Steht MarketAxess am Wendepunkt? Die Märkte unterschätzen, wie stark das Comeback ausfallen könnte.
Gigant in der Krise
MarketAxess ist eine der größten elektronischen Handelsplattformen für festverzinsliche Wertpapiere, also vor allem Anleihen. Gemeinsam mit Tradeweb dominiert das Unternehmen diesen Markt weitgehend.
Trotz dieser starken Position hat die Aktie in den vergangenen Jahren massiv an Wert verloren und notiert rund 70 Prozent unter den Höchstständen. Diese Entwicklung vermittelt den Eindruck eines strukturellen Niedergangs, doch bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der Kursverfall vor allem kurzfristige Faktoren widerspiegelt, während die fundamentale Stärke des Geschäftsmodells weitgehend intakt ist.
Die Gründe für die Underperformance sind durchaus nachvollziehbar. Der Gewinn tritt seit geraumer Zeit auf der Stelle, wodurch die hohe Bewertung nicht mehr zu rechtfertigen war.
Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Vorstand Branchentrends verschlafen hat und das Unternehmen dadurch Marktanteile verloren hat.
Das betrifft hauptsächlich das Thema Portfolio-Trading. Der Portfolio-Handel bezeichnet die gleichzeitige Ausführung eines Korbes von Anleihen in einer einzigen Transaktion zwischen einem Verkäufer und einem Liquiditätsanbieter (z. B. einem Market Maker oder einer Investmentbank).
Die Ursachen des Rückschlags …
Anstatt Dutzende oder Hunderte von Anleihen einzeln über das traditionelle Preisanfrageverfahren (Request for Quote, RFQ) zu handeln, erhält der Investor einen einzigen Nettopreis für den gesamten Korb, was den Handel sehr viel einfacher und transparenter macht.
Darüber hinaus hat der Wettbewerb in den letzten Jahren zugenommen, da Konkurrenten wie Tradeweb die Handelsgebühren gesenkt haben. Da MarketAxess und Tradeweb eine operative Marge von etwa 40 % erzielen, war und ist an dieser Front viel Spielraum vorhanden.
Die Fixierung auf diese Probleme, verdeckt jedoch den Blick auf die strukturellen Stärken und die jüngsten Fortschritte, die MarketAxess wieder in eine stabilere Wettbewerbsposition bringen.
Dass MarketAxess selbst nach Jahren der Probleme und strategischer Verfehlungen noch eine operative Marge von über 40 % erzielt, spricht für sich selbst.
Für den absoluten Großteil aller Unternehmen sind derartige Gewinnspannen nicht mehr als nur ein Traum.
… und wie MarketAxess aufholt
Das Geschäftsmodell von MarketAxess ist breit aufgestellt und zeichnet sich durch verlässliche Einnahmequellen aus. Der größte Umsatzblock sind Transaktionsgebühren, die etwa 70 Prozent der Gesamtumsätze ausmachen. Diese Gebühren basieren direkt auf den gehandelten Volumina und gelten für ein breites Spektrum an festverzinslichen Produkten wie US-Unternehmensanleihen, Eurobonds, Schwellenländeranleihen, US-Staatsanleihen sowie Kommunalanleihen.
Ergänzend erwirtschaftet das Unternehmen feste Vertriebsgebühren von rund 16 Prozent des Umsatzes, die Händler für den Zugang zur Plattform und für die Verteilung ihres Inventars bezahlen.
Eine zusätzliche und stetig wachsende Einnahmequelle bilden die Dienstleistungen, die 14 Prozent des Umsatzes generieren. Dazu gehören Markt- und Preisdaten über proprietäre Preisalgorithmen wie Composite+, Post-Trade-Dienstleistungen für regulatorische Meldepflichten und Abwicklungsprozesse sowie Technologie- und Konnektivitätsdienste, die auch aus Akquisitionen wie RFQ-Hub und Pragma stammen.
Warum der Boom erst bevorstehen könnte
Darüber hinaus wird unterschätzt, wie viel Potenzial der Markt für festverzinsliche Produkte noch hat. Derzeit wird weniger als die Hälfte aller US-Unternehmensanleihen elektronisch gehandelt. Bei Spezialprodukten wie beispielsweise Kommunalanleihen wird der absolute Großteil nicht elektronisch gehandelt. Wie die Lage außerhalb der USA aussieht, dürfte daher klar sein. Der Raum für Wachstum ist daher erheblich.
Den größten Teil des Kuchens werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die größten etablierten Anbieter schnappen, denn es handelt sich um ein typisches Plattform-Geschäft.
Je mehr festverzinsliche Produkte auf der Plattform gehandelt werden können, umso attraktiver wird es für Käufer und Verkäufer. Das zieht immer mehr Kunden an und mit steigender Zahl der aktiven Nutzer, steigt die Attraktivität weiter.
MarketAxess verfügt über eine langjährige Marktführerschaft im institutionellen Handel mit Kreditprodukten und profitiert von einem hohen Vertrauen, das über zwei Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Dieser Vorsprung wird durch proprietäre Daten- und Auswertungstools wie Composite+ weiter verstärkt.
Neue Wettbewerber müssen daher nicht nur technologische Alternativen entwickeln, sondern vor allem kritische Masse erreichen, um vergleichbare Liquidität bereitzustellen, was einen erheblichen Burggraben darstellt.
Die Trendwende nimmt Form an
Die letzten Monate haben gezeigt, dass MarketAxess in die Erfolgsspur zurückgekehrt ist – auch wenn es die Kursentwicklung nicht erahnen lässt.
Im laufenden Geschäftsjahr hat das Unternehmen in allen drei Quartalen die Erwartungen übertroffen.
In Q3 lag der Gewinn mit 1,84 USD je Aktie weit über den Erwartungen von 1,70 USD. Mit einem Umsatz von 209 Mio. USD wurden die Analystenschätzungen von 205 Mio. USD ebenfalls übertroffen.
Auf Jahressicht entspricht das in etwa einem unveränderten Umsatz und Gewinn. Was auf den ersten Blick dürftig erscheint, ist in Wirklichkeit ein Zeichen der Stärke, denn vor allem die US-Kreditmärkte waren in den letzten Monaten von einem deutlich sinkenden Emissionsvolumen geprägt.
MarketAxess dürfte daher Marktanteile gewonnen haben. Darüber hinaus wächst das Geschäft abseits von diesem Bereich mit beachtlichem Tempo.
Im Segment Emerging Markets (Client-Initiated) konnte das Handelsvolumen um 20 % und bei Eurobonds sogar um 58 % gesteigert werden.
Ausblick und Bewertung
Bisher werden diese Erfolge an der Börse ignoriert. Sobald das US-Geschäft die Talsohle durchschritten hat, dürfte sich das jedoch ändern – so läuft es ständig.
Es gibt zahllose Beispiele dafür, wie standhaft sich die Börse der Realität verschließt, vor allem, wenn sich verschiedene Entwicklungen überlagern.
Das erste Beispiel, das mir in den Sinn kommt, ist Oracle.
Dem Unternehmen ist 2022 ein Durchbruch bei Heatwave gelungen, wodurch Oracle im Cloudgeschäft plötzlich wieder in der ersten Liga mitspielen konnte. Ich hatte damals auf Lynx auf diese Entwicklung hingewiesen und etliche Analysen zum Unternehmen veröffentlicht.
Vielleicht wird bei MarketAxess etwas Ähnliches geschehen. Tatsächlich wäre das überhaupt keine Überraschung, denn ich stehe mit dieser Einschätzung nicht alleine da.
Die Prognostiker sind seit geraumer Zeit zu pessimistisch, doch selbst sie erwarten im kommenden Geschäftsjahr einen Gewinnsprung um 10 % auf 8,15 USD. MarketAxess kommt demnach auf eine forward P/E von 19,6. Für ein bestens skalierbares und hochprofitables Plattformgeschäft mit erheblichem Wachstumspotenzial ist das problemlos vertretbar.

MarketAxess bewegt sich seit mehreren Wochen nicht mehr vom Fleck, was ein Hinweis dafür sein könnte, dass die Aktie auf diesem Niveau von Großinvestoren eingesammelt wird.
Gelingt jetzt ein Anstieg über 177 USD, würde das eine Erholung in Richtung 193 oder 200 USD ermöglichen. Darüber würde sich das Chartbild sukzessive aufhellen.
Fällt die Aktie jedoch unter das bisherige Jahrestief bei 156 USD, muss mit weiteren Verlusten in Richtung 150 USD gerechnet werden. Fällt die Aktie darunter, ist die Bodenbildung vorerst gescheitert.
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