Sinkende Kreditzinsen und eine steigende Schuldenaufnahme des Bundes: Die Perspektive für den heimischen Bankensektor wirkt rosig. Zumal man bei der Commerzbank noch die Übernahmephantasie dabei hat. Doch halten die Träume der Bullen der Realität stand?
Die EZB-Zinsen wurden zügig und deutlich gesenkt, Kredite werden dadurch wieder lukrativer, für Private und Unternehmen gleichermaßen. Zugleich muss bzw. will der Bund dreistellige Milliardenbeträge in die Hand nehmen, die er nicht hat. Auch daran werden die Banken mitverdienen. Und die italienische Großbank UniCredit spielt mit dem Gedanken, die Commerzbank zu übernehmen und hat sich dafür bereits in eine gute Position gebracht, indem sie knapp 30 Prozent der Anteile hält, wenn auch mehrheitlich über Derivate. Das wirkt, als könnte man hier mit einer Long-Position gar nichts falsch machen.
Und noch sind die meisten entsprechend investierten Akteure davon offenbar felsenfest überzeugt. Denn gestern wurde gemeldet, dass der Bundeskanzler sich klar gegen eine Übernahme durch die UniCredit ausgesprochen hat. Wobei das eine Übernahme erschwert, die noch nicht einmal sicher geplant ist. Die UniCredit selbst will erst 2026 oder 2027 entscheiden, ob man diese Sache überhaupt angehen will.
Trotzdem wurde die negative Reaktion, welche die Aktie am Dienstag als Folge der Aussagen des Kanzlers um in der Spitze über 3,5 Prozent drückte, umgehend großenteils wieder aufgeholt. Es scheint, dass sich die Bullen sagen: Wenn nicht die Übernahme, dann immerhin die rasant steigenden Gewinne in einem „kreditaffineren“ Umfeld. Gewagt.
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Expertenmeinung: Denn die Hausse der Aktie hat schon viel von dem vorweggenommen, was kommen soll, aber nicht muss. Das Kurs-/Gewinn-Verhältnis liegt aktuell auf Basis der durchschnittlichen Gewinnschätzung der Analysten für 2025 bei etwa 12 – das ist für eine Bank das obere Ende des Normalen. Und das sehen auch die Analysten so. Denn im Zuge dieser Hausse hat die Commerzbank-Aktie nur das aktuell höchste aller Kursziele bei 29 Euro, vergeben von der Deutschen Bank, noch nicht überboten, alle anderen schon. Der Schnitt der Kursziele liegt derzeit bei 23,25 Euro … ein gutes Stück unter dem derzeitigen Kurs.
Hinzu kommt, dass diese Übernahmephantasie auf dünnen Beinen daherkommt. Eine Übernahme lohnt sich dann, wenn man einen sinnvollen Preis für den Zukauf bezahlt. Die UniCredit hat sich zu dramatisch niedrigeren Kursen im vergangenen Jahr „eingekauft“. Warum sollte sie jetzt derart hohe Preise für die Aktien bezahlen? Und würde man die Übernahmepläne, nicht zuletzt, weil der Widerstand des Bundes und der Commerzbank selbst hinzukommt, fallenlassen und diese fast 30 Prozent an Anteilen über Aktien und Derivate abstoßen, um aus der Sache immerhin einen herausragenden Spekulationsgewinn zu ziehen, wäre für die Bullen guter Rat teuer.
Das ist also alles andere als ein risikoloser Weg zu immer höheren Kursen, den wir hier sehen. Wer bei diesem Gipfelsturm dabei ist, sollte also besser angeseilt unterwegs sein, wobei das „Seil“, das halten muss, gut im Chart zu sehen ist: die 20-Tage-Linie. In einem spekulativen Umfeld ist dieser kurzfristige gleitende Durchschnitt oft Leitstrahl der Trader, d.h. im Aufwärtstrend wird, wenn diese Linie getestet wird, gekauft. So auch bei der Commerzbank-Aktie.
Diese Linie verläuft heute bei 26,75 Euro und steigt momentan noch recht zügig. Sollte sie auf Schlusskursbasis klar unterboten werden, wäre es keine Überraschung, wenn dieses „trotzig“ wirkende Aufkaufen problematischer Nachrichten wie die der Kanzler-Aussage am Dienstag auf einmal hektischen Verkäufen weicht, daher: Der Trend ist bislang intakt, aber er hat auf diesem hohen Kursniveau so wenig Fundament, dass man ihm nur mit großer Vorsicht folgen sollte.
