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In den USA ebenso wie in der Eurozone gehen die Geldmengen zurück. Ein seltenes Phänomen, das den Gedanken aufkommen lässt, dass auch dem Aktienmarkt das Geld knapper werden müsste. Und wenn kein frisches Geld kommt, sondern welches abgezogen wird, müssten die Kurse fallen. Das klingt im ersten Moment logisch. Aber so ist es nicht.
Der folgende Chart zeigt, dass die Geldmenge M3 in der Eurozone spürbar, in den USA sogar deutlich fällt, insgesamt gesehen mehr als in den letzten Jahrzehnten seit Beginn der gezeigten Datenreihe im Jahr 1986. Weniger Geld im Umlauf … das muss der Börse doch schaden? So einfach ist es nicht, denn Geld ist ja überall „unterwegs“, warum sollte es also ausgerechnet am Aktienmarkt weniger werden? Aber erst einmal der Versuch einer Erklärung, um was genau es bei dieser Geldmenge eigentlich geht.

Was genau ist die „Geldmenge“ eigentlich?
Die Geldmenge ist die Summe an Geld der entsprechenden Währung, die sich außerhalb von Banken befindet. Also beim Staat, bei Unternehmen oder in den Händen der Privathaushalte. Dabei gibt es verschiedene Messgrößen, in denen bestimmte Elemente zusätzlich berechnet werden. Am geläufigsten ist die sogenannte Geldmenge M3, bei der zum Bargeld noch Sichteinlagen, Einlagen mit festgelegter Laufzeit und Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapiere und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren eingerechnet werden.
Das ist alles ziemlich kryptisch. Und ich muss zugeben, dass mir beim Thema Geldmenge schon vor 35 Jahren im Studium der Kopf geraucht und sich das nie geändert hat. Aber falls es Ihnen ähnlich gehen sollte: Sagen wir einfach, es geht im Großen und Ganzen um Geld, das vorhanden und nutzbar ist. Wobei der Punkt, dass es um Geld von „Nichtbanken“ geht, wichtig ist.
Denn daraus leitet sich ab, dass die Geldmenge steigt, wenn die Banken mehr Kredite ausgeben. Immerhin dürfen Banken das Mehrfache dessen, was sie selbst an Geld im Keller haben, als Kredit ausgeben und so aus einem Euro im Umlauf viele Euros machen. Eine alles andere als unproblematische Sache, aber das ist ein anderes Thema. Wenn aber mehr Kredite abbezahlt werden als neu vergeben werden, bedeutet das im Umkehrschluss: Die Geldmenge sinkt.
Der Zusammenhang zwischen Leitzins und Geldmenge
Und dieses Phänomen sehen wir gerade in den USA und der Eurozone. Der nächste Chart zeigt, dass die stark gestiegenen Leitzinsen dafür entscheidend sind. Hier sehen wir, dass Phasen steigender Leitzinsen, die letztlich ja auch Kredite verteuern, dazu führten, dass die Geldmenge entweder deutlich langsamer wächst oder, wie Ende der Achtziger und aktuell, sogar sinken kann. Was nachvollziehbar ist, denn wenn Konsum und Investitionen auf Kredit deutlich teurer werden, wird die Nachfrage nach solchen Krediten sinken.

Und das ist ja auch der Weg, den die Notenbanken gehen: Durch eine Verschärfung der Rahmenbedingungen am Geldmarkt will man die Nachfrage eindämmen und dadurch erreichen, dass die Preise nicht weiter steigen.
Wobei, das sehen wir im Chart Anfang der Neunzigerjahre, später wieder sinkende Leitzinsen müssen nicht zwingend dazu führen, dass die Geldmenge durch eine massiv ansteigende Kreditnachfrage wieder anzieht. Denn natürlich hängt das entscheidend davon ab, ob sich Verbraucher und Unternehmen in einem Gesamtumfeld wiederfinden, das positiv genug ist, um Anschaffungen auf Kredit oder Investitionen in Wachstum zu rechtfertigen.
Das wird auch diesmal die entscheidende Frage sein, sobald sinkende Leitzinsen die Kreditfinanzierung wieder deutlich verbilligen. Aber in welchem Umfeld wir uns dann befinden, kann man nicht absehen, auch nicht, wann die Zinssenkungen beginnen und auf welchem Level sie enden werden. Ein Blick voraus auf Basis früherer Beispiele ist daher nicht sinnvoll … aber auch nicht der Punkt des heutigen Beitrags. Die Frage steht noch im Raum: Bremst eine sinkende Geldmenge den Aktienmarkt aus, ja oder nein?
Die Geldmenge sinkt in den USA und der Eurozone. Aber woanders nicht!
Das kann sie. Aber sie muss es in keiner Weise. Zwar führt ein sinkendes Volumen an umflaufenden Geld, primär durch ein sinkendes Kreditvolumen ausgelöst, zu Druck auf die Wirtschafsleistung. Das war auch so in den USA Ende der Achtiger- und Anfang der Neuzigerjare, wie wir im folgenden Chart sehen, der diese Zeitspanne vergrößert herausstellt. Aber wir sehen hier auch, dass eine sinkende Geldmenge und ein nachgebendes Wirtschaftswachstum den Aktienmarkt, hier repräsentiert durch den marktbreiten S&P 500-Index, nur ein wenig bremste, nicht aber in einen Abwärtstrend beförderte. Wieso nicht? Das hat zwei entscheidende Gründe:

Zum einen werden die Geldmengen ja in den jeweiligen Währungsräumen gemessen. Aber für den Aktienmarkt ist es letztlich egal, wer da kauft, ob jemand innerhalb oder außerhalb des eigenen Währungsraums. Und da fällt auf:
Ja, EZB und US-Notenbank haben Geld „teuer gemacht“, indem sie die Zinsen markant angehoben haben, aber das gilt nicht für Japan, wo man weiter mit einem Leitzins von -0,1 Prozent agiert und noch weniger für China, wo man versucht, die Konjunktur mit einer Verbilligung des Geldes wieder flott zu machen. Dort steigen die Geldmengen M3 bzw. für China M2 … und diese wachsenden Geldmengen können in Sachen Aktienmarkt natürlich auch in Europa und den USA stabilisierend bzw. kurstreibend „einspringen“.
Wichtiger als die Menge des Geldes ist, wohin es fließt
Der zweite wichtige Grund, weshalb der Aktienmarkt durch eine sinkende Geldmenge nicht gebremst werden muss ist: Geld fließt ja nicht gleichmäßig verteilt in die verschiedenen Bereiche wie Investitionen, Konsum, Anleihen, Aktien oder verbleibt als Geld auf dem Konto. Es fließt dorthin, wo es aus Sicht derer, die das Geld besitzen, am lukrativsten angelegt scheint.
Und da haben die stark gestiegenen Leitzinsen nicht notwendigerweise die Wirkung, dass die dadurch viel höheren Renditen am Anleihemarkt Geld dorthin umleiten. Das wäre erst in größerem Umfang zu erwarten, wenn die Investoren mutmaßen, dass die jetzt erreichten Renditen relativ bald wieder sinken. Solange man wie derzeit mehrheitlich vermutet, dass das Hoch zwar durchaus nahe oder sogar erreicht ist, die Zinsen aber relativ lange auf diesem hohen Level bleiben, besteht für die Anleger keine Eile, vermehrt Geld in Anleihen zu investieren.

Zumal die hohen Preise, die ja, auch, wenn die Inflationsraten zurückgehen, bislang hoch bleiben, den Nebeneffekt haben können, dass man weniger konsumiert und weniger investiert. Was zwar die Unternehmensgewinne drückt, aber nicht zwingend die Aktienkurse. Denn ja, im Prinzip sind die Gewinne der Unternehmen der Leitstrahl für den Aktienmarkt. Aber sehr viele Akteure agieren ja mehr emotional als rational … und wenn der Trend der Kurse, so wie momentan, nach oben weist, greift die alte Regel: Geld zieht noch mehr Geld an. Was bedeuten kann (nicht muss, aber kann), dass Geld, das nicht in Konsum oder Investitionen fließt und daher frei bleibt, einfach im Aktienmarkt „geparkt“ wird, so dass dadurch sogar noch mehr Geld in Aktien fließt als sonst.
Es ist also weniger die insgesamt verfügbare Geldmenge, die den Aktienmarkt lenkt als die Entscheidungen der Investoren weltweit, wohin sie ihr Geld lenken. Und solange viele den Aktienmarkt als lukratives Ziel wahrnehmen, wird ihn zumindest eine sinkende Geldmenge nicht ausbremsen!
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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