Das Thema von US-Einfuhrzöllen beherrschte die Wochen nach der US-Wahl, das zog sich bis in die vergangenen Tage. Doch jetzt sind sie ja vom Tisch, bis auf China, und da sind es ja nur zehn Prozent, scheinen viele zu denken. Also alles wie zuvor, weiter im Text? Ich denke, dass man sich da erheblich irren könnte. Ein paar Gedanken zum Thema … und warum ich vermute, dass diese Thematik uns noch lange beschäftigen wird.
Erst dachte man, Donald Trump werde das mit den Einfuhrzöllen bleiben lassen, als er sie in seiner Antrittsrede nicht erwähnte. Zumal Gerüchte umgegangen waren, seine Berater würden eher moderate Zölle präferieren und die auch nicht gleich von „Day One“ an. Das war am 20. Januar. Noch am selben Abend erwähnte Trump die Sache aber doch. Und schon wurde man nervös. Nervös, aber nicht bärisch, die Aktienmärkte hielten sich. Zwar hatte der US-Präsident erwähnt, dass er ab dem 1. Februar Einfuhrzölle gegen Mexiko und Kanada und auch gegenüber China einführen werde. Aber es schien, als würden die Anleger das mehrheitlich nicht ernst nehmen, immerhin gab es da schon im Vorfeld immer wieder ein Hin und Her.
Dann kam der 31. Januar: Donald Trump machte ernst, ab Dienstag, den 4. Februar sollten die Zölle also doch genauso wie im Vorfeld avisiert in Kraft treten. Doch nachdem die Aktienmärkte daraufhin am Morgen des 3. Februar (letzten Montag also) mit einem Gap Down aufgemacht hatten, weil diejenigen panisch und offenbar teils unlimitiert verkauften, die Trump untereschätzt hatten, kam es schon wieder anders.

Am Montagnachmittag (europäischer Zeit) wurde gemeldet, die Zölle gegen Mexiko seien für einen Monat zurückgestellt worden. Am Abend dann auch die gegen Kanada. Zölle und Gegenzölle, reißende Lieferketten, steigende Kosten für alle: Alles wieder vom Tisch. Die Zölle gegen China traten zwar in Kraft, China will auch ab heute Gegenzölle verlangen, aber es scheint, als würden sich die Anleger sagen: Das sind doch bloß „Peanuts“, diese zehn Prozent. Außerdem hat Mr. Trump die Zölle auf Eis gelegt, weil Mexiko und Kanada verstärkte Grenzkontrollen zugesagt haben, das ging also ohne wirtschaftliche Zugeständnisse der Länder ab.
Das wird schon alles nicht so problematisch? Ich bezweifle das
Nichts passiert, alles bestens … und so wurde das anfängliche Minus des Zoll-Schock-Tages am vergangenen Montag zügig wieder aufgekauft, bei DAX und Euro Stoxx 50 sogar weit überkompensiert, als sei eine große Last von den europäischen Anlegern gefallen. Immerhin stand Europa noch gar nicht auf der Strafliste, wurde „nur“ erwähnt.
Zwar darf man sich fragen, wie es sein kann, dass eine Erleichterungsreaktion auf neue Hochs führen kann und man vorher nicht erkennen konnte, dass da irgendwer in größerem Umfang verkauft hätte. Aber das ist das Problem derer, die da auf Höhe neuer Rekorde an der Börse aktuell wie Maschinen (oft, weil Handelsprogramme, waren das ja auch welche) weiter gekauft haben. Oder die wie manche US-Fonds, Europa in Erwartung eines massiven Wachstumsschubes weiter übergewichten, von dem wir hier in Europa nicht wissen, woher dieser Schub denn kommen soll. Das soll Thema anderer Kolumnen sein.
Was mich momentan umtreibt ist der sich verbreitende Gedanke, dass das mit den Zöllen gar nicht so schlimm wird und die Aufschübe gegenüber Kanada und Mexiko das beweisen. Ich fürchte, dass man da auf dem falschen Dampfer ist.
Tariff Squeeze: Die Zölle könnten als Dauer-Daumenschraube dienen
Dieses Druckmittel, das Trump sich da erschaffen hat, ist ja keines, das bei Nichtbenutzung zu Staub zerfallen würde. Und es ist eines, das er auch immer wieder intensivieren kann. Und das gegen alles und jeden. Gegen Europa und, wenn man ihm dort querkommt, auch gegen BRICS-Staaten oder gegen Japan, ganz, wie es ihm beliebt.
Die „Zoll-Waffe“ ist und bleibt scharf. Und zwar genau wegen dieser Methode, sie erstmal NICHT zu verhängen. Man tut, was er will: Die Waffe schießt nicht. Dann kommt er wieder und will ein anderes Zugeständnis. Man tut wieder, was er will … die Waffe schießt wieder nicht. Das führt dazu, dass Donald Trump immer mehr Zugeständnisse erzwingt, ohne selbst etwas geben zu müssen und, das ist entscheidend, ohne dadurch die negativen Nebenwirkungen im eigenen Land auszulösen. Wenn jemand von dieser Vorgehensweise profitiert, dann die USA, zumindest vordergründig.
Denn natürlich ist dem US-Präsidenten klar, dass höhere Einfuhrzölle gegen wichtige Handelspartner auch Probleme für die eigene Wirtschaft und Konjunktur nach sich ziehen. Daher zielt er vermutlich bewusst darauf ab, seine Ziele scheibchenweise zu erreichen, um den Widerstandswillen der von Zöllen bedrohten Länder nicht zu schüren. Das kann lange so weitergehen …
… bis Kanada, Mexiko und die anderen an einem Punkt sind, wo sie mit einem umgehenden Zollkrieg weit besser gefahren wären als mit einer endlosen Kette an Zugeständnissen, für die sie nichts bekommen. Und man darf sicher sein, dass die nächsten Forderungen über kurz oder lang mit wirtschaftlichen Aspekten zu tun haben werden. Dann wird es auch die Börse direkt angehen.
Ich persönlich vermute, dass China das erkannt hat und deswegen bewusst auf Trumps Spiel eingestiegen ist, um genau die Folgen in den USA auszulösen, die den Verbrauchern dort klar machen, dass solche Zölle eine sehr problematische Methode sind, wenn man sie wirklich einsetzt. Das muss nicht, kann aber dieses Druckmittel aufweichen. Man wird es sehen.
Aber ich bin ziemlich sicher, dass das Thema Zölle gerade wegen des Umstands, dass Kanada und Mexiko sofort scheinbar harmlose Zugeständnisse zu geben bereit waren, erst richtig losgeht. Und irgendwann ist es den Betroffenen dann sicherlich zu viel, falls Mr. Trump nicht weiß, wann er aufhören sollte (was sehr, sehr schwer einzuschätzen ist, deswegen enthalte ich mich da jeder Prognose). Es scheint, das erkennt man in den USA momentan besser als in Europa. Auf jeden Fall sollte man die Meinungen und Zahlen, die man seitdem zu sehen bekam, besser ernst nehmen, eine kleine Auswahl dazu:
Diese Daten und Meinungen würde ich besser ernst nehmen
Bei JPMorgan hielt man nach der Ankündigung der Zölle gegen Kanada, Mexiko und China (und vor der Stundung der Maßnahme bzgl. Mexiko und Kanada) fest, dass das Risiko bestehe, dass der Politikmix – vielleicht unbeabsichtigt – in eine wirtschaftsunfreundliche Richtung abdriftet. Die geplanten Zölle seien nicht nur höher, sondern auch anders gelagert als das, was man in der unternehmenseigenen Wirtschaftsprognose angenommen habe. Würden die Maßnahmen so umgesetzt (wie es vor der zeitlich limitierten Rücknahme geplant war), würde das weitaus größere Auswirkungen auf die USA haben.

Bei Goldman Sachs berichtete man, dass große US-Einzelhändler wie Walmart, Target und Home Depot versuchen, Druck zu machen, um diese Zölle zu verhindern. Zugleich sei aus Sicht der Investmentbank die Begründung für diese Zölle, vor allem in Bezug auf die Bedrohung durch Fentanyl-Schmuggel aus Kanada, auf Grundlage der verfügbaren Daten fragwürdig.
Die Argumente, so denke ich persönlich, werden auch weiterhin fragwürdig sein, die stete Klage, dass die USA im Rahmen einer freien Marktwirtschaft unfair behandelt würden, weil man viel mehr im- als exportiere, ist an sich schon nicht stichhaltig. Das wird die US-Regierung also zweifellos nicht daran hindern, die „Zoll-Waffe“ weiter zu benutzen.
Eine weitere, hochinteressante Meldung war, dass Goldman Sachs berichtet, dass Hedgefonds in der letzten Januarwoche im Saldo internationale Aktien verkauft und Short-Positionen ausgebaut haben sollen (zur gerade vergangenen Woche gibt es da noch keine Informationen). Dass die US-Indizes bislang nicht oder nicht dauerhaft (Fehlausbruch beim S&P 500) an ihren Hochs vom Dezember vorbeigekommen sind, deutet an, dass die Profis einen Gang heruntergeschaltet haben, was man auch am US-Anleihemarkt sieht … siehe der Chart oben… an dem man vorherige, hohe Erwartungen an 2025 erfolgende Leitzinssenkungen zügig wieder ausgepreist hat.
Und dass nicht nur die Profis die Sache mit Sorge sehen, belegen die am Freitag von der Uni Michigan vorgelegten, aktuellsten Daten zum US-Verbrauchervertrauen. Das Verbrauchervertrauen ist deutlich von 71,1 auf 67,8 Punkte gefallen, damit ist der kurze Stimmungsanstieg nach der US-Wahl komplett dahin, der Level so niedrig wie im August 2024. Wichtiger noch war bei diesen Daten, dass die Inflationsrate, die die befragten US-Bürger für die nächsten zwölf Monate erwarten, von 3,3 Prozent im Januar auf 4,3 Prozent geschnellt ist. Man rechnet also damit, dass die Trump’sche Politik den eigenen Geldbeutel spürbar belasten wird. Das sind Warnsignale, die zu ignorieren aus meiner Sicht äußerst fahrlässig wäre.
Europa hätte dieser Dauer-Daumenschraube wenig entgegenzusetzen
Im Wochenverlauf war zu lesen, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine entschlossene Antwort der EU auf mögliche neue US-Zölle fordere, um sich Respekt zu verschaffen. Ich fürchte, das mit dem Respekt wird nichts. Donald Trump weiß genau, dass das Problem der EU die Notwendigkeit ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er einzelne Länder gezielt mit dem Angebot von Zugeständnissen gelockt, um sie aus dem Kordon herauszubrechen. Das wird er wieder tun.
Europa wäre einer Vorgehensweise in Form einer Dauer-Daumenschraube nicht gewachsen. Wobei man nicht „wäre“, sondern „ist“ schreiben sollte, denn dass die EU über kurz oder lang (eher über kurz) „fällig“ ist, ist zu erwarten. Speziell die Automobilindustrie hat Trump auf dem Kieker. Dass Europa viel mehr in die USA exportiert, als man hier US-Waren haben will, basiert zwar nicht auf mangelnder Fairness sondern – wie immer im freien Handel – auf Qualität und Preis. Aber das interessiert den US-Präsidenten keineswegs, er will einen Ausgleich haben, egal, wie Europa das bewerkstelligt … oder er wird die Zoll-Waffe einsetzen. Zu sagen, man müsse dem entschlossen entgegentreten, ist eine Sache. Es auch zu können, eine ganz andere. Es ist zu befürchten, dass Trump auch die EU mit der Zoll-Keule ausquetschen wird wie eine Zitrone.

Mir scheint, dass man das in Europa gerade unterschätzt. Auch diese US-Fonds, die Europa seit Dezember angeblich wie wild übergewichten, weil sie da große Wachstumschancen auf irgendwelchen Reißbrettern stehen sehen, scheinen das bislang nicht recht ernst zu nehmen. Aber wenn man in den USA, also dort, wo man wenigstens kurzzeitig von einem „Zoll-Händel“ profitieren würde, spürbar vorsichtiger wird, täte man als Investor hierzulande gut daran, sich dieser Vorsicht anzuschließen, wovon aber beim DAX (ebenso wie beim Euro Stoxx 50) bislang aber nicht wenig, sondern schlicht gar nichts zu sehen ist.
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Börsenwoche!
Ihr
Ronald Gehrt
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