Es hätte ein so guter Tag für die S&P 500-Bullen werden können. Trump telefonierte Mittwoch mit Putin, gestern mit Xi Jinping, Kanzler Merz war zu Besuch – das hätte die derzeit alles dominierenden Hoffnungen der Trader befeuern können. Dann kam die Sache mit Elon Musk.
Wenn die Kurse fallen, muss man sofort einsteigen, denn am Ende steigen sie höher als zuvor. Diese „Regel“ findet man zwar in keinem Börsenbuch. Und jeder erfahrene Investor würde sich angesichts solcher Ideen die Haare raufen. Aber sehr viele Anleger sind eben nicht erfahren, agieren nach dem „Trial-and-Error“-Prinzip und stellen dabei fest, dass diese Vorgehensweise in den letzten Jahren immer funktioniert hat. Mal besser, mal weniger gut, aber bei Indizes, die in einem Umfeld wie diesem an den bisherigen Rekordhochs kratzen, nachdem es im April einen dramatischen Kurseinbruch gab, liegt der Gedanke nahe, dass es genau so und nicht anders funktioniert.
Zwar haben sich die Gründe, die im April zu diesem dramatischen Ausverkauf führten, bis heute nicht erledigt, im Gegenteil ist zum Zoll-Streit noch das von Donald Trump forcierte Steuerpaket hinzugekommen. Aber viele kennen sich mit Wirtschaft und Politik nicht aus. Für sie sind es die Kurse allein, die die Richtung weisen. Und wenn genug Anleger nicht nur so denken, sondern auch so handeln, steigen diese eben. Da neigt man dann auch dazu, Misserfolge und negative Nachrichten einfach auszublenden oder ins Positive umzudichten:
Nichts beim Telefonat mit Putin erreicht? Macht nichts, das betrifft ja die US-Wirtschaft nicht. Nichts beim Telefonat mit Xi Jinping erreicht, während dieser Donald Trump laut chinesischer Quellen eher hart angefasst hat? Doch, bestimmt, Trump wirkte ja zufrieden und das Wort „Deal“ kam oft. Eher Belanglosigkeiten bei den Gesprächen mit dem deutschen Kanzler? Na, ist doch besser als Streit, Hauptsache, man redet miteinander. Wenn der Trend passt, machen Kurse die Nachrichten und nicht umgekehrt. Und so wunderte es nicht, dass all das den Anstieg des marktbreiten S&P 500 ebenso wenig bremsen konnte wie die schwachen US-Konjunkturdaten der letzten Tage. Etwas anderes bremste dann doch.
Irgendwie ist es einerseits ernüchternd, andererseits amüsant, dass der Anteil an unerfahrenen Anlegern, die auch keinerlei Ambitionen haben, sich Fachwissen anzueignen, in den letzten Jahren so gestiegen ist, dass komplexe wirtschaftliche Risiken kaum jemand versteht oder verstehen will, ein „Rosenkrieg“ aber die Kurse in Bewegung bringen kann. Denn wenn zwei sich streiten, kennt man sich umgehend wieder aus. Und jeder weiß:
Da haben sich gerade der mächtigste und der reichste Mann der Welt entzweit … und allein aufgrund deren immensen Egos wundert es nicht, dass die Sache binnen Stunden ist Groteske eskalierte. Was der eine über den anderen auf „Truth Social“ schrieb und dieser andere wiederum über den einen auf „X“, kann man in der Presse nachlesen. Was für den S&P 500 relevant ist:
Expertenmeinung: Erstens eliminierte das den Bonus, den man der Tesla-Aktie wegen Musks Nähe zu Trump zubilligte, komplett. Was bleibt, ist die Firma von einem, der jetzt wohl fast überall in Ungnade gefallen ist und die an einem massiven Absatzproblem leidet. Zudem schrieb Trump unter anderem, dass man doch wunderbar Geld sparen könne, wenn man all die Verträge und Unterstützungen der Regierung für Tesla streichen würde. Da Tesla in allen Indizes ziemlich hoch gewichtet ist, war der drastische Ausverkauf, den dieses Gezänk bei der Aktie auslöste (-14,27 Prozent) ein Grund, warum der S&P 500, der vorher bei jedem kleinen Rücksetzer sofort Käufe sah, am Donnerstag ins Minus rutschte.
Zweitens unterstrich das, wie emotional und unberechenbar der mächtigste Mensch der Welt agiert. Keine gute Basis für Zollverhandlungen, Fiskalpolitik und Wirtschaftswachstum. Ein solcher Streit, der medial alles andere (eigentlich wichtigere wie den Merz-Besuch und das Xi-Telefonat) in den Hintergrund drängte, wird allgemein verstanden und wahrgenommen … und sägt am Bild des US-Präsidenten als entschlossener und pragmatischer „Macher“. Es wird den US-Anlegern dadurch schwerer fallen, ihren Optimismus, der sich angesichts der steigenden Kurse (durch eigene Käufe) immer wieder selbst erneuerte, beizubehalten und auch weiterhin blind in jeden Rücksetzer zu kaufen. Solche Ereignisse können wie ein „Black Swan“, der all das, was man zuvor verdrängte, wieder ins Bewusstsein ruft.

Wir sehen im Intraday-Chart des S&P 500 auf Eine-Minute-Basis, dass das sture Kaufen von Abwärtsimpulsen auch am Donnerstag nicht aufhörte. Jeder Abwärtsimpuls im Tagesverlauf führte sofort zu einer Gegenreaktion nach oben, so dass das Minus am Ende charttechnisch noch irrelevant war. Allerdings lagen die Zwischenhochs nach dem gegen 17 Uhr unserer Zeit markierten Tageshoch sukzessiv niedriger. Alle sind also keineswegs der Ansicht, dass man Abwärtsimpulse kaufen und dann stur dabeibleiben müsse.

Der Chart auf Tagesbasis zeigt, worauf es jetzt zu achten gälte, wenn man hier Long ist. Der S&P 500 war gerade dabei, der Gefahr eines Doppeltopps zu entkommen, indem er über die 6.000 in Richtung des bisherigen Rekordhochs bei 6.147 Punkten davonzieht. Jetzt ist er wieder unter das Mai-Hoch bei 5.969 Punkten gerutscht, wenngleich nur leicht.
Wenn es eine Chance gibt, die heutigen US-Arbeitsmarktdaten positiv auszulegen und sich die durch diesen „Rosenkrieg“ weggerutschte Tesla-Aktie erholen sollte, kann der Anstieg in Richtung Rekordhoch durchaus wieder aufgenommen werden. Aber man darf vermuten, dass diese blinde Zuversicht vieler Anleger gestern genug Risse bekommen hat, um einen weiteren Anstieg noch fragiler zu machen als er angesichts der in die Gegenrichtung weisenden Rahmenbedingungen ohnehin ist. Daher sollte man die Chartzone, deren Bruch für die Bullen problematisch wäre, besser nicht aus den Augen lassen.
Es geht um die Supportzone 5.767 zu 5.795 Punkte, in der die Nackenlinie des potenziellen Doppeltopps, das markante Zwischenhoch von Ende März und die 200-Tage-Linie eine Kreuzunterstützung bilden, unter der zwar dann viele denkbare, aber meist eher weit zurückliegende Auffanglinien warten würden. Wenn diese Zone fällt, kann auch der Optimismus zerbrechen, denn wie gesagt: Die komplexe Problematik der US-Wirtschaft mag vielen zu weit weg sein, aber einen „Krieg der Köpfe“ und seine Folgen versteht jeder.
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