Die in der Regel am ersten Freitag des neuen Monats anstehende Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten gehört zu den Terminen, an denen die Investoren weltweit hinsehen. Und in der Regel sorgen diese Daten für starke Kursbewegungen, denn sie sind immens wichtig. Sie sind eine entscheidende Basis dafür, wie die US-Notenbank die Konjunkturlage des Landes beurteilt und dadurch auch eine Entscheidungsgrundlage für die Veränderung der Leitzinsen. Starke Arbeitsmarktdaten bedeuten starkes Wachstum. Jedenfalls denkt das die große Mehrheit der Anleger. Denn kaum jemand weiß, wie ungenau und unzuverlässig diese “amtlichen” Zahlen in Wirklichkeit sind.

Berechnungsbasis der US-Arbeitsmarktdaten: Pi mal Daumen

Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher die US-Regierung so schnell weiß, wie viele neue Jobs in einem gerade beendeten Monat geschaffen wurden, wie die Arbeitslosenquote aussieht etc., während man hierzulande dafür deutlich länger braucht? Und wie kommt es, dass die wöchentlich am Donnerstag veröffentlichten Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe, amtlich registriert, auf die Vorwoche blicken und damit oft einen längeren Nachlauf bis zur Veröffentlichung der Zahlen haben als die einen weit größeren Zeitraum abdeckenden Arbeitsmarktdaten selbst? Antwort:

Sie weiß es gar nicht. Sie schätzt bloß. Und das haarsträubend grob!

Die USA brauchen aufgrund des Bevölkerungswachstums Monat für Monat ca. 170.000 neue Jobs, um die Arbeitslosenquote auch nur halten zu können. Und obwohl diese 170.000 mit einem Durchschnitt von 185.000 neuen Arbeitsstellen in den letzten zwölf Monaten (bis Februar 2017) bezogen auf die Menge der Arbeitnehmer insgesamt nur marginal übertroffen wurden, ist die Arbeitslosenrate relativ deutlich von 5,0 auf 4,7 Prozent gefallen. Ein Wunder? Nein, eine fragwürdige Berechnungsweise. Und die funktioniert so:

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Eigentlich sind neu geschaffene Stellen und Arbeitslosenrate ohnehin zwei verschiedene Paar Schuhe. Denn sie werden völlig unabhängig voneinander ermittelt.

Wie die Zahl der neugeschaffenen Arbeitsplätze ermittelt wird

Die Zahl der neu geschaffenen Stellen wird erhoben, indem das Arbeitsministerium Monat für Monat 140.000 Behörden und Firmen aller Größen befragt (die nur ca. eine halbe Million Arbeitsplätze abbilden), ob und wie viele Menschen sie eingestellt oder entlassen haben. Das wird dann einfach auf die gesamte Anzahl der registrierten Arbeitsplätze der USA hochgerechnet – und fertig ist die Zahl.

Dass diese Methode ergreifend ungenau ist, erkennen wir auch daran, dass der von ADP privat ermittelte Arbeitsbericht, der immer zwei Tage zuvor veröffentlicht wird, oft wirkt, als hätte man dort ein völlig anderes Land untersucht. Beispiel: Für den aktuellsten Monat Februar meldete ADP für die Privatwirtschaft 298.000 neue Stellen, die Regierung 227.000. Eine Differenz, die darauf basiert, dass beide, ADP ebenso wie das Arbeitsministerium, eine im Verhältnis zur gesamten Arbeitnehmerschaft zu kleine Zahl an Befragungen durchführt.

Dazu kommen gewaltige Korrekturen. Anfang Januar korrigierte man die Ergebnisse der November-Daten von 178.000 auf 204.000 nach oben. Einen Monat vorher wurden die Daten für Oktober einen Monat nach deren Veröffentlichung mit 161.000 auf 142.000 nach unten korrigiert. Wie viele neue Stellen waren es denn jeweils wirklich? Wir werden es nie erfahren … und die US-Regierung wohl auch nicht.

Die “Work Force” – eine problematische Größe

Kommen wir zur sogenannten “Work Force” als Basisgröße zur Ermittlung der Arbeitslosenrate. Die Zahl der neu geschaffenen Stellen fließt in diese Berechnung übrigens in keiner Weise ein. Wie gesagt: zwei Paar Schuhe.

Die “Work Force” ist die Zahl der für Arbeit “zur Verfügung” stehenden Personen … und diese Zahl sinkt immer weiter. In den letzten zehn Jahren sank die Zahl von 66,5 auf 63 Prozent. Die Gegengruppe der “not in Work Force” befindlichen Bürger ist zugleich kontinuierlich gestiegen. In dieser Gruppe sind zwar z.B. Selbständige oder Freiberufler, aber auch diejenigen, die sich nicht mehr offiziell als arbeitssuchend gemeldet haben, weil sie vom Arbeitsamt weder Geld noch Job erhoffen dürfen. Auch Personen, die nur eine Halbtagsstelle haben und gerne voll arbeiten würden, werden einfach herausgerechnet. Die Zahl derer, die als Berechnungsbasis der offiziellen, zuletzt bei 4,7 Prozent liegenden Arbeitslosenrate herangezogen werden, wird also immer kleiner. Was bedeutet, dass alleine dadurch die Arbeitslosenrate fällt.

Nimmt man diese Klientel wieder in die Berechnung mit hinein, würden aus den 4,7 % Arbeitslosen auf einmal 9,2 %. Diese Zahl wird in der sogenannten U-6-Berechnung wiedergegeben, die übrigens ebenfalls ganz offiziell vom US-Arbeitsministerium veröffentlicht wird, was die Medien aber in der Regel ignorieren. Die folgende Grafik von www.shadowstats.com zeigt diese “U 6” sowie deren eigene Berechnungsgröße, die noch eine weit höhere Arbeitslosequote ausweist, die man aber so extrem nicht stehen lassen sollte.

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Alternative US-Arbeitslosenrate – Quelle: shadowstats.com

Ermittlung der Arbeitslosenrate per Umfrage

Diese “Work Force” ist die Basis zur Berechnung der Arbeitslosenquote. Die andere Seite der Berechnung läuft folgendermaßen: Die Regierung schickt Leute aus, die monatlich 60.000 Haushalte befragen, ob die dort lebenden Personen einen Arbeitsplatz haben. Dieses Ergebnis wird dann auf die gesamten ca. 315 Millionen US-Bürger hochgerechnet. Dabei kommt es nicht selten zu geradezu grotesken Sprüngen, wie man sich anhand der relativ kleinen Gruppe der Befragten denken kann. Zusätzlich problematisch ist, dass diese Angaben nicht überprüft werden, weder die der Unternehmen noch die der befragten Bürger.

Sie sehen: Diese Konjunkturdaten sind alles, nur nicht sattelfest. Sie sind grobe Schätzungen, ungenau, verleiten zu Fehlinterpretationen und haben damit eine höchst zweifelhafte Aussagekraft. Aber:

Misstrauen? Ja. Ignorieren? Nicht ratsam.

Diese Zahlen deswegen als irrelevant abzuschreiben, wäre allerdings nicht ratsam. Denn immerhin nehmen die meisten Anleger diese Daten für bare Münze. Diese Grafik zeigt, wie eng die offizielle Arbeitslosenrate und der Dow Jones in den letzten 20 Jahren korrelieren: Sinkt die Arbeitslosenrate, ist der Dow Jones im Aufwärtstrend.

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Und auch, wenn Präsident Trump nicht Unrecht hat, wenn er diese allgemein verbreiteten Werte (wie gesagt, die höhere und realistischere “U 6” findet man in den Medien eigentlich nie) als verfälscht brandmarkt: Auch die US-Notenbank orientiert sich an diesen Daten in den letzten Jahren und handelt danach, als wären sie ein präzises Bild der Realität.

Wichtig ist aber, für sich selbst im Hinterkopf zu behalten, dass nicht alles so sein muss, wie es scheint. Auch andere Konjunkturdaten weltweit sind bisweilen sehr irreführend, wenn man nur die blanken Zahlen betrachtet, ohne sich den Hintergrund anzusehen. Ein guter Grund, um sich solche Daten ab und zu an dieser Stelle einmal genauer vorzunehmen.

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Offenlegung gemäß § 34b WpHG zwecks möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den im Artikel erwähnten bzw. als Beispiele gezeigten Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.

Hinweis: Grafiken von MarketMaker und www.shadowstats.com

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