Sonntag sollte der letzte Verhandlungstag sein. Wenn es dann nichts würde mit einer Einigung zwischen den Briten und der EU, dann würde man die „australische Lösung“ anstreben, wie Premier Johnson erklärte. Ja, das klingt nach einer Alternative, immerhin benutzte er dabei das Wort „Lösung“. Doch wahr ist: Australien hat mit der EU gar kein Handelsabkommen, d.h. das hätte „No Deal“ bedeutet, nur verbal mit dem Weg „Lösung“ so garniert, dass Unbeteiligte glauben könnten, Boris Johnson hätte eine solche gefunden. Dieser Sonntag ist vorbei, denn da ging es um den 13. Dezember. Und?
Natürlich wird weiterverhandelt, es war zu erwarten. Bei diesem Possenspiel sind bereits derart viele angebliche letzte Termine verstrichen, dass es darauf auch nicht mehr ankommt. Doch verbessert das die Chance auf eine Einigung? Wohl kaum, denn was all die Jahre nicht gelöst wurde, löst auch Zeitdruck nicht, das haben wir ja in den letzten Jahren gelernt. Wobei man sich beim Blick auf die Relation des Britischen Pfunds zum Euro fragen darf, ob das wirklich alle so sehen. Denn obwohl das Risiko, dass Großbritannien ohne Handelsabkommen aus der EU-Zollunion ausscheidet, immer größer wird, zieht der Euro zum Pfund nicht davon.

Die Charts zeigen, dass sich der Kurs weiter in der seit Sommer 2017 bestehenden, breiten Handelsspanne hält. Zuletzt gab das Pfund zwar in Richtung dieser jetzt ignorierten Deadline des 13. Dezember nach, der Preis, den man für einen Euro in britischen Pfund zahlen muss, stieg (die Charts zeigen genau das, d.h. den Preis für einen Euro in britischen Pfund). Aber nachdem am Sonntagabend mitgeteilt wurde, die Verhandlungen würden doch noch weitergehen, kam der Kurs des Euro schon wieder zurück, wobei Euro/Pfund dadurch auch noch an der mittelfristigen Abwärtstrendlinie nach unten drehte. Was hieße:
Den aktuellen Kurs und Chart des Währungspaars EUR.GBP und historische Wechselkurse finden Sie hier.
Es wäre sogar denkbar, dass die seit Monaten verteidigte Unterstützung 0,8863/0,8865 Pfund pro Euro fiele, d.h. der Euro dann sogar deutlicher abwertet, das Pfund aufwertet. Aber wie ist das möglich? Ein größerer Abwärtsimpuls der Euro/Pfund-Relation wäre dann nachvollziehbar, wenn es zu einem für beide Seiten tauglichen „Deal“ käme. Nur dann könnte man unterstellen, dass die britische Wirtschaft nicht immens schwierigen Zeiten entgegensehen würde und die Währung nicht Hand in Hand mit dem Renditeniveau der britischen Anleihen und dem britischen Wachstum unter Druck geriete. So relativ stabil, wie sich das Pfund derzeit präsentiert wirkt es im Gegenteil, als würden die Akteure stur daran glauben, dass zu guter Letzt doch noch ein „Last Minute-Deal“ zustande kommt oder wenigstens der nächste Aufschub gelingt. Aber das ist eine riskante Vermutung.
Momentan wirkt es, als würden die Briten nicht bereit sein, in den Kern-Streitpunkten Kompromisse einzugehen, obgleich sie es sind, die am meisten zu verlieren haben. Und die Wirtschaft der Eurozone braucht eine klare Entscheidung, vor allem jetzt, da die Pandemie-Beschränkungen die Lage ohnehin schwierig machen. Brüssel müsste einer Verschiebung des Austrittstermins zustimmen, der von Boris Johnson auf den 31. Dezember gelegt wurde (obwohl der Termin von den Regularien her später hätte liegen können). Und man gewinnt den Eindruck, dass einigen Mitgliedsstaaten längst der Geduldsfaden gerissen ist.
Es scheint, als würde man dieses Risiko am Devisenmarkt unterschätzen. Denn wenn die Briten in 15 Tagen ohne Abkommen aus der Zollunion ausscheiden sollten, wäre der Wert des Pfunds klar in Gefahr, d.h. die hier abgebildete Relation Pfund pro Euro könnte kräftig zulegen. Das bisherige Jahres-Verlaufshoch vom März bei 0,95 Pfund pro Euro wäre da womöglich nur ein erstes Kursziel. Denn ohne „Deal“ würde es zu einem Worst Case-Szenario kommen, dem man Ende 2016, als die Akteure bereits fürchteten, die Briten könnten mit dem Austritt wirtschaftlich auf dem Bauch landen, schon einen Abstieg bis 0,9738 Pfund pro Euro zugebilligt hatte. Und damals hätte man sich nicht träumen lassen, zu welche einem Drama sich diese Entscheidung vom Juni 2016 auswachsen würde.

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