Viele Anleger fürchten, KI könnte die Tools von Atlassian überflüssig machen. Dabei wächst das Unternehmen gerade wegen KI schneller denn je.
Angeblicher KI-Verlierer
KI wird ganze Branchen verändern, das hat sie bereits. Einige Unternehmen werden unter die Räder kommen, andere werden einen rasanten Aufstieg erleben. Und bei manchen wird sich herausstellen, dass sie nur vermeintliche KI-Gewinner oder -Verlierer sind.
Dass sich der Markt an dieser Front schon gehörig verschätzt hat, dafür gibt es etliche Beispiele. Das bekannteste ist Alphabet.
Das Unternehmen wurde als KI-Verlierer betrachtet und der Kurs der Google-Mutter dümpelte von April 2024 bis April 2025 vor sich hin. Ich hatte damals in mehreren Analysen ausführlich aufgezeigt, warum Alphabet aus meiner Sicht ein KI-Gewinner ist – inzwischen scheint die Börse meine Meinung zu teilen.
Doch darum soll es heute nicht gehen, es soll nur aufzeigen, wie schnell der Wind drehen kann.
Vielleicht geschieht dasselbe bald auch bei Atlassian.
Atlassian bietet eine Produktpalette zur Teamkollaboration und Softwareentwicklung an, wobei Jira primär als Tool für Projektmanagement und Issue-Tracking dient, um Aufgaben zu planen und nachzuverfolgen. Ergänzend dazu ist Confluence eine zentrale Wissensdatenbank und ein Team-Workspace zur Erstellung, Speicherung und gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten und Informationen.
Das Angebotsspektrum von Atlassian umfasst neben diesen Kernprodukten auch weitere Tools wie Bitbucket (Code-Management) und Trello (visuelles Aufgabenmanagement), um Teams in allen Phasen ihrer Arbeit zu unterstützen.
Schlagworte und simples Denken
Das Unternehmen wird als KI-Verlierer betrachtet. Aus Sicht der Bären werden die Services von Atlassian in Zukunft durch KI-Anwendungen ersetzt. Theoretisch ist das vielleicht möglich, in der Praxis ist das jedoch sehr viel schwerer, als es erscheint.
Es ist natürlich nur eine Anekdote, aber in meiner Arbeitspraxis habe ich bisher exakt null Bestrebungen erlebt, die Produkte von Atlassian zu ersetzen, und ich kann mir auch schwer vorstellen, wie das möglich sein soll.
Den meisten Menschen, die im digitalen Umfeld arbeiten, werden Jira, Confluence, Trello und vielleicht auch andere Produkte von Atlassian ein Begriff sein. Und wer damit arbeitet, der versteht auch, wie diese Tools mit den Arbeitsabläufen verwoben sind.
Eine Umstellung auf ein Konkurrenzprodukt – egal ob KI oder nicht – wäre mit enormem Aufwand verbunden.
Der Mensch ist jedoch träge. Wer will sich schon in ein neues System einarbeiten, wenn das bisherige seinen Zweck erfüllt?
Kosten, Abläufe, Realität: Das KI-Narrativ scheint zu bröckeln
Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Vorteile ein Konkurrenzprodukt überhaupt bieten kann. Hinzu kommt, dass eine KI-basierte Alternative auch nicht kostenlos wäre.
Und selbst wenn es kostenlos wäre, würde sich eine Umstellung dennoch nicht lohnen. Die Kosten für die Einarbeitung in ein neues System übersteigen die möglichen Einsparungen um das Vielfache.
Die Kosten für Confluence liegen beispielsweise je nach Unternehmensgröße bei 5 bis 10 USD pro Monat je Nutzer.
Die möglichen Einsparungen tendieren also gegen Null. Wie hoch dürfte demnach die Motivation sein, um Confluence durch ein Konkurrenzprodukt zu ersetzen?
Selbst wenn Unternehmen an allen Ecken und Enden Kosten einsparen, werden derartige Kostenpunkte so gut wie nie in den Fokus rücken. Das ist zumindest meine Einschätzung, die an der Börse ganz offensichtlich nicht geteilt wird.
Der Stempel als „KI-Verlierer“ scheint schwerer zu wiegen und reicht derzeit aus, um Anlegern jeglichen Mut zu nehmen.
Das hat dazu geführt, dass das Kursgeschehen und die geschäftliche Entwicklung komplett auseinandergedriftet sind.
Atlassian hat im Jahresverlauf durchweg die Erwartungen übertroffen, der Kurs ist jedoch um 37 % eingebrochen. Ausgehend vom Jahreshoch hat sich der Kurs sogar halbiert.
Explosives Wachstum?
Schaut man sich die Zahlen an, fragt man sich, warum. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres, das im Juli begonnen hat, lag der Gewinn mit 1,04 USD je Aktie weit über den Erwartungen von 0,84 USD. Mit einem Umsatz von 1,43 Mrd. USD wurden die Analystenschätzungen von 1,40 Mrd. USD ebenfalls übertroffen.
Auf Jahressicht entspricht das einem Umsatzplus von 21 % und einem Gewinnsprung um 35 %. Der freie Cashflow konnte um 54 % auf 114,6 Mio. USD gesteigert werden.
Vielleicht fehlt mir nur die Fantasie, aber bisher kann ich keine Disruption durch KI erkennen – ganz im Gegenteil.
Die Zahl der Kunden, die KI-Services von Atlassian nutzen, ist im letzten Quartal auf 3,5 Millionen gestiegen. Ein Plus von 50 % – nicht auf Jahressicht, sondern im Vergleich zum vorherigen Quartal.
Dem Vorstand zufolge treibt KI die Nachfrage zusätzlich an, statt sie zu dämpfen. Das zeigt sich beispielsweise dadurch, dass KI-Nutzer ihre Ausgaben schneller erhöhen als Kunden ohne KI-Nutzung.
„We now have over 3.5 million monthly active users (MAU) of our AI capabilities, once again up 50% quarter-over-quarter, and growing by the day. What’s more, we analyzed a cohort of Atlassian customers and found that those using AI code generation tools like GitHub Copilot, Claude Code, Cursor, and Replit expand their paid seats on Jira at a rate that’s approximately 5% higher than those who don’t – even when Rovo Dev is excluded – demonstrating the mission-critical role we play in powering teamwork, business processes, and workflows across all teams in the AI era.“
Ausblick und Bewertung
Der Auftragsbestand zeigt eindeutig, wohin die Reise wohl gehen könnte. Die Remaining Performance Obligations (RPO – Wert der noch nicht realisierten, aber vertraglich zugesicherten Leistungen gegenüber Kunden) konnten im ersten Quartal um 42 % auf 3,3 Mrd. USD gesteigert werden.
Daher wurde die Prognose für das Umsatzwachstum für das laufende Geschäftsjahr von 18 % auf 20,8 % erhöht. Die operative Marge soll auf 25,5 % statt 24 % steigen.
Den Konsensschätzungen zufolge soll der freie Cashflow in diesem Jahr um 24 % auf 6,70 USD je Aktie steigen.
Nach dem starken ersten Quartal erscheint das plausibel, allerdings sollte man wissen, dass Q1 bei Atlassian traditionell eher unbedeutend ist.
Atlassian kommt demnach auf einen forward P/FCF von 22,6. Im Verhältnis zu den vorliegenden Wachstumsraten und den Charakteristiken des Geschäfts ist das wenig. Im langjährigen Durchschnitt lag der P/FCF bei über 50 und am absoluten Tiefpunkt bei 25.
Sollte das Momentum auch im zweiten Quartal anhalten, wäre alles andere als ein Kurssprung eine große Überraschung. Voraussichtlich werden die Zahlen Ende Januar vorgelegt.

Derzeit läuft ein Bodenbildungsversuch nahe der Unterstützung bei 144 USD. Ausgehend von dieser Basis könnte es jetzt zu einer Erholung in Richtung 162 oder 175 USD kommen. Darüber wäre Platz bis 187 USD.
Fällt die Aktie hingegen unter 144 USD, haben die Bullen ihre Chance vorerst vertan. In diesem Szenario ist ein Kursrückgang auf 130 – 135 und möglicherweise sogar 115 USD denkbar.
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