemlich teuer bewertet, weil sie steigende Unternehmensgewinne auf Jahre hinaus bereits vorab eingepreist haben. Dieser „Sondereinfluss“ hat seine Wirkung also bereits entfaltet. Viel Luft nach oben ist durch die Vorwegnahme kommender Effekte also eher nicht mehr, denn wer da kaufen wollte, wird das großenteils längst getan haben.

Börse aktuell: Entwicklung DAX und vom deutschen Schuldenpaket eher profitierende Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und vom deutschen Schuldenpaket eher profitierende Einzelaktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Fazit: Man sollte auf einen denkbaren „Fall eines Falles“ vorbereitet sein.

Gäbe es diese „Sondereinflüsse“ nicht, würde der DAX niedriger notieren, womöglich deutlich. Der DAX wirkt als Performanceindex durch den „Sondereinfluss“ der Dividenden sehr viel bullischer, als er es ohne wäre. Und vielen großen Adressen ist das völlig bewusst.

Er steht so hoch, weil die Terminbörse ihn in den letzten zwei Wochen vermutlich zusätzlich gezogen hat. Ob sie das ab heute auch noch tut, ist zumindest offen.

Er steht so hoch, weil viele unterstellen, dass es mit den USA in Sachen Handel zu einer Einigung kommt, die die EU-Exporteure nicht nennenswert beeinträchtigt, was eine eher gewagte These ist.

Und er notiert auf Rekordlevels, weil man Wachstum vorweggenommen hat, das zwar vermutlich auch kommen wird, aber es ist eben jetzt schon in den Kursen vieler DAX-Aktien drin.

Das ist alles nichts, das nach einem felsenfesten Fundament für die Fortsetzung einer Hausse aussieht. Das bedeutet zwar nicht, dass der Index ohne Stützräder sofort umfallen muss. Aber es ist möglich, dass das eher über kurz als über lang passiert, daher: Konsequente Stoppkurse für Long-Positionen wären für den „Fall eines Falles“ auf jeden Fall eine Überlegung wert!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysis methodology

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
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Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

„Substanzielle Fortschritte‘“ nach den Gesprächen USA/China in der Schweiz? Heute werden wir lesen, was genau da denn erreicht wurde. Aber es bleibt das Problem, dass Unternehmen weltweit mit höheren Zöllen konfrontiert werden und nicht wissen, wann und wie diese Problematik gelöst sein wird. Viele Trader hoffen, dass kleine Schritte die Aktienmärkte Schritt für Schritt immer höher ziehen, wie es bereits in Trumps erster Amtszeit gelang. Aber ist das überhaupt die richtige „Blaupause“?

Bereits in seiner ersten Amtszeit von Januar 2017 bis Januar 2021 hatte sich der aktuelle US-Präsident mit China angelegt. Dabei wurde viel geredet … und Donald Trump gelang es, die US-Aktienmärkte immer wieder nach oben zu peitschen, indem er in regelmäßigen Abständen von großen Fortschritten schrieb und ein ums andere Mal behauptete, der „Deal“ stehe unmittelbar bevor und werde herausragend positive Veränderungen nach sich ziehen. Es dauerte indes bis 2019, bis erste Teile des auf mehrere Stufen angesetzten „Deals“ in trockenen Tüchern waren. Und wirklich verändert hat sich, wenn wir uns mal ansehen, wie sich das Handelsbilanzdefizit der USA in den letzten 40 Jahren entwickelt hat, nichts. Außer, dass es sich zuletzt gegenüber Ende 2024 fast verdoppelt hat.

Börse aktuell: Entwicklung der Handelsbilanz der USA von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Handelsbilanz der USA von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das Defizit von diesem katastrophalen Level von -140 Milliarden US-Dollar im März 2025 zu verringern ist keine Kunst, man sollte indes nicht vergessen, dass Trump selbst es ja auf diesen Level befördert hat. Und genau hier setzt meine Argumentation an, warum man lieber nicht zu sicher sein sollte, dass es am Aktienmarkt diesmal genauso laufen wird wie 2017 bis 2019, sondern womöglich eher wie 2020 bis 2022.

Die „Gezeiten“ des Welthandels … Trump hat sie unberechenbar gemacht

Erinnern wir uns, wie es ab 2017 lief. Donald Trump hat gedroht, gelockt, aber wenig gehandelt. Es wurden Forderungen gestellt, es wurden Gespräche erzwungen, aber es waren konkrete Forderungen da. Diesmal wissen die von den US-Zöllen betroffenen Länder aber gar nicht, was Trump genau von ihnen erwartet. Klar ist nur eines: Er will für die USA mehr Vorteile. Was hieße: Die anderen Länder werden sich im Handel mit den USA deutlich schlechter stellen. Und dass das keineswegs eine Kleinigkeit würde, zeigt schon dieses vorstehende, gewaltige Handelsbilanzdefizit. Aber gehen wir mal durch, was da gerade passiert:

Trump hatte diese Zölle bereits Monate zuvor angekündigt. Damit wussten in die USA exportierende Unternehmen bereits am Tag seines Wahlsiegs: Da kommt Sturm auf. Und die nach seiner Vereidigung am 20.1. Stück für Stück verordneten Zölle und die Ankündigung, am 2.4. werde so richtig Tacheles geredet, führten dazu, dass die Unternehmen mehrere Wochen Zeit hatten, so viel zu produzieren wie irgend möglich und alles, was machbar war, vor diesem 2. April in die USA zu verschiffen. Dass die Zölle, die dann kamen, auf höchst schräge Art berechnet wurden, viel höher waren als selbst Pessimisten dachen und dann großenteils für 90 Tage gestundet wurden, ist natürlich nicht unwichtig. Aber es spielt meiner Meinung nach nicht die entscheidende Rolle. Entscheidend ist, was de facto passiert.

Wir haben eine gewaltige Flut an Waren erlebt, die bis Ende März in die USA kam. Das führte zu diesem irren Handelsbilanzdefizit. Und, weil sich dadurch die Warenströme zu Ungunsten der US-Wirtschaftsleistung veränderten, auch zu dem Minus beim US-Bruttoinlandsprodukt des 1. Quartals. Das wird sich ändern, beides.

Ab April kehrt sich die Sache nämlich um. Die Importe in die USA werden wegsacken. Dass China im April gut 20 Prozent weniger in die USA verschickt hat als im Vorjahresmonat, sind die ersten Daten in diese Richtung. Aber für andere asiatische Länder und vermutlich auch, wenngleich weniger drastisch, für die EU, wird das ebenso der Fall sein. 

Zugleich wird das, was bis April noch hereinkam, von den US-Verbrauchern vermehrt gekauft, weil sie ja wissen: Was jetzt auf Lager ist, kann man noch zu normalen Preisen bekommen. Danach wird es entweder drastisch teurer oder überhaupt nicht mehr zu bekommen sein. Diese Gemengelage hatten wir in Trumps erster Amtszeit nicht. Sie erinnert aber durchaus an die Lockdown-Phase 2020/2021. Und auch das, was danach kommen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones unter Trump und Biden von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones unter Trump und Biden von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Nach der Trump-Zoll-Ebbe müsste man mit Flut rechnen. Vor allem bei den Preisen

Aktuell bestellen US-Händler aus China nur das allernötigste, denn warum sollten sie 145 Prozent Zoll für China-Produkte zahlen, wenn sie hoffen können (bzw. müssen), dass diese Zollrate bald wieder sinkt. Zugleich werden auch US-Verbraucher nicht zu Mondpreisen Dinge kaufen, die nicht unbedingt sein müssen. Entweder, weil sie vorgekauft haben oder, weil sie abwarten wollen, bis die Preise wieder normal werden. Aber nehmen wir mal an, sie werden wieder normal und in ein paar Monaten gibt es wieder so etwas wie Planungssicherheit, weil man sich mit allen asiatischen Produktionsländern und Europa geeinigt hat, was dann?

Dann wollen alle alles gleichzeitig. Dann wollen die Kunden umgehend das haben, was sie monatelang aufgeschoben haben. Dann müssen Hersteller sofort die Teile haben, die ihnen wegen der irren Zölle ausgegangen sind. Dann kommt nach der Flut vor und der Ebbe während der Zölle die Flut nach den Zöllen. Und das hieße:

Während aktuell die US-Häfen vor allem an der Pazifikküste massiv leiden, werden sie dann überlastet sein. Die Frachtkapazitäten, aktuell durch Trumps Zölle nicht ausgelastet, werden dann ebenso überlastet. Die Folge? Dieselbe wie nach den Lockdowns:

Steigende Preise, sprich Inflation. Wie gesagt: Das ist ein Szenario, wenn der Zollstreit in ein paar Monaten eine Lösung sieht. Wenn nicht, wenn nichts mehr geht, den Fabriken die Zulieferteile ausgehen und sich die Regale in den Warenhäusern leeren, ist die Alternative: Rezession.

Man hat jedoch nicht den Eindruck, dass die Aktienmärkte das realisieren. Und mit Querblick auf den DAX auch nicht, was eine wegbrechende US-Wirtschaft für Europa bedeutet, auch ohne abseitig hohe Zölle.  Und wir reden hier auch von einem Szenario, das sehr langfristige, massive Schäden nach sich ziehen könnte. Ein konkretes Risiko ist mir gerade vor Augen gekommen:

Mit der Trump-Strategie „out of business“?

Eines meiner Hobbys ist der Modellbau. Da gibt es eine US-Firma in Missouri, die seit 50 Jahren hervorragende Dinge vertreibt, unter anderen ein hoch effektives Beleuchtungssystem für Modellbahnen. Das wollte ich haben, irgendwann im Herbst, wenn diese Bauphase bei mir anstehen würde. Doch dann habe ich letzte Woche doch mal nachgesehen, wie sich die Lage da so darstellt, weil mir schwante: Hoppla, die lassen doch in China fertigen? Und was ich zu sehen bekam, macht sehr deutlich, was diese Zolltirade gerade anrichtet und noch anrichten kann bzw. wird.

Die Bauteile waren bei deutschen Händlern nur noch lückenhaft zu bekommen, also bin ich auf Händler in den USA und Großbritannien ausgewichen, aber auch da bekam ich nicht alles, was ich brauchte, einige Teile waren wie vom Erdboden verschluckt. Also bin ich auf die Homepage des US-Unternehmens gegangen und sah: Bei vielen Produkten stand „temporarily out of stock“! Und ja, wen wundert’s?

Die Kunden weltweit wissen ja, dass das Unternehmen in China produziert, es steht ja überall (wenngleich gegenüber der Aufschrift „manufactured in the U.S.A.“ winzig klein) drauf. Also wussten sie auch: Hoppla, es wird eng, die können und werden ja den Nachschub aus der China-Produktion nicht mit 145 Prozent Zoll obendrauf einführen, das kauft ihnen ja keiner ab. Also wird ihnen das Lager leergekauft. Das bedeutet: Erst einmal ein drastisch steigender Umsatz und dann … nichts mehr mangels Masse!

Das ist die Ebbe, von der ich oben schrieb. Die wir noch nicht in den Konjunkturdaten sehen können, denn die berichten, weil rückwärts gewandt, gerade von einer aufkommenden Flut. Die April-Konjunkturdaten dürften, was den Einzelhandelsumsatz angeht, extrem stark ausfallen, der Mai vielleicht auch. Aber was dann?

Das US-Unternehmen, von dem ich hier schreibe, hat laut Angaben von Websites, die Unternehmen skizzieren, nur 25 Mitarbeiter. Gefertigt wird halt in China, dort, in Missouri, sitzen nur Entwickler, Vertriebsleute und die, die IT und Logistik besorgen. Was passiert mit solch einem Unternehmen, wenn Mr. Trump sich Zeit lässt, weil man es „richtig“ machen will mit dem Handel und vor allem mit China und glaubt, die eigene Wirtschaft müsse und werde das aushalten? Was passiert, wenn das drei Monate so weitergeht … oder sechs … oder ein Jahr? Wie will dieses Unternehmen überleben, wenn es keine Waren hat, die es verkaufen kann? Die Technik und die Maschinen dafür sind nun einmal in China. Das kann man gar nicht mal schnell nach Missouri holen, vor allem: Mit welchem Geld denn, wenn die Lager immer leerer werden?

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2012 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen von 2012 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Es geht nicht einfach nur darum, dass die US-Wirtschaft durch diese Handelspolitik eine Zeit lang in die Knie geht. Es geht darum, dass viele kleine und mittlere Betriebe danach nicht mehr aufstehen, weil sie ruiniert sind, bis Trumps Handelsstrategen in die Pötte kommen. Dann heißt es nicht mehr „temporarily out of stock“ für die Waren, sondern „out of business“ für die ganze Firma.

In die Knie zu gehen ist ohnehin nicht gut, aber wenn man danach nicht mehr aufstehen kann …

Es ist der Mittelstand, der das Rückgrat einer Volkswirtschaft bildet, das gilt für hier, das gilt genauso für die USA. Und es ist dieser Mittelstand, der nicht mal schnell bei Trump durchklingeln kann wie Ford oder GM, um Ausnahmen zu erjammern. Das ist es, was die Corona-Jahre umso mehr zur realistischeren Blaupause für das macht, was kommt. Auch da wurden viele Unternehmen am Ende ruiniert, und sei es dann, wenn es darum ging, die Hilfsgelder zurückzuzahlen. Auch da kamen Inflation und gerissene Lieferketten, weil dann plötzlich nach der Ebbe die Flut kam und man nicht darauf vorbereitet war.

Der Aktienmarkt scheint das nicht zu sehen, viele Verbraucher, die zweifellos in eigener Erfahrung dasselbe registrieren wie ich mit meinen Beleuchtungs-Tools, die auf einmal nirgends mehr zu kriegen sind, sehen es anders, weil sie es unmittelbar erfahren. Wer da am Ende wohl richtig liegt?

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysis methodology

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Diejenigen, die in den vergangenen ein, zwei Wochen am US-Aktienmarkt Long-Positionen eingegangen sind, dürften die Frage, wie solide das Eis ist, auf das man sich damit stellt, weit von sich weisen. Denn natürlich gehen diese Akteure davon aus, damit auf festem Boden zu stehen. Aber von der reinen Logik abgesehen … die an den Börsen ja nicht allzu oft die Trends leitet … gibt es drei Indikationen, die man sich in dieser Hinsicht ansehen sollte.

Donald Trump hat viel versprochen. Zwar behauptete er, vieles davon mal eben im Vorbeigehen „on day one“ klar zu machen, aber natürlich war das nicht zu schaffen. Auch in den gut 100 Tagen, die er jetzt im Amt ist, nicht. Aber man muss letzten Endes daran glauben, dass seine Versprechen zumindest am Ende erfüllt werden, um an der Börse aktuell bullisch zu sein, auch, wenn es dafür bis jetzt keine Anzeichen gibt.

Kaum ist der „Rohstoff-Deal“ mit der Ukraine unterzeichnet, tauchen die Sprüche wieder auf, dass man sich als Friedensvermittler zurückziehen könnte, weil beide Seiten sich keine Mühe gäben und man selber noch anderes zu tun habe. Denn jetzt hätte man Zugriff auf Seltene Erden und diverse andere wichtige Rohstoffe, die man sonst aus China hätte einführen müssen, mit dem man sich massiv angelegt hat. Das Problem:

Man weiß nicht, was genau das Ziel ist

Die US-Regierung scheint bislang gar nicht klar formuliert zu haben, was genau man denn eigentlich von seien Gegnern fordert, um die Zölle zurückzunehmen bzw. sie, sofern für 90 Tage ausgesetzt, nicht wieder zu aktivieren. Noch gibt es keine konkreten Verhandlungen mit den beiden wichtigsten Handelspartnern EU und China. Man bekommt den Eindruck, hier wird mit der Weltwirtschaft als Einsatz gepokert: Mal sehen, was ihr so auf der Hand habt, dann schauen wir, was wir dazu sagen.

Um aktuell bullisch zu sein muss man daran glauben, dass hinter diesem Verhalten ein genialer Plan steht, obgleich man sich den nicht einmal zusammen fantasieren könnte. Und eines ist ja eigentlich klar: Irgendwer wird, wenn das alles mal so etwas wie eine Lösung ergibt, verlieren. Entweder die USA und da vor allem die Konsumenten. Oder die anderen Länder. So gesehen stellt sich die Frage: Wie können die Eurozone-Indizes und die US-Indizes zugleich steigen und wieder Tuchfühlung zu den vorherigen Hochs aufnehmen, wenn man davon ausgehen muss, dass einer der beiden Wirtschaftsräume am Ende der nicht einmal begonnenen Verhandlungen schlechter dasteht als zuvor?

Auch Anleger neigen dazu, sich Dinge schön zu denken, nicht nur Politiker

Ein Argument dafür, dass die Kurse trotzdem steigen ist, dass man gerne glaubt, dass die Sache schon gutgehen wird, weil sie das ja (fast) immer tat, ohne sich eingehender mit dem Problem und den damit einhergehenden Risiken zu beschäftigen. Dass wir nahezu alle zu einem solchen Verhalten neigen, weiß ich nicht nur aus 30 Jahren in diesem Job. Ich bin auch seit 35 Jahren Trader und habe dabei oft genug im Spiegel genau so eine Type gesehen. Und, nicht zuletzt, war ich 40 Jahre lang Raucher. Erzähle mir also keiner etwas davon, dass die Vernunft am Ende immer siegt. Das tut sie nicht. Aber zurück zu dieser derzeitigen Rallye.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Oktober 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Der hier gezeigte S&P 500 hat jetzt etwa zwei Drittel der Abschläge seit seinem Rekordhoch aufgeholt, der DAX ist sogar noch näher dran am alten Hoch. Rein charttechnisch sieht es bislang gut aus. Die Abwärtstrendlinie ist überboten und ein Doppeltief vollendet. Zugleich wurde diese Abwärtstrendlinie gerade erst am Mittwoch erfolgreich getestet, was in einen beeindruckenden Rallyeschub zum Wochenschluss mündete. Vom Tagestief des Mittwochs bei 5.433 Punkten bis zum Wochenschluss bei 5.687 Punkten lief der Index gut 4,6 Prozent … in einer halben Woche. Und das, obwohl da einige eher üble Konjunkturdaten auf den Tisch kamen und unter den Index-Schwergewichten zwar Microsoft und Meta mit ihren Quartalsbilanzen überzeugen konnten, Apple und Amazon aber nicht. Die Frage ist, was die Käufe denn befeuert hat, wenn es die üblichen Faktoren eher nicht sein konnten.

Das Janus-Prinzip: halb Verbraucher, halb Anleger?

Dass die Gespräche mit China begonnen haben? Haben sie ja gar nicht. China hat grundsätzliche Gesprächsbereitschaft verlauten lassen, aber nur unter der Prämisse, dass die USA diese Zölle vorher verschwinden lassen, dann könne man reden. Und selbst mit einer Ratio auf Notstromversorgung käme man zu dem Schluss, dass Donald Trump diese Voraussetzung nicht erfüllen wird. Trotzdem wird das als Hausse-Argument herumgereicht. Und ignoriert, dass bis dahin vernichtend hohe Zölle auf beiden Seiten die Weltwirtschaft in die Knie zwingen. Und das, was den USA da offenbar als Dauerlösung vorschwebt, nämlich Zölle von 50 bis 60 Prozent gegenüber China-Importen, um sicherzustellen, dass man China aus dem US-Markt herausgedrängt bekommt, wäre ohnehin immer noch fatal.

Damit stellt sich mir die Frage, ob wirklich so viele Anleger derzeit in zwei Hälften gespalten sind, indem sie als Verbraucher Rezession und Inflation befürchten, als Anleger aber zugleich wie wild kaufen. Kann das sein? Kann es zwar, aber nicht auf Dauer. Sicher, eigentlich wissen wir alle, dass es gar nicht so schwer ist, verblüffend viele haushohe Warnsignale zu ignorieren. Aber wir wissen auch: Tut man das zu lange, ist man am Ende der Verlierer. Gewinner sind diejenigen, die die Risiken erkennen und berücksichtigen, statt sie zu ignorieren.

Drei Aspekte würde ich im Augenblick als relevant ansehen um zu behaupten, dass die Käufer gerade auf dünnem Eis herumtanzen, statt, wie sie zweifellos selbst glauben, auf solidem Untergrund zu stehen.

Die Rallye wird von den falschen Aktien angeführt

Wenn wir uns ansehen, welche Aktien im Dow Jones seit Jahresbeginn zu den größeren Gewinnern gehören und welche zu den größten Verlierern, fällt auf: Für eine gesunde Hausse in einem Umfeld mit solidem Wachstum und guten Perspektiven müsste es genau anders herum laufen:

Börse aktuell: Ausgewählte Gewinner- und Verliereraktien im Dow jones 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Ausgewählte Gewinner- und Verliereraktien im Dow jones 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Nicht Coca-Cola und McDonald’s müssten vorne sein, sondern die Aktien, die bei gutem Wirtschaftswachstum am stärksten profitieren: Hightech-Titel wie Nvidia und konsumnahe Aktien wie Nike. So, wie sich das Bild aktuell präsentiert, kaufen die Akteure konservative Titel in der Hoffnung „gegessen und getrunken wird immer“, weil sie wissen, dass die normalerweise gut laufenden Titel mangels Wachstumsperspektive derzeit eben nicht erste Wahl sind.

Aber das müssen sie wieder werden, sonst kann sich eine Aufwärtsbewegung nicht längere Zeit halten. Denn die defensiven Unternehmen sehen in einem solchen Umfeld ja keinen Umsatz- und Gewinnboom, sie geraten nur … das hoffen die Trader zumindest … weniger unter Druck als die zyklischen Werte. Das limitiert den Spielraum der Defensiven, also müsste das Wachstum zeitnah zurückkehren, damit die normalerweise Haussen anführenden und jetzt gedrückten Aktien wieder die Führung übernehmen. Aber um die baldige Rückkehr starken Wachstums zu unterstellen, müsste man momentan ein sehr sonniges Gemüt haben.

Der Transport-Index zieht nicht mit. Müsste er aber.

Eine stabile Hausse braucht Wirtschaftswachstum. Wenn die Wirtschaft wächst, legt der Warenverkehr zu. Wenn der Warenverkehr zulegt, geht es den Logistik-Unternehmen, die im Dow Jones Transportation Index gelistet sind, gut. Deswegen sollten Aktien des Transportsektors eine Hausse, wenn nicht anführen, so doch mittragen. Wir sehen aber anhand dieses Charts, der den „normalen“ Dow Jones Industrial Index mit dem Dow Jones Transportation Index seit der US-Wahl vergleicht, dass Letzterer deutlich schlechter gelaufen ist. Ein Warnsignal?

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation Index im Vergleich von November 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones und Dow Jones Transportation Index im Vergleich von November 2024 bis Mai 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Ohne Frage. Natürlich kommt da die „Entschuldigung“, dass die Logistikunternehmen nur zeitweilig ein bisschen in den Seilen hängen, weil man halt gerade ein wenig wegen der Zölle durchhängt, das aber schnell wieder laufen wird, wenn man sich geeinigt hat. Gut, angenommen, es käme so, was indes eine Behauptung ist, die bislang jeden Beweis schuldig bleibt:

Für die Logistiker wie Fluggesellschaften oder Versanddienstleister würde das, was Donald Trump vorschwebt, trotzdem ungut, weil man ja immens viel, was bislang importiert wird, nicht mehr einführen will. Das drückt den internationalen Frachtverkehr. Ein reines Problem der Logistik-Branche und damit doch kein Warnsignal für den Gesamtmarkt? Eher nicht, denn:

Da Trumps Vorstellung einer „autarken“ US-Wirtschaft all die Vorteile der von den US-Unternehmen ja selbst veranlassten Auslagerung der Fertigung in Billiglohnländer eliminieren würde, wäre der Gedanke, dass man in einem solchen, völlig anderen Umfeld solides Wachstum bei geringer Inflation und steigendem Wohlstand erreichen würde, abwegig. Auch, wenn die Underperformance des Transport-Index momentan „entschuldbar“ wäre: In diesem Licht ist das dann eben trotzdem ein massives Warnsignal. Umso mehr, als diejenigen, die eine Hausse tragen müssten, das offensichtlich genauso sehen:

Aktienmarkt-Hause bei fallendem Verbrauchervertrauen? Das geht selten gut.

Bis 2020 sahen wir eine völlig logische Korrelation zwischen dem US-Verbrauchervertrauen und dem Trend des US-Aktienmarkts. Nur, wenn die Verbraucher optimistisch sind, wird der Konsum als Rückgrat des Wachstums zulegen. Nur bei Wachstum können die Unternehmensgewinne auf Dauer steigen und so eine Hausse tragen. Seit 2020 hat sich das geändert, wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Nur, wieso?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 2002 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und US-Verbrauchervertrauen im Vergleich von 2002 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das liegt z.B. daran, dass die großen Unternehmen auf dem Rücken der kleineren immer stärker werden, auch, wenn das Wachstum insgesamt mager ist. Es liegt mit daran, dass diese „Mega-Caps“ fortwährend Aktien zurückkaufen, so dass sich der Gewinn durch weniger Aktien teilt und damit wirkt, als würde er steigen, auch, wenn er es nicht tut. Und es liegt daran, dass diejenigen, die imstande sind, in Aktien zu investieren nicht zu denen gehören, die bei einer sich ausweitenden Schere zwischen Arm und Reich auf der falschen Seite stehen.

Aber diese Schere kann sich nicht endlos ausweiten. Und derzeit haben wir eine Gemengelage, in der die US-Verbraucher … und die hierzulande kaum weniger … immer unruhiger werden, weil sie sehr wohl sehen, dass die US-Regierung ihre Versprechen nicht einlöst, sondern planlos wirkt. Und auch, wenn ein Aktienmarkt eine Zeit lang gegen eine schwache Konjunktur und hohe Zinsen steigen kann … bei zusehends unruhigen, sorgenvollen Anlegern kann eine Hausse nicht auf Dauer bestehen.

Wäre Donald Trump nicht derart vollmundig aufgetreten, sähe die Sache vermutlich anders aus. So aber vergleichen die Verbraucher das, was versprochen wurde mit dem, was in diesen ersten gut 100 Tagen erreicht wurde und sehen … nichts. Außer festgefahrenen Karren ohne Plan, wohin man mit denen eigentlich genau will. Eine Weile kann man sicherlich „janusköpfig“ unterwegs sein, besorgter Verbraucher und bullischer Anleger zugleich sein. Aber auf Dauer funktioniert das nicht. Und damit wird es sofort wieder kritisch, wenn diese laufende Rallye ins Stocken kommt. Es sei denn, Donald Trump „liefert“ jetzt umgehend. Und zwar Ergebnisse statt bösen Überraschungen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysis methodology

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Erst Panik, dann Rückkäufe und kurz darauf wieder eitel Sonnenschein am Aktienmarkt: 2020 lief es so. Eine V-Formation hatte sich damals gebildet. Gut drei Monate nach dem Corona-Crash war der Großteil der Verluste aufgeholt, kein Jahr später waren neue Rekorde erreicht. Diesmal, so hoffen viele, wird es genauso laufen. Aber die Rahmenbedingungen sind jetzt andere. Und man vergisst zudem gerne: Nicht jeder Versuch einer V-Formation endet erfolgreich.

Dass man aktuell seitens der Käufer auf eine V-Formation setzt, ist zwar einerseits nicht überraschend, weil man noch gut in Erinnerung hat, dass genau das 2020 passiert war und damals diejenigen, die einfach in einen Crash hinein gekauft hatten oder mit vollem Depot gar nicht reagierten, heil bzw. mit gutem Gewinn aus der Sache herauskamen. Andererseits sind solche Formationen keineswegs üblich, blickt man auf die Historie der Märkte, sind sie deutlich seltener als die Klassiker unter den Trendwendeformationen wie Doppel- und Dreifachtiefs oder umgekehrte Schulter-Kopf-Schulter-Formationen. Und ihre Seltenheit begründet sich in den für ein „schnell runter, schnell rauf“ nötigen Szenarien. Zwei Szenarien wären dafür denkbar.

Wie eine V-Formation entstehen kann

Dabei muss man mit dem Abwärtsimpuls als Basis einer möglichen V-Formation anfangen. Normalerweise laufen Abwärtsbewegungen eher kontrolliert und in Wellen ab. Die Gemengelage und/oder der Ausblick trüben sich ein, die Anleger werden unruhig. Die Zahl der Käufer nimmt ab, die der Verkäufer zu, die Kurse rutschen ab. Für eine V-Formation bedarf es aber eines ziemlich drastischen und weitreichenden Abverkaufs als Basis.

So etwas kann dann entstehen, wenn entweder sehr dramatische Ereignisse unverhofft auftauchen oder wenn zu viele Marktteilnehmer eine Verschlechterung der Gemengelage zu lange bewusst ignoriert haben, so dass es zu einer Art „Deichbruch“ kommt, wenn die ersten erst einmal anfangen, auszusteigen. 2020 war es der drastische Impact durch Corona, 2022 der Angriff auf die Ukraine, was diese massive Veränderung der Lage ausgelöst hatte. Der folgende Chart zeigt diese beiden Fälle ebenso wie die aktuelle Situation.

Börse aktuell: V-Formationen im DAX von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Formationen im DAX von 2020 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Übrigens ordne ich die Bewegungen im Herbst 2020 und im Herbst 2022 nicht als V-Formationen ein, wenn, dann sind das Miniaturausgaben einer solchen Wende, weil es zuvor nicht stark und weit genug abwärts ging. Aber sie haben durchaus Ähnlichkeiten von der Sache her:

Man war im Vorfeld sehr negativ, dann aber änderte sich das Bild seitens der Lage bzw. seitens dessen, was die Trader erwarteten. Im Herbst 2020 resignierte man beim Warten auf Impfstoffe, aber dann drehte der Markt auf dem Absatz, als die ersten Corona-Impfstoffe als „fertig“ gemeldet und die US-Wahl zu einem Sieg der Demokraten führte. Im Herbst 2022 setzte man sehr frühzeitig darauf, dass die Inflation in den Griff bekommen wird und bekam am Ende auch Recht damit.

Aber zurück zu den beiden großen V-Formationen, bei denen die erste 2020 gelang … die zweite 2022 am Ende aber scheiterte und der DAX, den wir hier als Beispiel nehmen, erst hängenblieb und dann in den folgenden Monaten unter das Tief vom Jahresbeginn fiel. Was entscheidend ist, ob eine solche Formation gelingt oder nicht, ist der Grund, wieso die Kurse auf einmal schlagartig wieder nach oben sausen. Sehen wir uns diese Fälle an:

Warum „funktionierte“ die V-Formation im Jahr 2020?

Die 2020er V-Formation gelang, weil aus Hoffnungen Fakten wurden. Am Anfang einer V-Formation stehen ja immer Gewinnmitnahmen der Short-Seller, sprich der Bären. Ob diese bei leer verkauften Aktien oder bei Short-Positionen im Future den Gewinn sichern wollen: In beiden Fällen müssen sie kaufen – entweder die zuvor leer verkauften Aktien oder den Future Long – um die Positionen zu schließen. Und das zieht die Kurse nach oben. Hier findet bereits die erste wichtige Weichenstellung statt:

Kaufen die Bären, weil sich die Lage zum Positiven gewandelt hat oder nur, weil der vorherige Selloff eine massive Übertreibung auf kurzfristiger Ebene war? Bei solchen kapitalen Kurseinbrüchen, die V-Formationen ausmachen, ist meist Letzteres der Fall. Was die Sache anfangs immer sehr wacklig macht, denn wenn sich die Gründe für die vorherigen Verkäufe nicht verringern, sich ggf. sogar intensivieren, kommen die Bären schnell wieder zurück.

Aber nach diesen Gewinnsicherungen der Bären kommen gemeinhin sofort andere Käufe. Käufe rein technisch ausgerichteter Trader und dann die Käufe derer, die hoffen, der Spuk wäre vorbei und man würde, wollte man abwarten, eine grandiose Chance verpassen. Letztere Käufe müssen dann aber auf der festen Erwartung basieren, dass sich die Lage wirklich wieder verbessert und/oder die Verkäufe zuvor trotz negativem Umfeld viel zu weit gegangen waren. 2020 klappte das.

Denn man setzte darauf, dass Corona und die dadurch verbundenen Lockdowns zwar einen harten Schnitt in der Weltwirtschaft bedeuten, dies aber alles ohne Folgeschäden wieder aufholbar sei. Und damit lag man grundsätzlich richtig. Wichtig war hier aber, und damit geht der Blick auf den Oktober des Jahres 2020, als es dann doch beinahe noch schief gegangen wäre, dass diese Hoffnungen in absehbarer Zeit auch Bestätigung finden.

Börse aktuell: V-Formation und Sockel im DAX 2020 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Formation und Sockel im DAX 2020 | Quelle: marketmaker pp4

Wenn die Meldung über Impfstoffe und der den Markt freuenden Ausgang der US-Wahl Anfang November 2020 nicht gerade noch rechtzeitig gekommen wären, hätte diese V-Formation am Ende auch scheitern können und hätte das vorherige Hoch nicht überboten! Der Index war bereits aus dem „Sockel“ … einer Seitwärtsrange, die dem rechten Schenkel des „V“ oft folgt und die Entscheidungszone bildet, ob die Formation wirklich nach oben vollendet wird oder scheitert … nach unten ausgebrochen. Impfstoffe und US-Wahl rissen das Ruder im letzten Moment herum.

Warum scheiterte der Versuch einer V-Formation 2022?

Die V-Formation Anfang 2022 scheiterte hingegen, weil sich die Hoffnungen, die die Trader zum Einstieg verleiteten, nicht erfüllten, sondern die Lage im Gegenteil sukzessiv kritischer wurde.

Börse aktuell: Gescheiterte V-Formation im DAX 2022 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Gescheiterte V-Formation im DAX 2022 | Quelle: marketmaker pp4

Zum einen konnte der Ukraine-Konflikt nicht zügig beigelegt werden und blieb ein über den Märkten hängendes, geopolitisches Damoklesschwert mit Relevanz für die Energieversorgung.

Zum anderen hatten sich Politik, Notenbanker und auch manche Volkswirte geirrt, als sie gebetsmühlenartig wiederholten, dass die seit Herbst 2021 deutlich anziehenden Preise als Folge der vorherigen Lockdown-Phasen nur ein kurzzeitiges Phänomen seien, das sich zeitnah von selbst erledigen werde. Im Gegenteil mussten die Anleger im weiteren Verlauf des Jahres 2022 sehen, dass die Inflation aus dem Ruder lief und die Notenbanken die Leitzinsen schnell und weit anhoben.

Auffällig dabei war, dass es der DAX bis an die Nackenlinienzone der vorherigen Toppformation geschafft hatte, bevor er nach unten abdrehte und sukzessiv neue Tiefs markierte.

Wir sehen: Es kommt entscheidend darauf an, ob die Argumente, die die Anleger, die nach den ersten Eindeckungen der Bären kaufen und damit aus einer normalen Gegenbewegung eine potenzielle Aufwärts-Trendwende in V-Form machen, sich als stichhaltig erweisen oder nicht. Wenn die da gespielten Karten nicht stechen, ist das Risiko, dass aus dem Ansatz eines „V“ am Ende doch keine Aufwärtswende wird, sondern die Abwärtsbewegung wieder einsetzt, immens hoch. Wie sieht es da heute aus, jetzt, da man erneut auf eine „V-Formation“ setzt?

Und heute? Hopp oder Topp?

Manche von Ihnen würden es vielleicht so lapidar formulieren, wie ich es jetzt tue: Gar nicht gut schaut es dahingehend aus. Denn die Faktoren, die den Selloff befeuert hatten, sind ja alle noch da:

Die Zölle bedrohen die Weltwirtschaft immens. Und die US-Politik wirkt derzeit planlos und mehr aus dem Bauch heraus, so dass man schlicht nicht absehen kann, wie sich die Lage in drei, sechs oder zwölf Monaten darstellen könnte, wirtschaftlich wie geopolitisch. Zumal: Sollte es zu für die USA zufriedenstellenden „Deals“ kommen, würden die Vorteile, die die US-Wirtschaft dadurch erlangt, ja auf Kosten der restlichen Länder und der dortigen Unternehmen errungen. Keine gute Basis für eine nachhaltige Aufwärtswende … aber!

Man darf auf keinen Fall ignorieren, dass eine sachliche, rationale Lagebetrachtung selten die Kurse führt. Es sind Emotionen. Zuerst, beim Kurseinbruch, Angst oder sogar Panik, danach Gier und/oder die Furcht, eine Super-Chance zu verpassen. Das ist es, was den meisten Akteuren die Hand führt.

Daher können auch irrational wirkende Argumente zu steigenden Kursen führen und eine Hausse generieren, die erst „abgeschossen“ wird, wenn die Faktenlage derart finster wird, dass wirklich auch die letzten Luftschlösser platzen. Dass der DAX, vor allem aber die US-Indizes, bereits so weit nach oben gelaufen sind, deutet zwar an, dass hier gerade eine ganze Menge Akteure die Realität gegen eine vom Wunsch nach Gewinnen rosa eingefärbte, subjektive Zukunft tauscht. Aber was fängt man mit dieser Erkenntnis an?

Börse aktuell: Mögliche V-Formation im DAX 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Mögliche V-Formation im DAX 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Letztlich ist, in emotional dominierten Phasen noch mehr als sonst, nie klar vorhersehbar, wie es weitergeht. Aber immer dann, wenn die Rallye und die rational wahrscheinlichere Entwicklung der Rahmenbedingungen nicht zusammenpassen, ist größte Vorsicht angesagt, wenn es um die Frage geht: Mitmachen oder wegbleiben? Zumal es diesmal noch einen anderen Aspekt gibt, der zur Vorsicht anhalten sollte:

Die Märkte waren zuvor so stark gestiegen, dass sie extrem teuer bewertet waren. Und über eines sollten die gerade einlaufenden Ergebnisse des ersten Quartals nicht hinwegtäuschen: Dass die großenteils gut ausfallen, hat nichts zu sagen, denn die ersten, heftigeren Zölle kamen erst im März, der große Rundumschlag Trumps erst Anfang April. Die Zahlen fallen sogar eher wegen der Zölle so gut aus, denn:

Die waren ja absehbar, daher wurde so viel wie möglich im Vorfeld in die USA verschifft und von den Verbrauchern in Erwartung der durch die Einfuhrzölle stark steigenden Preise vorgekauft. Was bedeutet: In der Folge fällt das Wachstum in ein Loch. Und das ist eines, aus dem man ohne wirklich taugliche und vor allem zeitige Lösungen so schnell nicht mehr herauskommen wird.

Die eigentliche Entscheidungszone kommt erst jetzt

Dabei gibt es einen Bereich in den Kursen, egal, welchen Index man da hernehmen wollte, den man als eine Art „Nagelprobe“ für die Solidität und Kraft einer denkbaren V-Formation hernehmen kann, nämlich genau den Punkt, über dem man ein solches „V“ als vollendet, die Wende als gelungen ansehen könnte. Und das hat auch auf logischer Ebene etwas für sich.

Die Charts zeigen: Die Nackenlinie der vorherigen Toppformation ist in der Regel eine entscheidende Hürde. Der Grund: Das ist der Punkt, wo der Kurseinbruch und damit der linke Schenkel des „V“ seinen Ursprung hatte. Würde man den Kurs, hier des DAX, über diesen Punkt ziehen, wäre man also auf einem Kurslevel, der implizieren würde, dass die Gründe, die den Selloff ausgelöst haben, komplett aufgekauft sind. Was dann nachvollziehbar wäre, wenn alles in der Tat wieder ist, wie zuvor … oder man wenigstens unterstellen dürfte, dass es sehr bald und ziemlich sicher so sein wird. Und das ist in unserem aktuellen Szenario nicht der Fall.

Börse aktuell: V-Fomation im Dow Jones 2002 - erst vollendet, dann gescheitert | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
V-Fomation im Dow Jones 2002 – erst vollendet, dann gescheitert | Quelle: marketmaker pp4

Donald Trump hat seine Amtszeit gerade erst begonnen, überschreitet diese Woche gerade mal die 100-Tage-Linie dieser. Man müsste darauf setzen, dass er sich umgehend deutlich anders verhalten wird und seine mehrheitlich untauglichen Minister schnell gegen fachkundige und pragmatisch agierende Leute austauscht. Nur so könnte man erwarten, dass der DAX über dieser Nackenlinie des Februar-/März-Topps trotz der sehr teuren Bewertung eine Chance hat, dauerhaft darüber zu bleiben und im Idealfall über das bisherige Hoch zu laufen. Das vorstehend gezeigte Beispiel des Dow Jones aus der Zeit der Baisse 2000-2003 zeigt: Kurzfristig kann eine Vollendung durchaus auch mal gelingen, aber damit sie dauerhaft ist, muss eben das Umfeld passen.

Können wir das erwarten? Hoffen kann man das immer, aber wenn man die Ratio „zuschaltet“, bröckelt eine solche Hoffnung doch ganz erheblich, daher meine ich: Vorsicht ist jetzt unbedingt angebracht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

About the author

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysis methodology

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Am Mittwochabend verkündete der US-Präsident die zeitweilige Aussetzung der gerade erst eine Woche zuvor verhängten Extrem-Zölle für diejenigen Länder, die sich diesen Maßnahmen nicht widersetzt haben. Am Samstag hieß es, es gebe jetzt das nächste Bonbon für die Märkte. Trump rudert zurück, titeln die Medien … aber haben diejenigen, die daraufhin wie wild einstiegen oder Positionen zurückkaufen, damit festen Boden unter den Füßen?

Ich schreibe bewusst „am Samstag hieß es“, weil die Meldung, dass Elektronikprodukte wie Computer, Festplatten, Chips oder Smartphones auf einmal generell von den Zöllen ausgenommen werden sollen, auf Dokumenten der US-Zollbehörde basiert, die sich auf ein Memorandum Trumps vom Freitag beruft. Doch das Weiße Haus hat das, Stand Sonntagmittag unserer Zeit, bislang nicht offiziell verkündet. Wurde da etwas weitergeleitet, das eigentlich nur als Option in der Schublade liegen sollte? Man weiß es nicht … aber selbst, wenn das so zutrifft und damit die nächste größere Ausnahme erfolgt, sind die Gaben, die Mr. Trump da verteilt, vergiftet.

Natürlich reagieren manche am Aktienmarkt erleichtert, wenn man ihnen nach den bizarren Aktionen à la Abrissbirne auf einmal Bonbons zuwirft. Der US-Aktienmarkt war einfach zu schnell zu weit gefallen, unabhängig von der Schwere der Argumente, die diesen Abwärtstrend ausgelöst haben. Eine drastische Gegenbewegung war daher jederzeit möglich. Und dass die extrem ausfiel basierte letzten Endes auch darauf, dass die vorherige Abwärtsbewegung nicht minder extrem war. Und je mehr Akteure Short sind, desto mehr muss sofort eingedeckt werden, wenn die Kurse plötzlich drehen.

Trendwende oder nur Gegenbewegung? Beides sieht gleich aus, bis …

Börse aktuell: Entwicklung DAX Anfang April 2025 - unfassbare Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Anfang April 2025 – unfassbare Kurslücken | Quelle: marketmaker pp4

Dass z.B. der vorstehend abgebildete DAX im Bann solcher immens seltenen Extrem-Impulse willenlos mit gewaltigen Kurslücken in beide Richtungen reagiert und dadurch letzte Woche eine Handelsspanne zeigte, die sonst für ein ganzes Quartal reichen würde, ist da kein Wunder. Aber dass es gelang, das Minus zum Freitags-Closing großenteils aufzuholen (wenn man die nachbörslichen Kurse vom Freitagabend nimmt, sogar ganz), wirkt zwar, als sei an der Börse aktuell ein perfekter Moment, frühzeitig auf den nächsten, großen Hausse-Impuls zu setzen, aber:

Tatsächlich ist dieses Aufholen dramatischer und zugleich auf dieser kurzen Zeitebene überzogener Verluste kein Beleg dafür, dass der Spuk jetzt vorbei wäre. In Bezug auf die Ursache dieses Chaos nicht, dazu gleich, aber auch nicht in Bezug auf die Charttechnik. Zumindest noch nicht. Wenn wir uns dazu den marktbreiten US-Index S&P 500 ansehen, erkennt man das sofort:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis April 2025 - Kursrückgang und Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von November 2024 bis April 2025 – Kursrückgang und Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4

Die Kursgewinne folgen auf nicht minder heftige Kursverluste im Vorfeld. Wir sehen Tagesveränderungen wie im Tollhaus, Intraday-Schwankungen bis hinunter auf die kürzesten Zeitebenen, die so groß sind, dass man klar erkennen kann, dass sich Trader und Handelsprogramme da gerade zu Tode zocken. Aber noch ist der S&P 500 nicht über seine Februar-Abwärtstrendlinie hinaus (um 5.600 Punkte) und nicht über die wichtige 200-Tage-Linie zurückgelaufen (5.754 Punkte).

Das könnte, wenn diese erneute Ausnahme der zuvor ins Extreme gepushten Zölle offiziell bestätigt wird, vielleicht heute gelingen. Aber bis dahin sehen wir eben nur eine Gegenbewegung innerhalb eines intakten Abwärtstrends.

Solange die für mittelfristige Kaufsignale relevanten Chartmarken nicht überboten sind, sehen eine Gegenbewegung, die an Widerständen endet, an denen das bärische Lager gemeinhin wieder aktiv wird, und eine zukünftige Trendwende genau gleich aus. Schauen wir uns dazu nur mal die Turbulenzen im Jahr 2008 an. Wie gigantisch waren auch damals die Abwärtsschübe und die Gegenbewegungen. Und doch endeten Impulse, die wie Aufwärtswenden wirkten, in neuen Baisseschüben.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von 2008 bis 2009 - Beginn einer Trendwende oder Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von 2008 bis 2009 – Beginn einer Trendwende oder Gegenbewegung | Quelle: marketmaker pp4

Daher täte man gut daran, das Fell der Bären … die sich derart wilden Kaufwellen gemeinhin nicht entgegenstellen, sondern im Stil der Torero-Taktik warten, bis die Bullen sich verausgabt haben … noch nicht zu verkaufen, bevor sie wirklich besiegt sind. Und dieser Rat zu Vorsicht basiert nicht nur auf der reinen Charttechnik.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Dass die Weltwirtschaft derzeit derart von den Entscheidungen eines einzigen Menschen abhängig ist, ist hoch gefährlich und damit per se schon nicht gut. Aber immer mehr Investoren wird jetzt klar, dass derjenige, der da alleine entscheidet, wild auf der Tastatur der US-Wirtschaft herumdrückt ohne zu verstehen, was passiert, was diese Tasten bewirken. Es findet sich so gut wie kein Experte (ich habe zumindest noch von keinem gehört, Trumps Berater zähle ich da mal nicht zu diesem Kreis) der glauben würde, dass die Idee, den US-Staat über Einfuhrzölle reich zu machen und damit ein goldenes Zeitalter einzuläuten, funktionieren würde. Donald Trump prophezeit Entwicklungen, die sich gegenseitig rein von der Logik her ausschließen und scheint die Haken der Sache einfach nicht sehen zu wollen. Er selbst sagte am 2. April, dass er sich wundere, dass kein US-Präsident zuvor diese geniale Idee hatte. Die Experten wundert das weniger. 

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und Gold von November 2024 bis April 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und Gold von November 2024 bis April 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Hinzu kommt, dass diejenigen, die die herein tröpfelnden Ausnahmen als Kaufargument sehen, mehrere Aspekte ignorieren. Erstens sind ja gerade solche nachträglichen Ausnahmen der Beweis dafür, dass die Sache, die derart fatal auf die Weltwirtschaft wirkt, nicht zu Ende gedacht, aber trotzdem einfach mal gemacht wurde.

Zweitens scheint man zu übersehen, dass es an keiner Front so läuft wie seitens des US-Präsidenten vorher prophezeit. Wo ist das Rohstoff-Abkommen mit der Ukraine, wo bleibt eine echte Waffenruhe? Was ist denn jetzt mit Gaza und … Grönland nebst Panamakanal? Der vorstehende Chart macht deutlich, dass etwa Anfang März die Phase begann, in der immer mehr Marktteilnehmer erkannten, dass die Sache aus der Spur läuft und die Flucht ergriffen: Raus aus US-Aktien, rein in, unter anderem, Gold. Und diese Flucht endete nicht mit der Rallye der US-Aktien seit Mittwochabend. Sehen wir uns dazu die nächsten Charts an:

Kapital auf der Flucht … nur am US-Aktienmarkt nicht. Noch nicht?

Diese Schritte zurück in Bezug auf die Zölle basieren nicht darauf, dass man es sich anders überlegt hat (was, als unstetes Handeln, auch nicht positiv wäre), sondern darauf, dass man vorher die Folgen der Zölle nicht verstanden hatte. Bestätigt man im Weißen Haus diese drastische Ausnahme für Smartphones, Laptops und ähnliches, hieße das zweierlei: Scheinbar in Stein gemeißelte Strategien des US-Präsidenten sind tatsächlich nur das Herumdrücken auf Knöpfen und könnten jederzeit auf den Kopf gestellt werden. Und die US-Regierung lässt sich von US-Konzernen beeinflussen, wenn die nur laut genug Zeter und Mordio schreien und folgt damit mitnichten einem „Masterplan“.

Börse aktuell: Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit Laufzeit 10 Jahre - Einfluss von Zollentscheidungen | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Rendite US-Staatsanleihen mit Laufzeit 10 Jahre – Einfluss von Zollentscheidungen | Quelle: marketmaker pp4

Daraus entsteht der Gesamteindruck immenser Schwäche. Die man zwar als beeindruckende Stärke verkauft, nur kaufen die internationalen Investoren das dieser Ein-Mann-Regierung im Weißen Haus nicht mehr ab. Und damit verlieren die USA ihr Etikett der Stabilität und Stärke, die US-Märkte mutieren von scheinbar „sichern Häfen“ zu Risikoinvestments. Die Folgen sieht man bei den US-Anleihen, die zu einem Viertel von ausländischen Investoren gehalten werden – in der vorstehenden Grafik – ebenso wie beim US-Dollar (im folgenden Chart):

Hier sehen wir nicht das hierzulande übliche Chartbild, bei dem man sieht, wie viel US-Dollar ein Euro kostet, sondern das Währungspaar mal anders herum: Hier sehen wir, wie viel Euro man für einen US-Dollar zahlt, sprich wir sehen hier bei einem fallenden Kurs, dass der US-Dollar schwächer wird. Und er wird schwächer … und das zügig.

Börse aktuell: Entwicklung USD zum Euro von Oktober 2024 bis April 2025 - Kapitalflucht aus dem Dollar | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung USD zum Euro von Oktober 2024 bis April 2025 – Kapitalflucht aus dem Dollar | Quelle: marketmaker pp4

Das internationale Kapital flieht aus dem US-Markt. Die Anleihen werden verkauft, die Währung rutscht ab … da wäre es ziemlich überraschend, wenn die internationalen Investoren nur bei US-Aktien das Gegenteil täten.

Eine Rallye durch Eindeckungen und Hoffnungskäufe ist immer drin, auch in der jetzt gesehenen Größenordnung, die vermutlich auch durch die Ende der Woche anstehende Abrechnung am Terminmarkt intensiviert wird. Aber eine echte, tragfähige Aufwärtswende ohne das Geld der internationalen Investoren, die den USA gerade den Rücken kehren, das ist kaum zu machen. Und dass dieses Geld zurückkommt, solange man den Eindruck hat, dass im Weißen Haus „try and error“ gespielt wird, ist nicht wahrscheinlich.

Die US-Börsen sind aktuell toxisch … aber es könnte Alternativen geben

Die Angst, große, schnelle Gewinne zu verpassen ist erfahrungsgemäß noch größer als die Furcht, Verluste zu erleiden. Dies in Kombination mit einer um sich greifenden und immer wieder durch die bizarren Entscheidungen aus dem Weißen Haus genährten Angst macht die Intensität, mit der diese Kaufwellen zuletzt abliefen, verständlich. Je größer die Angst, desto fadenscheiniger kann der Bonbon sein, nach dem die verunsicherten Anleger greifen: Man schluckt ihn trotzdem unbesehen.

Aber solange man nicht ansatzweise absehen kann, was all diejenigen am Markt tun werden, die das anders sehen, wenn die Kurse weit genug gestiegen sind, um die Short-Seite wieder lukrativ zu machen … und solange sich zugleich nicht abzeichnet, dass der US-Regierung eine besonnene, zielführende Politik gelingt … dürften diese Bonbons in Form eines Rückbaus der zuvor mit großem Getöse hochgezogenen Zollmauer vergiftet sein. Denn so, wie sich das bislang darstellt, sind diese Schritte kein Zeichen von Einsicht, sondern das Indiz dafür, dass man in Washington keinen Plan hat, aber so tut, als wüsste man genau, was man macht. Das internationale Kapital setzt sich ab … und solange das so bleibt, ist die Long-Seite in Bezug auf die US-Börsen die deutlich riskantere. Aber:

Irgendwo muss das Kapital, das aus US-Anleihen abfließt und den US-Dollar verlässt, ja hin. Und wenn man sein Geld aus den USA abzieht, dann ja auf Basis der Befürchtung, dass die derzeitige US-Regierung ihr Schiff mit Schwung auf Grund setzen wird. Zurückrudern hin oder her, das wird selbstredend die Weltwirtschaft insgesamt in die Bredouille bringen, aber: Am Ende könnten Europa und Asien diejenigen Regionen sein, die als erste und/oder am besten wieder zurück in die Spur finden. Auch bei uns in Europa und an den asiatischen Börsen gilt, dass man sich hüten sollte, eine Aufwärtswende zu sehen, wo noch keine ist. Aber zumindest Stand heute und aus meiner persönlichen Einschätzung heraus verlagert sich das Pendel der Chancen sukzessiv weg von den US-Börsen hin in die anderen Regionen dieser Welt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Quellen:

Meldungen zur Zoll-Ausnahme für Elektronikprodukte, 12.04.2025:
https://www.n-tv.de/politik/USA-machen-Zoll-Ausnahme-bei-Smartphones-und-Computern-article25700513.html
https://edition.cnn.com/2025/04/12/tech/trump-electronics-china-tariffs/index.html