Börse aktuell

Hier erfahren Sie, was an der Börse aktuell geschieht. Unser Börsenexperte Ronald Gehrt beobachtet täglich das aktuelle Börsengeschehen und fasst die neuesten Börsendaten und Börsenberichte wöchentlich für Sie zusammen. Mit Börse aktuell bringen wir die wichtigsten Börsennachrichten auf den Punkt und kommentieren, was momentan an der Börse los ist.

Börse: Aktuelle Nachrichten der Woche

Neues von der Börse: Unsere aktuellen Börsennachrichten informieren Sie jede Woche über die derzeitige Börsenentwicklung. Was beschäftigt die Börse? Was steht diese Woche an? Diktieren Bullen oder Bären die Märkte? Sollten Sie Ihre Investitionen erhöhen oder lieber Gewinne mitnehmen? Wir geben Ihnen die Antworten auf diese Fragen, wagen einen Ausblick auf die kommende Börsenwoche und bewerten anstehende Ereignisse, die Auswirkungen auf den Börsenverlauf haben könnten.


Börse aktuell vom 11.-17.08.2025

Folgen Sie dem Geld!

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Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Diese Fiskal- und Zollpolitik der USA bedroht nicht nur die US-Wirtschaft durch die Gefahr steigender Preise und reißender Lieferketten. Diese Entwicklung betrifft die gesamte Weltwirtschaft. Man sieht es bei den Anleihezinsen, am schwachen US-Dollar, an der starken Nachfrage nach Gold. Nur die Aktienmärkte scheinen nichts mitzubekommen. Was steckt dahinter – und wie könnte man das für sich nutzen?

Als ich vor über 35 Jahren anfing, mich mit der Börse zu befassen, war es wichtig, mehr zu wissen, zu sehen und zu verstehen als andere. Wer genau hinsah, konnte absehen, was passieren würde, weil volkswirtschaftliche Entwicklungen und ihre wahrscheinlichen Folgen fast immer über kurz oder lang ihren Niederschlag in den Kursen hatten. Wer sich auskannte, was also besser dran. Heute ist das tatsächlich anders. Es ist nicht leicht, sich damit abzufinden, dass all das über Jahrzehnte erworbene Wissen heute nicht mehr so viel wert ist wie früher. Aber wenn man sich die Sache einfach mal emotionslos anschaut, versteht man, warum das, was früher galt, heute nicht mehr gilt.

Es geht eben heute etwas anders zu, nur: Anders heißt ja nicht, dass man an der Börse nichts mehr verdienen könnte. Aber erst einmal ein Blick auf die „logische Börse“, wie viele von uns sie kannten und innerlich auch immer noch erwarten:

Sind Verbraucher und Unternehmen bärisch, können Aktien nicht auf Dauer steigen … oder?

Am Ende jeder Kette in Sachen Wirtschaft steht der Verbraucher. Wenn die Konsumenten gutes Geld verdienen und zuversichtlich sind, dass das auch so bleibt, geben sie gerne Geld aus, gönnen sich auch mal etwas über den Durst und ein wenig Luxus. Dann brummt die Wirtschaft, die Unternehmen in den Produktionsketten machen mehr Umsatz, beginnend beim Einzel- und Onlinehandel über die Hersteller und deren Zulieferer bis ganz an die Basis, wo die Rohstoffe für die Güter gefördert werden.

Und da eine Aktie grundsätzlich umso mehr wert ist, desto höher der Gewinn des Unternehmens ist bzw. desto höher die Dividende steigt, die der Anleger als seinen Anteil am Unternehmensgewinn ausgeschüttet bekommt, sehen wir normalerweise eine recht enge Korrelation zwischen der Stimmung der Verbraucher und dem Trend des Aktienmarkts. Derzeit allerdings nicht.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und US-Verbrauervertrauen von 2004 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 und US-Verbrauervertrauen von 2004 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nun können Unternehmen auch bei eher zurückhaltenden Verbrauchern mehr verdienen, wenn es ihnen gelingt, die Zulieferer preislich unter Druck zu setzen, Konkurrenten in Schach zu halten oder ihre Gewinnmargen durch Innovation und Rationalisierung zu steigern. Deshalb ist es immer gut, auch einen Blick auf die Gemütslage der Einkaufsmanager zu werfen, die sozusagen am Eingangstor der Unternehmen sitzen und daher gut abschätzen können, wie es läuft und vermutlich weitergehen wird. Es wundert also nicht, dass auch die Tendenz der Einkaufsmanagerindizes (hier nachfolgend der für die Industrie bzw. das verarbeitende Gewerbe in den USA) und der Trend am Aktienmarkt oft parallel laufen. Momentan allerdings, ich wiederhole mich, nicht. Wie kommt’s?

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 und US-Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 und US-Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe von 2005 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wissen ist Macht … aber nichts zu wissen macht derzeit an der Börse nichts

Zwischen den Fakten und den Kursen an der Börse steht der Anleger. Direkt – oder indirekt, wenn er über Fonds oder ETFs „anlegen lässt“. Damit haben wir hier einen Filter, der entweder die Fakten so durchlässt, wie sie objektiv sind … der sie subjektiv filtert, und zwar so, wie es dem Anleger in den Kram passt … oder sogar einfach ausblendet. Was bedeutet:

Wenn es den in den Sechziger und Siebziger Jahren von Theoretikern propagierten „homo oeconomicus“ wirklich gäbe -, den Menschen also, der über alle Informationen verfügt und entsprechend dieser Fakten rational handelt – müssten Aktienindizes immer noch ziemlich parallel zur Entwicklung der Unternehmensgewinne, der Einkaufsmanagerindizes und des Verbrauchervertrauens laufen. Sie tun es deswegen nicht, weil dieser „homo oeconomicus“ nichts anderes war als eine realitätsfremde Wunschvorstellung. Die Kurse bewegen sich als Reaktion auf das, was die gerade aktiv handelnde Mehrheit der Marktteilnehmer denkt bzw. will. Und wenn die wenig oder so gut wie nichts über die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Volkswirtschaft und Aktienmarkt wissen, handeln sie rein emotional. Sprich von Gier und Angst getrieben, aber eben „mit ohne Ahnung“. Der Punkt ist:

Immer mehr Marktteilnehmern fehlt das nötige Wissen, das früher so essenziell war. Ich kenne immer mehr Leute, die selbst mit zu wenig Geld zum Leben noch irgendwie 100 Euro im Monat zusammen bekommen, um sie in den Aktienmarkt zu stecken. Weil „das Geld ja sonst immer weniger wird“ (Konditionierung aus der Negativzins-Phase) und „es doch seit Jahren super läuft“ (der gute alte Irrtum, dass, was gestern war, auch morgen sein wird).

Und viel mehr als früher wirkt sich das direkt, ganz unmittelbar, auf die Kurse aus. Weil? Weil erstens immer mehr Menschen wegen der Möglichkeiten, die Online-Broker ihnen bieten, direkt selbst kaufen und verkaufen. Und weil zweitens immer mehr Menschen entweder ETFs kaufen und/oder Sparpläne nutzen, was bedeutet: Der Zufluss frischen Geldes ist automatisiert und wirkt sich direkt aus. Denn im Gegensatz zu den klassischen Fonds, bei denen die Fondsmanager entscheiden, wo genau sie wann wie viel investieren und ob sie viel oder wenig Barreserve halten, müssen ETFs ja, um ihre Benchmarks korrekt und 1:1 nachzubilden, jeden Euro oder Dollar, der hereinkommt, sofort investieren. Egal, ob sie das für schlau halten oder nicht. Was bedeutet:

Die, die wenig oder nichts wissen, sind heute also eine ganz andere Größe als früher, konkret sind sie die entscheidende Größe, der Taktgeber insbesondere des Aktienmarkts. Denn dorthin, zu den Aktien, zieht es dieses Geld. Und zu Kryptowährungen. Nicht aber zu Anleihen, dem Forex-Bereich oder den Rohstoffen, das ist den meisten entweder zu langweilig, zu kompliziert oder gleich beides.

Dass Geld, das von Leuten bewegt wird, die sich nicht auskennen und womöglich die Risiken, die Aktieninvestments grundsätzlich neben ihren Chancen halt auch haben, gar nicht kennen und stemmen können, das ist nicht gut. Eigentlich.

Aber das bedeutet eben nicht, dass diese Klientel umgehend auf dem Bauch landen müsste. Das tat sie bislang zwar immer. Aber zum einen hat sich das lange hingezogen, meist ging das Jahre gut, zum Beispiel mehrere Jahre lang, bevor der 1929er-Crash kam. Und zum anderen hat sich die Gesamtsituation in den letzten Jahren eben verändert, hin zu dem „automatisierten Dauerzufluss“ von Sparergeld, vor allem über Sparpläne. Die, nur um das mal zu unterstreichen, grundsätzlich eine ganz hervorragende Sache sind, nur sollte man genau wissen, was man da tut.

Es könnte also jederzeit schiefgehen, falls genug dieser Anleger es auf einmal mit der Angst zu tun bekommen und/oder das Ersparte abziehen müssen, um Dinge wie ein neues Auto, eine Heizung oder gar eine Wohnung/Haus zu kaufen. Solange aber im Saldo mehr Geld hinein als hinaus fließt, geht es eben gut, geht der Trend nach oben weiter. Auch gegen die Vernunft und gegen haushohe Warnsignale seitens der Konjunktur, einfach, weil sie keiner sehen und/oder verstehen kann oder will. Was folgt daraus?

Die Hausse der Wenigen … eine Folge des „Zeitgeists“

Das kommt darauf an, was man will. Wollen Sie der Logik folgen und Recht bekommen, dann halten Sie dagegen. Problem dabei: Schon 2008 war das eine haarige Sache. Denken Sie an die Legende Michael Burry (siehe auch der hervorragende Film „The Big Short“, indem seine Geschichte und die des Platzens der Subprime-Blase 2008 erzählt wird). Burry hatte Recht, grundsätzlich. Er hatte glasklar erkannt, was andere nicht sahen oder sehen wollten. Und machte am Ende einen gewaltigen Gewinn auf der Short-Seite. Nur wäre das um ein Haar danebengegangen. Wären die Märkte ein wenig länger oben geblieben oder noch etwas höher gestiegen, hätte er zwar am Ende Recht gehabt, aber nicht bekommen … und wäre ruiniert gewesen. Das kann heute noch viel kniffliger werden, denn:

Die Kurse werden vom Strom des Geldes bewegt. Ob diejenigen, die das Geld in den Markt investieren, klug handeln oder nichts, spielt keine Rolle. Wenn mehr hineinfließt als hinaus, steigen die Kurse im Saldo. Und dann fährt nur gut, wer dem Geld folgt, so simpel ist es letztlich.

Börse aktuell: Entwicklung der Magnificent 7 und NYSE Comosite Index von 2023 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Magnificent 7 und NYSE Comosite Index von 2023 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Wer am Aktienmarkt Gewinne erzielen will, muss also dem Geld folgen und nicht der Logik. Aber vielleicht etwas differenzierter als die Masse. Denn die stürzt sich hierzulande beispielsweise gerade stur auf Rüstung, Infrastruktur und Banken, in den USA auf Hightech aller Art. Das hat dazu geführt, dass die Top Sieben im US-Hightech-Sektor immer weiter zulegen, die sogenannten „Magnificent Seven“, siehe der vorstehende Chart. Aber das gilt vor allem auf mittelfristiger Ebene. Kurzfristig kann man da durchaus auch mal unter die Räder kommen, da nicht immer alles gut läuft. Ich halte daher zwei Alternativen für interessant, mit denen man genauso grundsätzlich dem Strom des Geldes folgen würde:

Entweder den breiten Markt handeln … oder besser „Stock Picking“ betreiben als die Masse

Entweder man handelt einfach den breiten Markt, indem man sich auf DAX, Euro Stoxx 50, Dow Jones, S&P 500 oder Nasdaq 100 verlegt und da konsequent Trendfolge betreibt, sprich so lange Long bleibt, bis der Trend bricht. Das ist alleine deshalb eine gute Alternative, weil man so die oft extremen Kurssprünge der Einzelwerte glättet und Chart- und Markttechnik einem mehr Unterstützung bieten als bei Einzelwerten.

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100, Nvidia und die stärksten Nasdaq Aktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100, Nvidia und die stärksten Nasdaq Aktien im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Oder man sucht gezielt und immer auf kurzfristiger Ebene nach den stärksten Momentum-Aktien. Beispielhaft sehen Sie im vorstehenden Chart, dass da so manche Aktie aus dem Nasdaq 100 seit Jahresanfang noch weit besser lief als der Überflieger Nvidia. Und auch da ginge es dann nicht darum, zu überlegen, ob eine solche, von der Masse gerade wild eingesammelte Aktie dort auch wirklich stehen und weiter steigen sollte. Dass sie es tut, ist das Faktum, um das es Ihnen gehen muss. Denn ob eine solche Hausse eigentlich „dumm“ ist oder nicht: Solange sie da ist, kann man ihr folgen … wenn man konsequent und mit Stopps tradet.

Letzten Endes kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld!

Man könnte als Fazit dessen, was wie vor uns haben, den Begriff des „dummen Trends“ hervorholen. Den man verwendet um darzustellen, dass wir es mit einem von den Fakten abgehobenen Trend zu tun haben, der daraus resultiert, dass ungewöhnlich viele nicht wirklich wissen, was sie da tun. Aber dem Kind einen despektierlichen Namen zu nehmen ist eine Sache. Deswegen dagegenzuhalten, weil man meint, dass, wer Recht hat, auch Recht bekommen muss, wäre noch dümmer.

Es kostet mich, weil das erworbene Fachwissen für diese Vorgehensweise bisweilen eher hinderlich ist, zwar Überwindung, zumal es früher eben anders lief. Aber wenn man am Ende am Aktienmarkt mit mehr dastehen will als zuvor, kann es nur eines geben: Folgen Sie dem Geld und nicht einem „müsste eigentlich“. Aber, und da sollte man dann doch ganz anders vorgehen als die Masse, mit wachem Auge und konsequenten Stoppkursen. Denn diese „Masse“ weiß eben auch nicht, wie eine Abwärtswende daherkommt und wie man dann agieren müsste. Wenn Sie es wissen, gehen irgendwann die meisten baden … und Sie nicht!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.
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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.


Börse aktuell: DAX, Dow Jones und Co.

Die heutigen Top-News und Börsenmeldungen zum DAX und der Börse USA mit dem Dow Jones, dem Nasdaq und dem S&P 500 als weltweit einflussreiche Indizes bilden einen Schwerpunkt unserer aktuellen Berichterstattung von der Börse. Auch gute Aktien, die momentan sehr stark im Fokus der Anleger stehen und steigende Börsenkurse prophezeien, werden wir Ihnen hier vorstellen. So bekommen Sie einen umfassenden Börsenausblick und können Ihre eigenen Börsenprognosen verifizieren oder falsifizieren.

Börse: Aktuelle Entwicklung und Trends

Die aktuelle Entwicklung und der aktuelle Trend an der Börse werden maßgeblich von Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturdaten und Neuigkeiten von börsennotierten Unternehmen bestimmt. Diese wirken sich nicht nur auf Aktienkurse aus, sondern auch auf andere Assetklassen wie börsengehandelte Fonds, Optionen und Futures. Des Weiteren werden durch Börsennachrichten auch die Anleihemärkte und Rohstoffmärkte in Bewegung versetzt. Daher haben wir auch die Zinsen, den Ölpreis und Goldpreis immer im Blick.

Börse: Aktuelle Tipps zum Marktgeschehen

Neben Börsennews bekommen Sie auch hilfreiche Tipps, um das gegenwärtige Marktgeschehen besser zu interpretieren. Der Börsenmarkt setzt sich aus vielen verschiedenen Märkten zusammen. Jedes Land, jede Branche und jedes Finanzprodukt wird von individuellen Faktoren beeinflusst, sodass es schwierig ist, alle Märkte mit ihren jetzigen Chancen und Risiken zu verfolgen und zu analysieren. Mit Börse aktuell liefert Ihnen unser Börsenprofi die Börseninformationen, die wirklich wichtig sind, und zugleich eine kompakte Börsenvorschau der Woche.

Börse aktuell: Die letzten Nachrichten

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Donald Trump entlässt die Leiterin der Statistikbehörde im US-Arbeitsministerium, weil er überzeugt ist, dass die aktuellen Arbeitsmarktdaten manipuliert wurden, um ihm zu schaden. Zugleich würde er gerne den US-Notenbankchef entlassen, weil er unterstellt, dass der die Leitzinsen nur deshalb oben behält, weil er keine Ahnung hat. Und dann die Sache mit den Zöllen. Die Anleger schauen jetzt offenbar doch genauer hin und werden nervös. Und sie tun gut daran.

Niemand kann alles wissen. Was wiederum jeder weiß … oder wissen sollte. Natürlich gibt es sogenannte „Besserwisser“, jeder kennt einige davon. Manche von denen reden nur gescheit daher, weil sie glauben, dass sie dann besser angesehen sind, andere wissen vieles wirklich besser. Aber die Zeit der „Universalgelehrten“, die ist vorbei. Gute Chefs zeichnen sich daher dadurch aus, dass sie delegieren können und den Blick für Kompetenz haben. Gute Leute braucht man dann, die engagiert, fachkundig und bereit sind, im Sinne der Sache zu widersprechen, wenn sie es wirklich besser wissen. Und gute Chefs hören zu, gewinnen mithilfe der kompetenten Berater einen klaren Überblick und entscheiden zielorientiert, ohne Ansehen des eigenen Renommees.

Menschen, die diese Eigenschaften haben, machen Unternehmen groß. Menschen, die das Gegenteil darstellen, indem sie sich mit Jasagern umgeben, eine Paranoia pflegen und bei ihren Entscheidungen nicht ein realistisches Ziel, sondern einen unmittelbaren Showeffekt im Sinn haben, können Unternehmen im D-Zug-Tempo zerstören. Oder Nationen.

Nachdem im Verlauf der Geschichte so mancher absolutistische Alleinherrscher auf diese Weise ganze Staaten in Katastrophen geführt hat, wurden Parlamente und Gerichte eingeführt, die das, was der „Chef“ so treibt, kontrollieren und ggf. gegensteuern sollen. Denn je mehr Menschen in einen Entscheidungsprozess eingebunden sind, desto größer die Chance, dass solche Entscheidungen auch klug und zielführend für die Gemeinschaft sind. Allerdings …

… muss es auch Regelungen für Notfälle geben. Im Fall eines nationalen Notstands ist Eile geboten, da kann nicht lange geprüft und diskutiert werden. Dann entscheiden, ausnahmsweise, nur wenige oder, im Fall der USA, nur einer, nämlich der Präsident. Wobei da ja trotzdem nichts anbrennen kann, denn zum einen wird der ja entsprechend des Wählervotums von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt und ist zum anderen ja noch an die Gesetze gebunden. Soweit die Theorie.

Nichts ist einfach nur schwarz oder weiß

Eigentlich sind Zölle eine Sache des US-Kongresses, sprich von Repräsentantenhaus und Senat. Eigentlich ist die US-Notenbank von jeglicher politischen Einflussnahme frei. Eigentlich sind freie Marktwirtschaft und Planwirtschaft unvereinbare Gegensätze. Eigentlich sitzen in Behörden und Ministerien Fachleute, die beraten können und sollen, statt von Besserwissern in Chefsesseln bevormundet zu werden. Eigentlich sollte die Judikative sicherstellen, dass Entscheidungen, die nicht im Sinne der Gesetze und des Gemeinwohls gefällt wurden, revidiert werden. Und eigentlich sollten Minister kompetente Berater sein und keine Jasager. Wenn all das aber nicht so ist, kann das nicht zu erheblichen Schwierigkeiten führen, sondern es wird dazu führen. Nur darf man dabei nicht tun, was bei vielen eine Art Automatismus ist:

Man darf nicht pauschalisieren und alles der Einfachheit halber über einen Kamm scheren. Zwar ändert das nichts am Problem an sich, sprich an den Gefahren, die entstehen, wenn einer alles alleine entscheidet. Aber trotzdem ist nicht einfach alles kategorisch falsch, was Donald Trump tut oder beabsichtigt. Drei Bereiche sind gerade außerhalb des Dauer-Themas Zölle in den Fokus gerückt: Die Notenbank bzw. die Leitzinsen, der US-Arbeitsmarkt und die US-Medikamentenpreise. Ein paar Gedanken zu diesen Themen von meiner Seite.

US-Arbeitsmarktdaten: Niemand weiß, was wirklich Sache ist

Ich mag keine Großbuchstaben, mehrfache Unterstreichungen und mehrere Ausrufe- oder Fragezeichen als Mittel, um Forderungen oder Missfallen Nachdruck zu verleihen. Eine saubere Argumentation, klar strukturiert vorgetragen, das braucht es, keine eskalierende Zeichensetzung. So gesehen halte ich vor der Art und Weise, wie der US-Präsident mit dem Rest der Welt kommuniziert, wenig. Aber ich habe mich schon oft dabei ertappt, wegen des Stils gleich den Inhalt mit zu verdammen. Was immer ein Fehler ist. Zum Beispiel in Bezug auf die Sache mit den Arbeitsmarktdaten.

Donald Trump will, dass seine Wirtschaftspolitik umgehend Erfolge generiert, die er vorzeigen kann. Da kann es nicht überraschen, wenn die jüngsten Arbeitsmarktdaten im ganz und gar nicht gefallen haben. Auch, weil die Zahl der laut offiziellen Zahlen neu geschaffenen Jobs mit 73.000 unter den Prognosen lag. Und eine sinkende Beschäftigung andeuten, denn wegen des Bevölkerungswachstums müssten die USA monatlich um die 150.000 neue Arbeitsplätze schaffen, um die Beschäftigungsquote zu halten. Aber vor allem, weil die vorherigen Zahlen für Juni und Mai extrem nach unten korrigiert wurden. Die für den Juni von 147.000 auf 14.000 und die für Mai von 144.000 auf 19.000. Das zeigt: Der angeblich trotz „Zollpolitik“ so robuste Arbeitsmarkt wankt. Und das schon seit Monaten … und keiner hat’s gemerkt. Trumps Maßnahme:

Er will die Chefin der Arbeitsstatistik-Behörde entlassen. Die in der Zeit von Bidens Präsidentschaft ernannt wurde und die er deswegen verdächtigt, die Zahlen zu manipulieren, um ihm zu schaden. Das hat sie ganz sicher nicht. Erstens, weil sie es dann von vornherein hätte tun können. Zweitens, weil der schwächer als gedacht daherkommende Arbeitsmarkt die Forderung nach Leitzinssenkungen unterstützt, was Trump wiederum in die Karten spielt. Drittens, weil der Fehler im System liegt und nicht an Personen festzumachen ist.

Börse aktuell: Entwicklung US-Arbeitslosenrate von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Arbeitslosenrate von 1985 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Dass die Zahlen dermaßen falsch gewesen sind, dass es einen graust und dass man bei solchen Revisionen einsehen sollte, dass auch die jetzt veröffentlichten Daten zu hoch oder zu niedrig sein könnten, ist richtig. Und der US-Präsident hat völlig Recht, dass das ein großer Mist ist. Aber dann muss man die Sache eben grundlegend neu angehen. Alleine die Tatsache, dass die Arbeitslosenrate trotzdem mit 4,2 Prozent sehr niedrig bleibt, obwohl sie – angesichts der für die steigende Zahl der Arbeitnehmer zu wenigen neuen Jobs – steigen müsste, macht klar: Das System taugt nichts. Mein Reden seit Jahren, das war auch immer wieder Thema an dieser Stelle. Wo liegt das Problem?

Es liegt darin, dass man mit wenig Aufwand in kürzester Zeit Daten vorlegen will … oder, nach politischem Willen, soll. Das geht aber nicht so einfach, die USA sind kein 20-Mann-Betrieb. Was tut man also, und das nicht seit Kurzem, sondern schon seit eh und je? Man führt Umfragen durch, für die Zahl der neuen Arbeitsplätze bei Unternehmen, für die Arbeitslosenrate bei Bürgern. Diese vom Umfang zu kleinen Umfragen, deren Antworten zudem nicht überprüft werden können, werden dann einfach auf das gesamte, riesige Land hochgerechnet. Ergebnis:

Eine absolut nicht eingrenzbare, aber, wie man hier nicht zum ersten Mal sieht, gewaltige Fehlerquote. Wobei die Revisionen dann durch später einlaufende Daten von Unternehmen und Behörden und Neuberechnungen saisonaler Faktoren zustande kommen. Das ist in der Tat Murks. Zumal die Arbeitsmarktdaten extrem wichtige Indikationen sind.

Aber diese Daten wurden eben nicht manipuliert, sie sind von sich aus so, wie sie zusammengetragen werden, untauglich. Nur hatte niemand bislang die Energie, das zu ändern. Wenn Donald Trump akkurate Daten will, dann ist sein Ziel richtig und berechtigt. Wenn er dafür aber einfach eine Behörden-Chefin entlässt, die weiterführte, was alle Vorgänger auch so machten, ist sein Weg der falsche. Nötig wäre hier, dass die von Trump eingesetzte US-Arbeitsministerin (die Trump natürlich nicht feuert, sie wurde ja von ihm und nicht von Biden ernannt) das System grundlegend neu aufstellt. Was aber viel, sehr viel Aufwand und Überlegung erfordert. Und Donald Trump will gemeinhin sofort Ergebnisse sehen. Gut möglich daher, dass alles beim schlechten Alten bleibt … eine neue Statistik-Chefin die Zahlen fürderhin nur ein wenig besser rechnet … und wir weiterhin ohne den so wichtigen, klaren Blick auf die Lage am Arbeitsmarkt auskommen müssen.

US-Notenbank: Alles Narren, Trump kann‘s besser?

Die US-Notenbank hat den Leitzins bislang zweimal um je ein halbes Prozent gesenkt. Die Range für die sogenannte Federal Funds Rate liegt damit immer noch hoch, bei 4,25 zu 4,50 Prozent. In Europa liegt der Leitzins längst weit tiefer. Donald Trump passt das nicht. Ganz grundsätzlich und aus seiner Warte betrachtet ist das verständlich, denn:

Hohe Zinsen bremsen theoretisch den Konsum und machen die Refinanzierung der Regierung teuer. Es ist halt ein erheblicher Unterschied, ob man für zehn- oder gar dreißigjährige Staatsanleihen vier bis fünf Prozent Zinsen zahlen muss oder nur zwei. Zumal der Zinssatz ja über die gesamte Laufzeit bleibt, wo er eingangs war und so das Staatssäckel über viele Jahre weiter belastet, auch, wenn die Leitzinsen später massiv niedriger stehen sollten. Also will er umgehende und drastische Zinssenkungen. Ein Prozent, schrieb er unlängst mal, seien okay.

Und weil die Notenbank nicht tut, was er will, soll der Chef gehen. Am besten gestern. Und, wenn der nicht zurücktritt (weil er ihn rechtlich gesehen einfach nicht feuern kann), solle das Führungsgremium, genannt Board of Governors, die Kontrolle übernehmen.

Seine Sicht der Dinge ist klar: Mr. Trump will Wachstum als Beweis dafür, dass seine Strategie funktioniert. Und Wachstum lässt sich steigern, wenn mehr konsumiert wird. In dieser Hinsicht sieht er teure Kredite und hohe Hypothekenzinsen als unnötiges Hindernis. Und er will natürlich die Staatsschulden nicht durch teuren Schuldendienst noch schneller steigen sehen. Zugleich sieht er eine Inflationsrate nur wenig über der Zielzone von zwei Prozent. Es wirkt, als hätte er Recht damit, deutlich niedrigere Zinsen zu fordern.

Komplett Unrecht hat er meiner Ansicht nach auch nicht, aber die Sache ist eben kniffliger, als er sie sieht bzw. sehen will. Die Unternehmen werden die Preise anheben, sobald sie können und so weit sie können, sagte kürzlich ein Marktstratege und hat damit vollkommen recht. Und dass die Inflation jetzt noch moderat ist, basiert auf dem Vorzieheffekt der Zölle. Sobald die im Vorfeld der Zölle bis zum Bersten aufgefüllten Lagerbestände abverkauft sind, gehen die Preise hoch. Das wird wohl erst gegen Herbst sein, aber dann haben wir in den USA eben vermutlich Inflationsraten, die deutlich über dem liegen, was die „Fed“ tolerieren kann.

Börse aktuell: Entwicklung US-Leitzins und EZB-Leitzins im Vergleich von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Leitzins und EZB-Leitzins im Vergleich von 2005 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Was den Arbeitsmarkt angeht, zeigt sich jetzt plötzlich, dass es da Probleme gibt. Was eigentlich Zinssenkungen unterstützen würde, damit die Nachfrage steigt, deshalb mehr Leute eingestellt werden und so die Wirtschaft stabilisiert wird. Aber dem steht eben der absehbare Effekt der Zölle entgegen. Dass man sich im FOMC, dem Entscheidungsgremium der US-Notenbank nicht einig ist und zwei der zwölf Mitglieder (beide von Trump nominiert) für eine Zinssenkung waren, basiert darauf, dass die nicht daran glauben, dass die Zölle bei der Inflation mehr ausmachen als einen kurzen Peak, der schnell von alleine verschwindet. Dass die anderen zehn (bzw. neun, Ariana Kugler nahm nicht teil) das anders sehen, liegt u.a. an der Erinnerung an 2022, als man auch dachte, die Inflation durch reißende Lieferketten nach Corona gehe von alleine weg und man damit dramatisch daneben lag.

Jerome Powell mag Chef der Notenbank sein, aber er entscheidet nicht alleine. Er hat in diesem FOMC eine Stimme wie jede andere. Wollte Trump erreichen, dass die Notenbank nicht mehr unabhängig ist, sondern seinem Willen gehorcht, müsste er die Mehrheit der Fed-Gouverneure austauschen. Und das funktioniert nicht. Dass am Freitag Ariana Kugler vorzeitig das Handtuch warf, gibt ihm zwar die Möglichkeit, einen weiteren eher ihm zugeneigten Nachfolger zu benennen. Aber die Mehrheit bleibt, was sie ist: unabhängig und der Sache verpflichtet. Richtig ist zwar trotzdem, dass der Leitzins ein wenig niedriger stehen könnte oder sogar sollte, was Staatsverschuldung und Immobilienmarkt angeht. Aber richtig ist eben auch, dass das beim Konsum, der ja in den USA auch bei den hohen Zinsen einfach weiter brummte, ein gefährliches Signal auslösen würde. Und diesen Geist dann in die Flasche zurück zu bekommen, würde schwierig. Fazit:

Der Leitzins könnte tiefer sein, aber wäre er so tief, wie es Mr. Trump gerne hätte, dürfte der verzögerte, aber deswegen eben nicht ausbleibende Zoll-Effekt dafür sorgen, dass man ihn in einem halben oder dreiviertel Jahr hurtig und drastisch wieder anheben müsste. Die „Fed“ ist vielleicht ein bisschen zu zögerlich, aber unter dem Strich weiß sie besser, was sie zu tun hat, als der Präsident.

Trumps Attacke auf die Pharmakonzerne – klappt das?

Am Donnerstag platzte Donald Trump der Kragen. Er forderte zahlreiche große Pharmakonzerne auf, binnen 60 Tagen geeignete Maßnahmen vorzulegen, die dazu führen, dass die Medikamentenpreise in den USA nicht höher sind als die in anderen Industrienationen. Und hier auf die Barrikaden zu gehen, ist richtig. Es gibt in den USA, anders als z.B. bei uns, keine Regulierung für Medikamentenpreise, die können die Hersteller in den USA so hoch setzen, wie sie wollen. Das ist in einem Land, in dem viele keine Krankenversicherung haben und wenn, diese dann wegen derart teurer Medikamente immer weniger bezahlbar ist, fatal.

Nun war das schon immer so, aber deswegen ist es noch lange nicht richtig. Mr. Trump versuchte bereits in seiner ersten Amtszeit … und nicht als erster Präsident … diesen Spuk zu beenden. Aber die Pharmalobby ist extrem stark. Sie wird einwenden, dass dann nicht mehr genug Geld für die Entwicklung neuer, wichtiger Medikamente da wäre und das dann die Schuld des US-Präsidenten sei. Man wird einwenden, dass das viele, viele Jobs kosten würde, weil die Milliardengewinne dann kleiner ausfallen und das dann ebenfalls die Schuld des US-Präsidenten sei. Wie immer.

Börse aktuell: Entwicklung der größten US-Pharmaaktien und des Dow Jones im Vergleich in der Woche 28.07. bis 01.08.2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der größten US-Pharmaaktien und des Dow Jones im Vergleich in der Woche 28.07. bis 01.08.2025 | Quelle: marketmaker pp4

Ich für meinen Teil würde die Reaktion vieler Pharma-Aktien am Freitag daher lieber nicht als Aufforderung zum Kauf ansehen. Viele taten genau das, wie der vorstehende Chart zeigt, weil sie sicher sind: Die Pharmalobby wird das Kind schon schaukeln.

Aber wenn jemand das durchboxen könnte, dann Trump, gerade wegen seiner eigentlich fatalen Eigenschaft, alleine zu entscheiden, sich um Berater und Gesetze wenig bis gar nicht zu kümmern und einfach zu befehlen, was er für richtig hält. Es könnte daher wirklich klappen. Und das macht klar: Nicht alles ist einfach schwarz oder weiß.

Aber unter dem Strich bleibt, dass die Art und Weise, mit der US-Präsident Trump regiert, nicht Folge oder gar Lösung von Problemen ist, deren Existenz jetzt langsam doch wieder vom Aktienmarkt wahrgenommen wird, sondern oft ihre Ursache. Niemand kann alles wissen. Deswegen muss man delegieren und zuhören, vertrauen und sich ggf. auch zurücknehmen können. Mr. Trump kann und/oder will nichts von alldem … und das wird die Börsen vermutlich in einen heißen Herbst führen.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Der Giftkelch mit US-Einfuhrzöllen von 30 Prozent ist also jetzt an der EU vorübergegangen, es gelang am Sonntag, eine mit Japan vergleichbare Einigung zu erzielen, die einen Standard-Zoll von 15 Prozent vorsieht. Aber ich habe den Eindruck, dass der Kelch jetzt zwar kleiner ist, Gift ist aber dennoch drin.

Bislang hat die Trump-Methode ja tadellos funktioniert: Etwas Unglaubliches androhen, dann einen auf Verhandlungsbereitschaft machen, bei Widerstand ein vorher versöhnlich wirkendes Angebot wieder in die Gefahrenzone bugsieren (das waren die 50 Prozent, die er der EU kurzzeitig angedroht hatte), danach die Latte senken, aber unangenehm hoch lassen (30 Prozent), um sich dann wie im Basar auf etwas Niedrigeres zu einigen (15 Prozent).

Auf diese Weise wird der Gegenseite suggeriert, man sei doch prima davongekommen. Dass damit jetzt dennoch deutlich unangenehmere Handelsbedingungen mit den USA existieren als zuvor und diese im Raum stehende Zahl von 15 Prozent ja nicht alles ist, was man hinnehmen muss, geht da leicht unter. Beispiel Japan:

Der Tokioter Leitindex Nikkei 225 sprang letzte Woche förmlich aus den Schuhen, als Trump gönnerhaft „nur“ 15 Prozent Zoll verhängte und nebenbei noch ein paar Hundert Milliarden an Investitionen in den USA verlangte, von deren Gewinnen dann aber 90 Prozent den USA gehören sollen. Und 100 Boeing-Flugzeuge solle man kaufen und den Markt für US-Güter öffnen, z.B. für Autos oder Reis. Da lief es vorher wohl nicht so … seltsam. Hätten viele nicht nur auf diesen Zoll gestarrt, der für Japan damit von angedrohten 25 auf 15 Prozent gesenkt wurde und den Eindruck vorgaukelte, das sei jetzt eine ganz hervorragende Sache, wäre der Index ganz sicher nicht derart gestiegen, wie es der folgende Chart zeigt.

Börse aktuell: Entwicklung Nikkei 225 von Juli 2024 bis Juli 2025 - Reaktion auf den Deal USA / Japan | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nikkei 225 von Juli 2024 bis Juli 2025 – Reaktion auf den Deal USA / Japan | Quelle: marketmaker pp4

Und ab jetzt herrscht Friede? Ich weiß nicht recht …

Zumal ich einen Gedanken in den Raum stellen möchte: Was Donald Trump da tut, könnte man durchaus Erpressung nennen. Angenommen, Ihr Arbeitgeber steht plötzlich in der Tür und erklärt: Hör zu, o geschätzter Mitarbeiter, ich möchte, dass du ab sofort nicht 40, sondern 60 Stunden arbeitest, denn ich finde, ich bekomme für mein Geld einfach zu wenig. Und der wäre dann nach ewigen Verhandlungen bereit, auf 50 Stunden herunterzugehen, wenn Sie dafür auf zehn Prozent Gehalt verzichten … würden Sie dann jubelnd des Abends um die Häuser ziehen? Und hätten Sie zudem dann das Gefühl, jetzt sei alles geklärt und Ihr Chef wird nicht nächstes oder übernächstes Jahr die gleiche Nummer abziehen, um noch mehr aus Ihnen herauszuholen?

In Bezug auf die derzeitige US-Regierung wäre ich da jedenfalls nicht sicher, dass da nicht irgendwann erneut Ärger ins Haus steht. Denken wir nur daran, wie sich Trump in seiner ersten Amtszeit beschwerte, China halte sich nicht an die Vereinbarungen und würde viel weniger US-Waren kaufen als zugesagt. Und auch zuletzt hatte er ja in dieser Hinsicht diverse Posts losgelassen. Nein, wirklich sicher sein, dass jemand, der so vorgeht, jetzt ein verlässlicher und fairer Handelspartner sein wird, kann man nicht.

Das sind keine „Peanuts“, um die es da geht

Aber zu unserem „Deal“: Davon mal abgesehen, dass der ja erst von den Mitgliedsländern angenommen werden muss, hat man, wie bei Japan auch, bislang keine Details zu einem konkreten „Wie“, „Wann“ und „Was“. Es stehen wie üblich nur ein paar Zahlen im Raum:

Für 750 Milliarden US-Dollar soll die EU aus den USA Energie kaufen. Trump hatte ja schon in „Turn One“ immer wieder darauf hingewiesen, dass die USA doch viel schöneres und besseres Erdgas hätten als die Russen. Jetzt wird er es also los. Zudem solle die EU 600 Milliarden US-Dollar mehr in den USA investieren als zuletzt. Da die EU selbst nicht investieren kann, müsste man das irgendwie in der Privatwirtschaft forcieren. Wie schon im Fall Japan frage ich mich: wie? Wird dann ausgelost, wer „drüben“ eine Fabrik hinstellen muss? Man kann ja – eigentlich – kein Unternehmen zwingen. Zumal bislang unklar ist, von welchem Zeitraum wir da sprechen. Einmalig über den Zeitraum eines oder mehrerer Jahre? Oder soll das mit dem Mehr an Energie-Käufen und Investitionen eine regelmäßige Sache sein?

Dem DAX helfen dürfte es an der Börse aktuell zwar erst einmal, dass unter den Hut dieser 15-Prozent-Einigung auch die Automobile kommen. Wobei man dort zwar unterstrich, dass auch 15 Prozent zu viel seien. Aber weniger war eben nicht drin. Ungut ist, dass Mr. Trump erwähnte, dass der Pharmabereich nicht Teil der Einigung sei. Außerdem, was aber weltweit für alle gilt, bleibt es bei den sportlichen 50 Prozent Einfuhrzoll auf Stahl und Aluminium, was aber vermutlich die US-Industrie mehr unter Druck setzen wird als die Produzenten im Rest der Welt.

Von „Peanuts“ reden wir da auf jeden Fall nicht. Die EU exportierte letztes Jahr Güter für 531 Milliarden Euro in die USA. Und das gesamte Bruttoinlandsprodukt der EU betrug 2024 knapp 18 Billionen Euro. Da sind die – Energiekäufe und US-Investitionen zusammengenommen – 1,35 Billionen, die die USA jetzt als monetäre Beilage zu ihren 15 Prozent Einfuhrzoll abgegriffen haben, wirklich nicht „Nichts“. Wird man bei Dax und Euro Stoxx 50 angesichts dessen heute genauso begeistert zulangen, wie das in Japan der Fall war?

Börse aktuell: Entwicklung DAX Februar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX Februar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das erinnert irgendwie an Silvester

Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir als EU zwar keine andere Wahl hatten, denn hätte Frau van der Leyen jetzt auf den Tisch gehauen und Mr. Trump in den Senkel gestellt, wäre die Reaktion fatal gewesen. Mit dieser US-Regierung kann man letztlich nur versuchen, den Weg des geringsten Flurschadens zu suchen. Aber ob ein Schierlingsbecher einen halben Liter fasst oder nur Schnapsglas-Größe hat: Beides hat Folgen, wenn man ihn schlucken muss.

Und davon abgesehen, dass es rational knifflig wäre, einen „Deal“ mit Käufen zu feiern, wenn ein Index wie der DAX ohnehin schon auf Rekordhoch steht und diese Einigung von der US-Regierung nur so inszeniert wurde, dass man das Gefühl bekommt, die USA seien uns entgegengekommen, ist die Frage:

Läuft die Party in Bezug auf diese Thematik nicht schon so lange, dass jetzt viele im Stil von „selling on good news“ Gewinne mitnehmen wollen, auf der Gegenseite aber wegen Wochen und Monaten der Vorkäufe die Käufer knapp werden?

Denn bereits seit dem April-Crash wird ja nach dem Motto gekauft, dass das am Ende alles nicht so heiß gegessen wird, als es da nach Trumps „Liberation Day“ mit seiner Zolltafel gekocht wurde. Selbst, wenn man auf diese Straßenhändler-Methodik hereinfallen und das Gefühl haben würde, das sei doch jetzt alles super gelaufen, wäre also die Frage, ob viele ihre Depots an der Börse aktuell nicht längst bis zum Anschlag vollgepackt haben, Fonds inklusive.

Börse aktuell: Entwicklung Euro Stoxx 50 von Oktober 2024 bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Euro Stoxx 50 von Oktober 2024 bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Das erinnert mich irgendwie an Silvester: Man feiert und feiert und feiert, beginnt meist schon um 18 oder 19 Uhr … und wenn es dann endlich soweit ist, sind alle dermaßen satt, angetrunken und ausgelaugt, dass die Party ruckzuck vorbei ist, kaum dass die Ziellinie erreicht wurde. Wird es jetzt womöglich ähnlich laufen?

DAX und Euro Stoxx 50 müssen aus ihren aktuellen Handelsspannen nach oben ausbrechen und auch darüber bleiben. Dann kann es etwas werden mit diesem kollektiven Gefühl, dass „weniger schlecht“ und „gut“ das gleiche sind … immerhin basiert so ziemlich alles an der Börse auf der subjektiven Interpretation dessen, was an Fakten eintrudelt. Sollte das mit dem Ausbruch aber schiefgehen oder ein solcher binnen weniger Tage zum Fehlausbruch werden, wäre das ein Schuss vor den Bug … aber erst, wenn diese Handelsspannen nach unten verlasen wurden, brennt wirklich etwas an. Das wird heute und in den kommenden Tagen spannend!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Dieser Tage beginnt die Phase der Halbjahresbilanzen. Aber es ist auch der Moment, in dem Donald Trumps zweite Amtszeit ihr erstes Halbjahr absolviert hat. Dabei erscheint das Verhalten der Aktienmärkte in Relation zu Trumps Politik seltsam optimistisch was im Rahmen der schleichenden, täglichen Veränderungen weniger auffällt, in einem Vorher-Nachher-Vergleich aber schon. Es ist aber durchaus erklärbar, wenn man weniger darauf schaut, was er tut, sondern wie er es tut.

Im Wahlkampf ebenso wie in den Wochen zwischen der Wahl im November 2024 und seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 verkündete Donald Trump, dass er so viel in allerkürzester Zeit erreichen werde wie noch kein Präsident vor ihm, nicht einmal wie er selbst in seiner ersten Amtszeit. Er wollte den Ukraine-Krieg beenden, den Nahost-Konflikt befrieden, das Handelsbilanzdefizit beseitigen, mehr Arbeit und mehr Einkommen für alle schaffen, die Steuern senken, die Zinsen gleich mit, die Migrationsproblematik lösen und damit in kürzester Zeit ein Amerika schaffen, das seinen Vorstellungen von erstrebenswert entspricht. Wir wissen: Jetzt, nach einem halben Jahr, ist davon fast nichts erreicht worden.

Das können auch die Bullen am US-Aktienmarkt nicht übersehen … zugleich sieht man ein ums andere Mal, wie der US-Präsident sein Amt zur eigenen Bereicherung ausnutzt und fast komplett ohne den US-Kongress regiert, als sei er ein absolutistischer Herrscher. Trotzdem wirkt es, als würde man seitens der Anleger gerade ein für eine Hausse perfektes Szenario handeln. Eines, das bislang nicht existiert und, nüchtern betrachtet, wohl kaum erreicht wird. Wieso ist man am Aktienmarkt an der Börse aktuell derart guter Dinge?

Die Performance der US-Indizes: Gefühlt: grandios. Real: geht so.

Das ist man eigentlich gar nicht, es fühlt sich nur so an. Vor allem, weil der bislang einzige, drastische Kurseinbruch als Folge von Mr. Trumps Vorstellung von Handelspolitik so rasant aufgeholt wurde und sich die Indizes dadurch wieder im Rekord-Terrain bewegen. Denn misst man die Performance ab Amtsantritt am 20. Januar 2025, kommt man für den Dow Jones auf etwa drei, für den S&P 500 auf fünf und für den Nasdaq 100 auf acht Prozent Kursanstieg. Das ist für ein halbes Jahr in Relation zum langjährigen Mittel sogar unterdurchschnittlich. Und nimmt man die Entwicklung ab dem Wahltag, dem 5. November 2024, so kommen da fünf, neun und vierzehn Prozent Plus zusammen. Auch nicht unbedingt grandios … aber es fühlt sich eben ziemlich bullisch an. Die Frage ist:

Börse aktuell: Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Dow Jones während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Wieso sind die Kurse überhaupt nahe am oder auf Rekordniveau, wenn doch Trumps Versprechen, alles ruckzuck zum Besten zu wenden, nicht eingelöst wurden? Sehen wir uns in den folgenden Charts einmal an, wo es überall nicht so läuft, wie es für seine stabile Aktien-Hausse laufen müsste:

Bislang kaum echte Effekte der „Zoll-Strategie“

Eines von Donald Trumps Lieblingsprojekten sind die Zölle. Damit will er erreichen, dass die US-Bürger mehr in den USA hergestellte Waren kaufen, die ausländischen Anbieter vom Markt zurückdrängen und den heimischen Unternehmen Vorteile bieten. Problem dabei: Erstens sind viele US-Hersteller auf Zulieferteile aus dem Ausland angewiesen und/oder haben ihre Produktion seit Jahren im Ausland. Zweitens wirken die Zölle ja letztlich wie eine Steuer, die entweder die US-Importeure oder die US-Verbraucher zahlen. Natürlich weniger, wenn die Exporteure ihre Preise senken würden, um Umsatzeinbußen zu minimieren. Aber das ist – in den Dimensionen, um die es bei diesen Einfuhrzöllen geht – kaum möglich.

Zugleich soll das massive US-Handelsbilanzdefizit verringert, im Idealfall sogar in einen Überschuss verwandelt werden, d. h., dass die USA dann mehr exportieren, statt importieren. Und Trump will mit den Zolleinnahmen den Staatshaushalt entscheidend mitfinanzieren. Bislang zeigen sich da aber keine wirklich vertrauenerweckenden Effekte.

Börse aktuell: Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Handelsbilanz der USA während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Zwar klingt es wie ein gewaltiger Erfolg, wenn die US-Zolleinnahmen im ersten Halbjahr mit 87,2 Milliarden US-Dollar meilenweit über denen des Vorjahres liegen. Alleine im zweiten Quartal nahmen die US-Zollbehörden 50 Milliarden US-Dollar mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Aber 87,2 Milliarden in sechs Monaten stehen, nur als Beispiel-Zahl, einem Schuldenstand des Staates von, Stand Juni, 36,2 Billionen US-Dollar gegenüber. Um das nennenswert zu reduzieren, bräuchte es sehr viele Jahre mit sehr viel höheren Zolleinnahmen. Und auch den Anlegern sollte eigentlich klar sein, dass diese Milliarden aus den Taschen der US-Verbraucher kommen und in das Staatssäckel fließen, nicht aus den Kassen der Hersteller. Und was die Regierung dann mit den Zolleinnahmen tut, muss keineswegs allen US-Bürgern zugutekommen.

Börse aktuell: Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der US-Importe von 2011 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Zudem fällt auf, dass Donald Trump zwar tönte, er habe mit dieser cleveren Strategie das Handelsbilanzdefizit halbiert. Aber die beiden vorstehenden Grafiken machen klar, dass der vorherige Rekord ja letztlich auf seinem Mist gewachsen war, denn da hatten die internationalen Unternehmen bzw. die US-Importeure wegen der absehbaren Zölle so viel wie möglich in die USA geschafft, bevor es massiv teurer würde. Diese Welle an Vorab-Importen zu halbieren heißt dann eben nur, dass jetzt wieder ein Niveau beim Handelsbilanz-Defizit erreicht wurde, was in den Jahren der Biden-Administration normal war. In Trumps erster Amtszeit war dieses Defizit, die obere Grafik zeigt das, übrigens deutlich geringer.

Die US-Verbraucher bleiben vorsichtig, die Trader sind es nicht

Hinzu kommt, dass dieses Zoll-Theater ja noch nicht vorbei ist. Und wann da der Vorhang des letzten Akts fällt, weiß niemand. Aktuell steuern wir auf das Ende der Frist nach der Frist zu. Aber wie sich das alles nach dem 1. August darstellt, weiß man nicht. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung unter den US-Konsumenten, da bewegen wir uns, auch, wenn sich die Gemütslage offenbar vom Tief des Aprils gelöst hat, auf einem Level, das wir zuletzt auf dem Höhepunkt der Corona-Krise und der Phase der damaligen Lockdowns gesehen haben.

Börse aktuell: Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Konsumentenvertrauen während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Und der Konsum als Rückgrat des Wachstums? Zumindest die Umsätze im Einzelhandel kommen nicht so daher, als hätten die US-Bürger jetzt Vertrauen in bald anbrechende, goldene Zeiten gefasst. Zwar war der US-Einzelhandelsumsatz im Juni stärker angestiegen als seitens der Volkswirte erwartet. Aber eine Jahresrate von +3,9 Prozent ist nur Durchschnitt … zumal diese Umsätze nicht inflationsbereinigt sind. Zieht man die Teuerungsrate von offiziell zuletzt 2,7 Prozent ab, bleibt da nichts, das man als nennenswertes Wachstum ansehen könnte.

Börse aktuell: Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung US-Einzelhandelsumsatz von 2016 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Warum Donald Trump so dringend massive Zinssenkungen bräuchte

Das weiß auch der US-Präsident. Und er weiß auch, wie er das ausbleibende Wachstum auf Touren bringen könnte: mit billigem Geld. Würden die US-Bürger wieder spottbillige Kredite aufnehmen können, würde das viel ändern. Mittelfristig zwar keineswegs zum Guten, immerhin sind steigende Schulden ein permanentes Risiko in Schwächephasen der Wirtschaft und treiben die Inflation hoch. Zumal die US-Bürger insgesamt sowieso schon überschuldet sind. Aber um zeigen zu können, dass seine Politik Wachstum erzeugt, braucht er einen Run in Kredite. Und da steht ihm die US-Notenbank derzeit im Weg.

Börse aktuell: Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung der Rendite von US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit während der Amtszeiten von Donald Trump | Quelle: marketmaker pp4

Aber sollte es ihm gelingen, die Kontrolle über die Geldpolitik zu erlangen, hätte er gleich ein ganz anders, noch größeres Problem: Die internationalen Investoren, aber zweifellos auch sehr viele US-Investoren würden zusehen, dass sie ihr Investitionskapital aus dem Land schaffen. Denn in diesen Kreisen weiß man, dass es mit Donald Trumps Sachverstand in Sachen Volkswirtschaft, Fiskal- und Geldpolitik nicht weit her ist, er zugleich aber von Fachleuten keinerlei Rat annimmt.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite und US-Verbrauchervertrauen von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Das alles ist also eigentlich kein Umfeld, in dem die US-Aktienmärkte auf Rekordniveau notieren müssten. Das braucht Wachstum bei den Unternehmensgewinnen, um solide zu sein. Und die Unternehmensgewinne wachsen normalerweise nur – und mittelfristig immer nur – wenn die Verbraucher optimistisch sind und deswegen mehr ausgeben. Das sehen wir auch an dem normalerweise engen Gleichlauf von Verbraucherstimmung und Aktienmarkt. Doch seit Ende 2022 laufen diese beiden Indikationen auseinander … und seit Anfang 2025 besonders stark.

Wie kann das angehen? Wie gelingt es Donald Trump, den Aktienmarkt oben zu halten … was er muss, weil starke Verluste dort und damit Einbußen beim Ersparten vieler US-Bürger den Konsum und mit ihm das Wachstum erst recht drücken würden?

Die bewährten Tricks der ersten Amtszeit funktionieren erneut

Indem er eine Vorgehensweise kultiviert, die er bereits bei seiner ersten Amtszeit eingesetzt hatte, z.B. in Bezug auf den Handelskrieg mit China damals oder den Bau der Mauer an der mexikanischen Grenze:

Er stellt erst einmal eine extreme Drohung in den Raum. Dabei kalkuliert er durchaus eine schockierte Reaktion ein, aber: Dann relativiert er dieses Extrem. Dadurch bekommen die Anleger das Gefühl, es sei etwas ganz Hervorragendes passiert, obwohl er nichts anderes getan hat, als etwas völlig Negatives auf etwas ein bisschen weniger Negatives herunterzufahren. Und er lässt offen, wie es weitergeht, tut so, als gäbe es Deadlines und löst die dann immer wieder auf.

Genau das hat er in Bezug auf die Zölle getan und gibt den Anlegern dadurch das Gefühl, das werde alles in Kürze ganz toll laufen. Zumal er, so wie damals 2017 und fortfolgend mit China, die Trader immer wieder „animiert“, indem er regelmäßig erklärt, herausragende, grandiose „Deals“ würden in allernächster Zeit verkündet. Dass da weit weniger kommt als man hoffen mochte und das, was kommt, oft eher eine Mogelpackung ist: Wen kümmert’s, solange der Trend noch nach oben weist!?

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 von Januar bis Juli 2025 | Quelle: marketmaker pp4

Aber es gibt ein gewaltiges Damoklesschwert bei dieser Trump’schen Strategie: Irgendwann muss er eben wirklich etwas vorzeigen können, das taugt, das rational gesehen eine Verbesserung ist und Wachstum schafft statt Inflation und Sorgen.

Und das kann er nur, wenn genug Handelspartner auf seine Forderungen eingehen, sprich auf die Knie fallen. Wenn genug ausländische und heimische Unternehmen wirklich ihre Produktion in die USA verlegen. Und wenn das Geld billiger wird, sprich er die Leit- und Kreditzinsen nach unten bekommt. Und wer sich von dieser durchaus cleveren Strategie des „vor und zurück“ und des „bald, bald“ zu lösen vermag, dürfte schnell erkennen: So wirklich wahrscheinlich ist es nicht, dass all das so hinhaut. Wir dürfen gespannt sein, was das zweite Halbjahr seines ersten Jahres im „second term“ im Oval Office bringen wird!

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

In dieser Woche wird allerhand geboten sein, vor allem ein Aspekt steht im Rampenlicht: Was passiert am Mittwoch, wenn Trumps 90-Tage-Galgenfrist in Bezug auf seine am 2. April verkündeten, „reziproken“ Zölle endet? Rallye oder Kursrutsch … nichts ist da unmöglich. Eine gute Gelegenheit, wieder einmal auf die „Daten hinter den Kursen“ zu schauen, um abzuklopfen, in welcher Verfassung der Aktienmarkt in diese spannende Phase an der Börse aktuell geht.

Schon am Wochenende war der Nachrichtenticker recht rege unterwegs. Im Weißen Haus orakelt man, was denn nun mit den Zöllen passieren werde: Die „blauen Briefe“ stehen wieder im Raum, in denen Trump anderen Nationen die Handelsbedingungen einfach diktieren will. US-Finanzminister Bessent sagte, er stünde bereit, den US-Notenbankchef zu ersetzen, sofern der Präsident das wünsche. China verhängt Ausschreibungs-Ausschlüsse gegenüber EU-Medizinprodukten, nachdem die EU chinesische Unternehmen von bestimmten, öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen hatte. Und, für mich die spannendste Nachricht: Elon Musk macht ernst und hat mitgeteilt, dass er die „America Party“ als dritte, politische Kraft in den USA gründen werde.

Seit April sind eine Menge Vorschusslorbeeren verteilt worden

Während der DAX zuletzt eher seitwärts lief, damit aber dennoch besser dasteht als der Euro Stoxx 50, haben die US-Indizes sich zuletzt wieder zurückgemeldet und beginnen gegenüber den Euro-Börsen Boden gutzumachen. Zuerst erzielte der Nasdaq 100 einen neuen Rekord, dann der S&P 500. Und der Dow Jones schob sich direkt vor dem „Independence Day“ am vergangenen Freitag in Schlagdistanz, um in Sachen Rekordhoch nachzuziehen.

Börse aktuell: Entwicklung wichtiger Indizes im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung wichtiger Indizes im Jahr 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Angesichts der bestenfalls als „gemischt“ einzuordnenden Konjunkturdaten und dieser hier und heute noch völlig offenen Zoll-Problematik scheint man da eine Menge Vorschusslorbeeren verteilt zu haben. Die Frage ist, ob diese Käufe seit dem April-Kurseinbruch den Markt „intern“ instabil gemacht haben oder ob die Aktienindizes in Bezug auf Daten wie Neue Hochs/Neue Tiefs, Aktien über der 200-Tage-Linie, dem Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV), dem Volumen an auf Kredit laufenden hochspekulativen Derivaten oder dem Verhältnis Verbrauchervertrauen/Kursentwicklung robust genug dastehen, um unliebsame Überraschungen dauerhaft wegzustecken. Schauen wir es uns an.

Zahl neuer 52-Wochen-Hochs: Das passt nicht!

Der folgende Chart zeigt, dass auch der sehr marktbreite New York Stock Exchange (NYSE) Composite Index neue Rekorde erreicht hat. Das wirkt, als wäre der breite Markt insgesamt stark, was bullisch wäre. Wenn man sich den Index aber zusammen mit den Aktien ansieht, die zuletzt den höchsten Stand der vergangenen 52 Wochen erreicht haben, relativiert sich dieses Bild einer „gesunden“ Hausse. Es sind, wir sehen es in diesem Chart, der die letzten neun Jahre abbildet, viel zu wenige. Grund:

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl von Aktien mit neuem 52-Wochen-Hoch an der NYSE von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Anzahl von Aktien mit neuem 52-Wochen-Hoch an der NYSE von 2016 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Je stärker eine Aktie läuft, desto mehr Gewichtung erhält sie in einem Index. Wenn wir ein Bild wie das vorstehende sehen, macht das klar: Es sind nur relativ wenige Aktien, die den gesamten Markt immer höher ziehen, die steigen dafür aber umso stärker.

Das heißt, dass diese Aktien mehrheitlich vermutlich eher teuer bewertet sind und ihre Hausse von weiterhin überzeugend starken Bilanzen abhängig ist. Da wird es in den kommenden Wochen dann zur Nagelprobe kommen, wenn die Ergebnisse des zweiten Quartals einlaufen.

Dabei ist dieses Missverhältnis hierzulande noch deutlich extremer als in den USA. Im Nasdaq 100 liefen immerhin 46 der 100 Aktien im ersten Halbjahr besser als der Index. Beim DAX mit seinen 40 Titeln waren es nur 10!

Aktien über ihrer 200-Tage-Linie: Die Marktbreite fehlt

Das Bild eines Aktienmarkts, an dem wenige Aktien viel am Gesamtmarkt bewegen, einfach, weil sie gegenüber den anderen Titeln ein deutlich höheres Gewicht im Index haben, bestätigt sich auch beim Blick auf den prozentualen Anteil an Aktien, die über ihrer 200-Tage-Linie notieren. Wir sehen im nachfolgenden Chart das Szenario für den US-Aktienmarkt. Als 2021 neue Rekorde erreicht wurden, lag der Anteil der Aktien über diesem wichtigen gleitenden Durchschnitt bei über 70 Prozent, derzeit sind es gerade einmal 50 Prozent.

Börse aktuell: Entwicklung NYSE Composite Index und Aktien oberhalb ihrer 200-Tage-Linie in Prozent von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung NYSE Composite Index und Aktien oberhalb ihrer 200-Tage-Linie in Prozent von 2020 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nun könnte man argumentieren, dass das doch auch bullisch sein könnte, weil damit viele Aktien erst noch durchstarken könnten/müssten. Was in der Tat sein kann, aber nur, wenn das Umfeld das auch unterstützt. Denn in einer Hausse, in der Gier und Hoffnung den Taktstock schwingen, kaufen diejenigen, die das Risiko nicht sehen, gerne das, was alle kaufen: Die „In-Aktien“ wie, bezogen auf die USA, die „Magnificent Seven“ und andere Technologietitel, nicht aber die Breite der Branchen. Das ist also eher ein Warnsignal als ein Grund, noch bullischer zu werden.

Teuer: Das KGV des DAX ist auf gewagten Levels angekommen

Das nachstehend gezeigte KGV des DAX, errechnet als Schnittwert der KGVs der einzelnen DAX-Aktien, ist derzeit ungewöhnlich hoch. 2020 lag es zwar kurzzeitig noch höher. Aber das hatte seinen Ursprung in der Corona-Phase. Die Gewinne der Unternehmen brachen ein, das verzerrte das Bild. Zuerst sank das KGV damals drastisch, weil die Kurse einbrachen, die wegsackenden Gewinne zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gemeldet waren. Als die dann kamen, stieg das KGV, weil die Gewinne, wie auch in Rezessionen normal, drastischer fielen als die Aktienkurse. Heute jedoch …

Börse aktuell: Entwicklung KGV der DAX Aktien von 2010 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung KGV der DAX Aktien von 2010 bis 2025 | Quelle: marketmaker pp4

… haben wir einen Sonderfaktor, der diese teure Bewertung bedingt, der ein Risiko für die Zukunft darstellt und nicht, wie bei Corona, etwas bereits Vorhandenes reflektiert. Auf der einen Seite haben wir hoch bewertete DAX-Aktien, die von den geplanten, hohen Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben profitieren, bei denen die Hausse aber bereits auf mehrere Jahre hinaus ein Best Case-Szenario vorweggenommen hat. Auf der anderen Seite stehen Aktien aus Branchen wie Automobile, Chemie oder Medizintechnik/Healthcare, die zwar nicht allzu teuer bewertet sind, deren Kurslevel aber trotzdem nur dann angemessen wäre, wenn die von vielen erwartete, deutliche Belebung der Nachfrage im zweiten Halbjahr Realität wird. Was indes derzeit alles andere als sicher, um nicht zu sagen fraglich, ist. Gute Nachrichten wären in nächster Zeit daher nicht hilfreich, sondern unbedingt nötig.

Die Zocker ziehen mit: Das ist eher beruhigend

Als die Aktienmärkte nach dem schwachen Inflations-Jahr 2022 wieder anzogen, war in Bezug auf die Aktivitäten der Profi-Trader, die die Sicherheiten für Derivate-Trades, die es bei den Brokern dafür zu hinterlegen gilt, mit Krediten finanzieren, eine auffällige Zurückhaltung zu erkennen. Seit Anfang 2024 steigt das Volumen dieser „Börsenkredite“ aber wieder zügig an. Noch ist zwar der Rekord von Ende 2021 nicht überboten, aber man ist nahe dran. Eigentlich ist ein derart hoher Anteil an hochriskanter Spekulation auf Pump immer ein Warnsignal, aber man kann dieser nachstehenden Grafik auch zwei positive Aspekte abringen:

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 und Kreditvolumen für Derivate-Margins von 2007 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 und Kreditvolumen für Derivate-Margins von 2007 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Zum einen liegt das Volumen dieser Kredite in Relation zum gegenüber 2021 an der Börse aktuell deutlich höheren Kursniveau der großen Aktienindizes relativ niedriger als damals, d.h. die Kredite sind fast genauso hoch, das am Aktienmarkt investierte Kapital ist aber weit größer als 2021. Zum anderen werden hier zwar extrem spekulative Derivate auf Kredit finanziert, aber das erfordert bei diesen Tradern eine eiserne Disziplin in Bezug auf das Kapitalmanagement. Wer hier unterwegs ist, kann sich zu weite Stopps oder gar deren Ignorieren nicht leisten. Das kann helfen, zu exzessive Haussebewegungen ebenso einzugrenzen wie den Spielraum nach unten im Fall eines Kursrutsches.

Unternehmen in Moll, Aktienmarkt in Dur – das endet gerne mal mit Katzenjammer

Ob die Sicht der Kapitalmarktexperten im ZEW-Index, die der Verbraucher im GfK Konsumklimaindex oder die der Unternehmen, die sich im ifo-Geschäftsklimaindex niederschlägt: Derzeit tönt man hier in Moll. Zwar sind zuletzt leichte Verbesserungen aufgetaucht, aber die halten sich in engen Grenzen: Schlecht ist die Stimmung weiterhin … und das gilt genauso für die US-Verbraucher. Normalerweise korreliert die Geschäfts- und Konsumstimmung mit der groben Trendrichtung des Aktienmarkts … und das ist auch logisch, denn:

Börse aktuell: Entwicklung DAX und ifo-Geschäftsklimaindex von 2003 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX und ifo-Geschäftsklimaindex von 2003 bis 2025 im Vergleich | Quelle: marketmaker pp4

Nur, wenn die Unternehmen Wachstum sehen und die Verbraucher nicht nur mehr ausgeben wollen, sondern es auch können und tun, werden die Unternehmen mehr Gewinn erwirtschaften. Und nur, wenn deren Gewinne steigen, ist der Aufwärtstrend ihrer Aktien faktisch unterfüttert. Daher sehen wir im vorstehenden Chart einen ungefähren Gleichlauf zwischen ifo-Geschäftsklimaindex und DAX … bis Ende 2022. Seither hat sich der DAX komplett abgekoppelt, ist also ohne diese entscheidende Basis einer positiven Unternehmensstimmung unterwegs. Das ist hoch riskant.

Fazit: Positive Nachrichten wären nötig, sonst geht das im zweiten Halbjahr schief

Zuletzt gelang es, negative Nachrichten einfach zu ignorieren. Trader, die das fertigbringen, ignorieren dann natürlich auch Warnsignale von Daten, wie wir sie hier gesehen haben. Das kann auch lange funktionieren, aber nie auf Dauer. Und je länger eine solche Phase andauert, in der immer mehr sicher sind, dass der Aktienmarkt gar nicht fallen kann, desto höhere Risiken gehen sie ein. Damit wird das Pulverfass immer voller, die Lunte immer kürzer.

Das zweite Halbjahr, speziell die Zeit zwischen Mitte Juli und Ende Oktober, wäre für ein böses Erwachen durchaus typisch. Nur, wenn nicht große Hoffnungen, sondern solide, positive Nachrichten zeitnah die Nachrichtenticker füllen, ließe sich die Hausse halten … wir dürfen gespannt sein, insbesondere auf die kommenden Tage und das, was da dann aus dem Weißen Haus kommt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Gültigkeit der Analyse: 1 Woche
Erwartung: Neutral
Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Künstliche Intelligenz greift auf eine unglaubliche Menge an Daten zurück, verarbeitet sie in ebenso unglaublicher Geschwindigkeit und kann daraus Schlüsse ableiten, die Menschen schwerfallen oder wofür sie zumindest erheblich länger bräuchten. Das muss doch sicher auch eine perfekte Sache für die Börse sein, denken sich viele. Ist das wirklich so?

Was hat der Junge nur für Flausen im Kopf … ein Spruch, den so mancher vielleicht von seinen Großeltern gehört hat. Ich würde mich nicht wundern, wenn man das in Zukunft über KI-basierte Handelssysteme sagen wird.

Jawohl, solche Programme erfassen Daten schneller als wir. Sie sind schneller in ihren Reaktionen. Und sie erkennen Muster besser. Das Problem ist: Während so etwas z.B. in der Forschung, in der Produktion oder im Straßenverkehr hochinteressant und hilfreich sein kann, ist es mit Mustern an der Börse so eine Sache. Denn die Börse gehorcht ja keinen festen Regeln, so dass eine KI, die „lernt“, dass auf X immer Y folgt, an den Märkten gnadenlos scheitern dürfte. Weil?

Was soll eine KI können … was kann eine KI … und vor allem: Was kann sie nicht?

Weil all das, was an den Börsen passiert, nicht nur einem steten Wandel unterliegt, was die Argumente für Kursbewegungen und die Art angeht, wie sie ablaufen. Denn an veränderte Bedingungen könnte sich eine künstliche Intelligenz schnell und sicher anpassen, das ist ja einer ihrer großen Pluspunkte. Aber dieser stete Wandel entsteht auch auf einer Ebene, die eine KI nicht erreichen kann: Emotionen.

Eine KI soll folgendes können: Die Lage analysieren, daraus ggf. Prognosen ableiten und auf Basis von beidem Vorschläge unterbreiten oder, wenn sie in ein Börsen-Handelssystem integriert ist, Entscheidungen fällen.

Im ersten Moment wirkt es, als wäre die Börse da ein ideales Einsatzgebiet, schließlich geht es um Zahlen bzw. die in Zahlen messbaren Effekte einer Verschiebung von Angebot und Nachfrage. Der Gedanke liegt daher nahe, dass das alles ganz einfach ist:

Wenn x1 passiert, wird darauf y folgen. Ändert sich x1 oft genug, um zu unterstellen, dass das kein Einzelfall ist, sondern sich die Parameter dauerhaft verändert haben, stellt sich die KI darauf ein und ab jetzt agiert sie z.B. mit Käufen, wenn x2 passiert, weil das Gesetz der Serie erwarten lässt, dass jetzt diese Vorlage zu y (z.B. zu steigenden Kursen) führt.  Unterschied zu normalen Handelssystemen: Es passt sich entsprechend dem ständigen Vergleich Ursache – Wirkung selbsttätig an, während ein Handelssystem auf gleiche Parameter auch immer gleich reagiert, bis es aktiv von Menschenhand umgeschrieben wird.

Börse aktuell: Entwicklung S&P 500 - Wie könnte eine KI die Kurse lesen? | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung S&P 500 – Wie könnte eine KI die Kurse lesen? | Quelle: marketmaker pp4

Wenn wir das mal am Beispiel einer Verkehrsmanagement-Software durchdenken, ist das eine ideale Sache. Die KI misst den Verkehrsfluss auf einem Autobahnabschnitt. Sie weiß aus den Daten all dessen, was vorher war, ab welcher Verkehrsdichte oder Ereignissen wie Unfällen verschiedenster Art mit einem Stau zu rechnen wäre und errechnet ständig neu, welche Höchstgeschwindigkeit vorzugeben ist, um den Verkehrsfluss aufrechtzuerhalten. Verändert sich die Basis, indem beispielsweise in der Urlaubszeit mehr Pkw und Pkw mit Wohnwagen im Vergleich zu Lkw unterwegs sind, kann sie das schnell erfassen, in die Berechnung einfließen lassen und damit unter neuen Verhältnissen weiterhin richtige Entscheidungen treffen. Aber an der Börse läuft es eben anders.

Emotionen sind unberechenbar. Das ist so, das bleibt so.

Denn hier haben wir zwar zum einen chart- und markttechnische Elemente, die berechenbar sind. Aber oft werden diese Aspekte in den Hintergrund gedrängt. Kommt es zu überraschenden Ereignissen mit Einfluss auf die Marktteilnehmer, sind es Emotionen, die entscheidend dafür sind, ob und wie stark und über welche Zeitspanne sich Angebot und Nachfrage verändern und so die Kurse bewegen.

Um da wieder das Beispiel des Verkehrsmanagements auf einer Autobahn zu nutzen: Der Verkehrsfluss würde ebenso empfindlich durcheinandergewirbelt, wenn zwar wenige Fahrzeuge unterwegs sind, ein zu großer Teil der in diesem Abschnitt befindlichen Fahrzeuge aber von einer Horde völlig rücksichtsloser Spinner mit extremen Geschwindigkeiten bewegt werden, die alle anderen gefährden und so abrupte Bremsungen oder Ausweichmanöver nach sich ziehen. Die KI kann Idiotie aber nicht „sehen“ und erfassen, sondern würde „lernen“, dass auch bei wenigen Fahrzeugen auf der Strecke Staus und Unfälle entstehen und die Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich senken obwohl das, wenn die Idioten weg sind, nicht nötig wäre.

Emotionen haben es dabei außerdem an sich, nicht einmal für diejenigen, die ihnen gehorchen, vorhersehbar zu sein. Wer in einer sich stetig verändernden Situation auf Basis einer neuen Entwicklung kauft, bewusst nichts tut oder aussteigt, weiß das ja nicht einmal selbst vorher. Allein, weil man nicht einmal einen Tag zuvor wissen kann, was da als neue Entwicklung auftaucht, das eine solche unmittelbare, gefühlsbasierte Entscheidung auslösen wird. Denken wir an diesen von Donald Trump so genannten „Liberation Day“, den 2. April. Dass er da umfassende Einfuhrzölle verkünden würde, wusste man. Aber die Dimension dessen, was da kam, überraschte jeden und provozierte drastische Reaktionen als Ergebnis von Verunsicherung und Angst.

Börse aktuell: Entwicklung DAX - Verluste werden als Kaufsignal interpretiert | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung DAX – Verluste werden als Kaufsignal interpretiert | Quelle: marketmaker pp4

Bleibt ein Teil der Formel unsichtbar, kommt am Ende Unsinn heraus

Was macht eine KI aus Handelstagen wie denen nach dem 2. April? Wie kann ein Computerprogramm, so potent und schnell es auch sein und wie viele Daten es auch zur Verfügung haben mag, zuerst den immer intensiver werdenden Selloff und danach am 9. April den irren Kurssprung so verarbeiten, dass eine vergleichbare Reaktion beim nächsten Mal vorhergesehen und durch Trades gewinnbringend genutzt wird?

Lernt eine KI hier beispielsweise die „TACO“-Regel? Diese vermeintliche Regel, dass Trump zuerst die Backen aufbläst und dann zurückrudert (TACO ist die Abkürzung von „Trumps Always Chickens Out, Trump zieht immer zurück)? Beim Zoll-Rundumschlag war es so. Bei der Eskalation in Bezug auf die China-Zölle war es auch so. Bei seiner Ankündigung, den Notenbank-Chef zu entlassen, war es … bis jetzt … ebenfalls so. Immer brachen die Kurse zuerst aufgrund von Trumps Entscheidungen und/oder Drohungen ein, dann zog er zurück und die Kurse schossen nach oben. Aber wird es auch so bleiben?

Eine KI beobachtet die Datenlage des Umfelds und die Reaktion der Kurse. Nur das kann sie miteinander in Verbindung setzen, weil sie, wie gesagt, Emotionen weder sehen noch messen kann. Ein Kursanstieg lässt nicht erkennen, ob er auf Basis der Angst unerfahrener Zocker, etwas zu verpassen basierte oder im Gegenteil auf fundierten Überlegungen erfahrener Investoren. Aber in ersterem Fall wäre er extrem instabil, in letzterem Fall hätte er ein solides Fundament.

Emotionen sind weder messbar noch sichtbar. Und selbst wenn sie es wären: Wir reden hier von Hunderten Millionen von Menschen, die aktiv am Markt agieren oder nur zuschauen könnten. Wir reden davon, dass jeder einzelne davon subjektive Motive hat, die auf einer wiederum subjektiven Auslegung der Datenlage basieren und die mal in eine emotionale, mal in eine rationale Entscheidung münden. Mal so, mal so.

Solange man das nicht bewusst mit einkalkuliert, sprich nicht versteht, dass kommende Kursbewegungen an den Börsen einfach nie sicher vorhersehbar sind, weil neben Datenlage und Chart- und Markttechnik das unsichtbare, dritte Element der Emotionen zur Formel gehört, wird jeder Versuch, Trading zu „automatisieren“, scheitern. Aber ob KI oder menschliche Trader: Offenbar wird genau das momentan versucht, Beispiel: Die Nachricht des Tages am Freitagabend:

Bad News und der „New Way“, damit umzugehen

Donald Trump empört sich über die Einführung einer Steuer in Kanada, die digitale Dienstleistungen von Unternehmen besteuert, z.B. von Google oder Apple. Er nennt diese Entscheidung „ungeheuerlich“ und entscheidet aus der Hüfte heraus, alle Handelsgespräche mit Kanada sofort zu beenden. Das ist eine ganz kritische Kiste, immerhin belegt sie, dass der US-Präsident weiterhin emotional und alleine entscheidet, ohne auch nur zu erwägen, Experten oder gar die beiden parlamentarischen Kammern einzubeziehen. Und es unterstreicht, dass jedes kleine Lüftchen, das als Gegenwind ausgelegt werden könnte, mit einem Orkan niedergemacht werden soll. Das sind keine guten Aussichten für die Zoll-Problematik insgesamt. Der folgende Chart, der den Nasdaq 100 auf Fünf-Minuten-Basis am Freitag umfasst zeigt, wie die Reaktion am Aktienmarkt ausfiel:

Börse aktuell: Entwicklung Nasdaq 100 - Folgen Anleger dere TACO Regel? | Quelle: marketmaker pp4 | Online Broker LYNX
Entwicklung Nasdaq 100 – Folgen Anleger dere TACO Regel? | Quelle: marketmaker pp4

Deutlich … und kurz. Nur 100 Minuten nach Trumps Statement wurde in der letzten Handelsstunde eine Kaufwelle losgetreten, die fast das komplette Minus wieder aufholte. Eine beunruhigende Nachricht, die auf diese Weise blitzschnell vom „Angesicht der Börse getilgt“ wurde.

Das deutet an, dass immer mehr Akteure diese „TACO-Regel“ als in Stein gemeißelt sehen und immer schneller auf negative Reaktionen hin kaufen. Wodurch dann natürlich auch KI-Systeme „lernen“, dass genau das so sein muss: Negative Nachrichten werden zu Kaufsignalen. Womöglich wird es nicht mehr lange dauern, bis die initialen Verkäufe komplett verschwinden und jede bärische Nachricht sofort eine Kaufwelle auslöst. Dann landen wir bei einer rein charttechnisch orientierten Börse mit Dauer-Hausse.

Konsequenz und echte Intelligenz kontra Tempo und KI … wer gewinnt am Ende?

Das klingt im ersten Moment prima: Dauer-Hausse, egal, was drumherum passiert. Und das womöglich immer schneller, je mehr KI-basierte Handelssysteme da auftauchen und mitmischen. Und ist es nicht völlig egal, ob es sich da dann um extrem „unintelligente“ Systeme handelt, weil sie das Element der Emotionen nicht erfassen und einbeziehen können? Unerfahrene Anleger, die nonstop Geld in passive Investments überweisen, können es ja auch nicht, also „so what“? Wir hätten nur ein Element mehr zu Gunsten der Hausse. Dass die schon jetzt überteuerte Bewertungen und eine Schere zwischen Schein und Sein aufweist, ist dann ja egal … oder?

Das könnte man so sehen, aber man wäre gut beraten im Hinterkopf zu behalten, dass etwas, das lange funktioniert, ohne solide unterfüttert zu sein, keineswegs deswegen für immer gutgehen wird. Zwei Punkte fallen mir da ein, die man bedenken sollte.

Zum einen ist das Geld, das in den Markt fließen kann, nicht unendlich vorhanden. Vergessen wir nicht, dass immer mehr Menschen immer weniger Geld übrighaben. Das schränkt den Zufluss an die Märkte irgendwann ein. Zwar kann man das auch ohne Mittelzufluss eine Zeit lang weiterspielen, indem man Geld in gehebelte Produkte umleitet und so mit dem selben Kapitaleinsatz fünf, zehn oder zwanzig statt einer Aktie bewegt. Aber damit nimmt das Risiko zu, die Rückschlag-Resilienz sinkt.

Zum anderen können weder KI noch unerfahrene Trader, die sich in einer Einbahnstraße zum endlosen Reichtum wähnen, verstehen, wann der Punkt erreicht ist, an dem der überspannte Bogen reißt. Denn das kann er. Zum Beispiel, wenn große Hedgefonds gezielt gegen eine aus ihrer Sicht am Ende angekommene Fahnenstange agieren und massiv Short gehen. Wenn dann in diese Kursverluste hinein von KI-Systemen gekauft wird, wäre das für die Hedgefonds geradewegs ideal, weil sie damit auf nahezu gleich hohen Levels immer größere Positionen aufbauen können, die so lange aufgeblasen werden, bis den KI-Käufen das Geld ausgeht oder sie … denn die Chart- und Markttechnik sind ja üblicherweise Elemente, die KI berücksichtigt … einen zu großen Schwund des Momentums registrieren und umschwenken.

Und auch, wenn man jetzt scheinbar auch im Bereich der künstlichen Intelligenz die TACO-Regel als ehernes Gesetz umzusetzen scheint: KI heißt nicht „nur kaufen“. Ein KI-System kann natürlich … und dann genauso stur und genauso imstande, falsche Dinge zu lernen … auf der Verkäuferseite agieren.

Derzeit hat man den Eindruck, wir sind an diesem Punkt angekommen, an dem auf der Autobahn immer mehr unerfahrene und leichtsinnige Fahrer dahinrasen. Werden sie am Ende besser dastehen, weil ihnen künstliche Intelligenz scheinbar das Denken und Lenken abnimmt? Ich hege hinreichend Zweifel daran, um gerade jetzt besonders aufmerksam und vorsichtig zu fahren.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!

Ihr

Ronald Gehrt

Über den Autor

Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Analysemethode

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.