Beiersdorf ist nicht nur Nivea und Tesa, sondern auch ein Lehrstück über Bewertung und Marktmechanismen. Genau das macht die Aktie so spannend.
Eine Anekdote
Es ist schon Jahre her, es dürfte etwa 2018 gewesen sein, aber ich erinnere mich noch ganz genau daran. Damals hatte ich eine längere Diskussion mit einem Fondsmanager, der an dieser Stelle anonym bleiben soll.
Ich hatte mich damals in einem Artikel klar bärisch zur Aktie geäußert und die Frage in den Raum gestellt, warum man für Beiersdorf ein KGV von 30 auf den Tisch legen solle.
Aus meiner Sicht war das weder durch die damaligen Wachstumsraten noch aus irgendeiner anderen Warte gerechtfertigt. Selbstverständlich hat Beiersdorf mit Tesa, Nivea, Labello, Eucerin, Hansaplast usw. eine ganze Reihe von starken Marken im Portfolio und obendrein gilt die Aktie als sicherer Hafen – aber was nutzt das alles, wenn der Gewinn nicht nachhaltig steigt?
Aktienkurse steigen langfristig nur, wenn auch der Umsatz, Gewinn und Cashflow (je Aktie) zulegt.
Daher stagnierte der Kurs nach der damaligen Diskussion auch jahrelang. Erst als der Gewinn von Beiersdorf wieder nachhaltig kletterte, ging es auch mit dem Kurs aufwärts.
Der Fondsmanager war vollkommen anderer Meinung, für ihn war Beiersdorf ein Basisinvestment – doch das ist gar nicht das Interessanteste daran. Denn, nachdem die Diskussion eine Weile weitergegangen war, stellte sich heraus, was die wahren Gründe für seine optimistische Einschätzung war: Er hatte gar keine andere Wahl.
Der von ihm verwaltete Fonds hatte, wie die meisten Fonds, klare Vorgaben und musste einen gewissen Anteil an defensiven Konsumgüter-Werten aus Deutschland halten. Ihm blieb daher gar nichts anderes übrig als Beiersdorf zu kaufen. Im Endeffekt hatte er nur die Wahl, ob der Fonds Henkel oder Beiersdorf hält und wie hoch sie gewichtet werden.
Fehlallokationen als Gelegenheit
Warum erzähle ich ihnen das alles? Nicht um den Fondsmanager oder Fonds im Allgemeinen schlecht zu machen, sondern um aufzuzeigen, welchen Zwängen Großteile der Investmentbranche unterliegen und wie das zu systematischen Fehlallokationen von Kapital führt.
Für Kleinanleger ergeben sich daraus immer wieder Gelegenheiten, denn sie unterliegen nicht diesen Beschränkungen.
Das lässt sich anhand von Henkel beispielhaft aufzeigen. Von Henkel gibt es eine Stammaktie mit Stimmrecht und einer Dividendenrendite von 3,19 % und einem Kurs von 65,15 Euro.
Darüber hinaus gibt es eine Vorzugsaktie ohne Stimmrecht und einer Dividendenrendite von 2,87 % und einem Kurs von 72,44 Euro.
Die Stammaktie ist also günstiger, hat eine höhere Dividendenrendite und obendrein ein Stimmrecht. Kein vernünftiger Mensch würde daher freiwillig die Vorzugsaktie kaufen.
Die Realität ist aber, dass viele Fonds und vor allem ETFs nur die Vorzugsaktie kaufen dürfen, da sie im Gegensatz zur Stammaktie Teil des Dax ist.
Doch kommen wir zurück zu Beiersdorf. Hier hat sich die Lage seit der damaligen Diskussion nachhaltig verändert.
Von 2015 bis 2021 stagnierte das Ergebnis weitgehend und lag bei um die 3 Euro je Aktie, seitdem ist der Gewinn jedoch spürbar gestiegen und das Unternehmen wächst wieder.
Die Lage hat sich komplett verändert
Im letzten Geschäftsjahr ist das Ergebnis um 7 % auf einen Rekordwert von 4,05 Euro je Aktie gestiegen und im laufenden Geschäftsjahr wird ein Plus von etwa 10 % auf 4,45 Euro je Aktie erwartet.
Zuletzt wurde zwar die Prognose gesenkt, doch Beiersdorf erwartet nach wie vor ein Umsatzwachstum von etwa 3 % und eine leicht steigende Profitabilität.
Darüber hinaus hat das Unternehmen im ersten Halbjahr bereits 2,54 Euro je Aktie verdient, was die Hoffnung nährt, dass die Konsensschätzungen erfüllt werden können.
Beiersdorf kommt demnach auf ein KGVe von 20,7. Damit ist die Aktie aus meiner Sicht zum ersten Mal seit 10 Jahren fair bewertet, davor war die Bewertung durchweg zu hoch – im Durchschnitt lag sie bei etwa 30.
Um den Vergleich zu ziehen: Im Jahr 2018 lagen die Wachstumsraten (Gewinn je Aktie) etwa bei null und das KGV bei 30.
Heute liegen die Wachstumsraten bei 7 – 10 % p.a. und das KGV bei 20,7. Aus meiner Sicht ist das Chance-Risiko-Verhältnis daher ungleich besser als damals.
Doch so wird in der Branche nicht gedacht und daher hatte ich eingangs auch die Anekdote erzählt. Statt auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, senken Banken und Researchhäuser gerade jetzt die Ratings, nachdem der Kurs bereits kollabiert ist und nachdem sie all die Jahre zuvor bullisch waren.

Beiersdorf ist in die Nähe der zentralen Unterstützungszone des letzten Jahrzehnts bei 80 – 90 Euro zurückgekommen. Sollte es nicht zu weiteren negativen geschäftlichen Überraschungen kommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass in diesem Bereich das finale Tief ausgebildet wird.
Prozyklische Signale würden hingegen über 95 Euro ergeben.
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