Der Dow Jones erreichte neue Rekorde, weil man am Aktienmarkt offenbar sicher ist, dass „Fed“-Chef Powell am Freitag baldige Leitzinssenkungen avisiert hat. Am US-Anleihemarkt mag man dem vielleicht zustimmen … beurteilt die Relevanz einer solchen Aktion aber anders.
Tatsächlich hat Jerome Powell in seiner Rede im Rahmen des jährlichen Notenbankertreffens in Jackson Hole nicht klar gesagt, dass er dafür sei, die US-Leitzinsen in der nächsten Sitzung im September zu senken. Es gab nur einen Hauch einer Tendenz dahingehend, dass er die Risiken eines sich deutlicher als bislang gedacht abschwächenden Arbeitsmarkts etwas höher wertet als das Risiko einer durch Zölle wiederbelebten Inflation.
Powell sagte, dass das Basis-Szenario der Notenbanker, die Entwicklung also, die man derzeit für die wahrscheinlichste hält, eine nur vorübergehende, preistreibende Wirkung der Einfuhrzölle ausweist. Das Problem dabei ist aber, dass man das eigentlich nicht ernsthaft vorher abschätzen kann. 2022 waren „Fed“ und EZB unisono davon ausgegangen, dass die steigenden Preise als Reaktion auf die Logistik- und Produktionsengpässe nach den Corona-Lockdowns nur vorübergehend seien und von alleine verschwinden. Und man lag damit dramatisch daneben. Und was heißt überhaupt „vorübergehend“?
Expertenmeinung: Da man die Inflation zum Vormonat und zum Vorjahresmonat misst, würde, als reines Beispiel, eine Verteuerung der Verbraucherpreise um fünf oder zehn Prozent bis zum Jahresende dann am Ende nächsten Jahres nicht mehr auftauchen. Denn auch wenn die US-Verbraucherpreise zwar dann im Dezember um zehn Prozent höher lägen als im Dezember 2024, wäre, wenn nach diesem Sprung nichts weiter passiert, die Inflationsrate im Dezember 2026 dann wieder niedrig, weil dieser Preissprung über ein Jahr zurückliegt und dadurch aus der Statistik geflogen wäre. Nur: De facto wären die Preise eben immer noch viel höher als vor dem Zoll-Theater und drücken ebenso de facto auf die Geldbeutel der US-Bürger. Diese Form von „vorübergehend“ wäre also keine gute.
Aber eigentlich könnte die US-Notenbank in solchen Situationen durch Veränderungen beim Leitzins sowieso nicht viel ausrichten. Ob der Leitzins einen halben oder ganzen Prozentpunkt höher oder tiefer steht, ist für Unternehmen, die investieren müssen oder wollen, ebenso wie für die Verbraucher das kleinere Problem. Nicht die Zinsen, sondern die Zölle würden die Preise hochtreiben. Und sinkende Leitzinsen bekommen die Preise ja nicht mehr herunter.
Für viele am Aktienmarkt sind Zinssenkungen automatisch bullisch, aber am Anleihemarkt findet man einen drastisch höheren Anteil fachkundiger, versierter Investoren. Und die nur moderate Kurssteigerung bei den US-Staatsanleihen (T-Bonds) mit zehn Jahren Laufzeit am Freitag lässt vermuten, dass man dort drei Schlussfolgerungen gezogen hat:
Erstens ist eine vorsichtige Tendenz hin zu einer Zinssenkung im September noch keine klare Ansage. Zweitens würde ein Leitzins, der von der aktuellen Range von 4,25 zu 4,50 Prozent um einen halben oder sogar in zwei Senkungen um einen ganzen Prozentpunkt sinkt, für die Konjunktur kein „Game Changer“ sein. Und drittens würde eine solche Maßnahme die Gefahr nicht bannen, dass ein schwächerer Arbeitsmarkt und ein mageres Wachstum sich gegenseitig hochschaukeln, während die Preise durch den externen, nicht durch Leitzinsen beeinflussbaren Aspekt der Zölle steigen. Das scheinbar eindeutig bullische Signal, das der Dow Jones am Freitag ablieferte, fand daher hier, bei den T-Bonds, keine Entsprechung. Sie sehen in diesem Chart auf Wochenbasis:

Der Kurs dieser „Zehnjährigen“ bewegt sich weiterhin in einer Dreiecksformation. Es kam am Freitag zwar zu Kursgewinnen, aber nicht so stark, dass die Renditen der T-Bonds nennenswert gefallen wären. Von einem umgehenden Einpreisen einer Zinssenkung kann da keine Rede sein.
Erst, wenn dieses Dreieck mit Schlusskursen über 113 US-Dollar oder unter 110 16/32 US-Dollar klar verlassen wurde, ließe sich unterstellen, dass die erfahrenen Bond-Trader sich für eine Richtung entschieden haben. Die Käufe am Aktienmarkt, die hier eigentlich eine Entsprechung durch einen kräftigen Anstieg der T-Bond-Kurse sehen müssten, laufen also bislang ohne den Geleitschutz des US-Anleihemarkts ab … nicht ganz ungefährlich.
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