Am Freitag steht die große Abrechnung von Optionen und Futures an den Terminbörsen der Aktienmärkte an. Bislang war erkennbar, dass das Ziel der großen Adressen eine Abrechnung auf maximal hohem Niveau war. Könnte der Nahostkonflikt dieses Ziel auf den Kopf stellen?
Bei den US-Konjunkturdaten pickten sich die bullischen Trader zuletzt einfach die positiven Aspekte heraus; in Sachen Zollverhandlungen sah man bei den Lobpreisungen in Bezug auf angeblich große Fortschritte bei den Gesprächen mit China nicht genauer hin.
Einem „Goldilocks“-Szenario zu folgen, das weder real existiert noch in Kürze zwingend kommen müsste, ist an den Aktienmärkten nicht ungewöhnlich. Solange der Trend nach oben weist, sagt man sich, nicht zu Unrecht: Sicher geht das eines Tages schief. Aber an allen Tagen davor eben nicht. Und mit diesem für Außenstehende eher bizarr wirkenden, aber doch effektiven „Treibstoff“ näherte sich der Nasdaq 100 zuletzt den, das Rekordhoch einschließenden, Topps der Monate Dezember bis Februar.

Und gerade jetzt sieht sich das dominierende, bullische Lager in einer komfortablen Position. Denn in dieser Woche steht wieder einmal die in Aufwärtstrends fast immer zusätzlich kurstreibend wirkende Kombination aus US-Notenbankentscheidung und der Abrechnung an der Terminbörse an. Erstere am Mittwoch, Letztere am Freitag. Und dass die „Fed“ übermorgen keine Zinssenkung vornimmt, hat man bereits auf dem Zettel …. was soll da also schon schiefgehen?
Expertenmeinung: Die unerwartete und heftige kriegerische Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran? Möglich wäre es, sicher ist es nicht, denn:
Da schauen die Trader zunächst auf den Ölpreis. Die geopolitische Situation würde erst dann echte Auswirkungen auf den US-Aktienmarkt haben, wenn die Situation zu einem Flächenbrand würde, der die USA unmittelbar mit hineinzieht. Was den Ölpreis angeht, hatte der am Freitag zwar einen großen Satz nach oben gemacht, nachdem er in den Tagen zuvor bereits auffällig zugelegt hatte. Das wirkt wachstumshemmend und inflationstreibend. Aber viele sagen sich … das läuft wie ein Automatismus: Der kommt schon wieder runter, kein Grund zur Sorge. Was oft auch so ist. Aber nicht immer.
Was so viel heißt wie: Es ist offen, ob sich diejenigen durchsetzen, die auch die Israel/Iran-Kämpfe einfach „wegkaufen“ oder aber diejenigen, die jetzt einen Punkt erreicht sehen, an dem sie sich sagen: Abrechnungstermin hin oder her, wir notierten nahezu am Hoch und versuchen jetzt ein Problem zu viel zu ignorieren … also raus hier, bevor die anderen aussteigen. Es wird davon abhängen, welche Seite heute aktiv wird und ob die Gegenseite dann dagegenhält oder nicht.
Es wäre zwar äußerst hilfreich, wenn man das präziser abschätzen könnte. Aber so ist die Börse in kritischen Situationen eben: ein Nervenspiel, bei dem die Spieler mehr emotional als rational agieren.
Aber dass man nicht vorhersagen kann, wie diese Woche endet, heißt nicht, dass man ohnmächtig bis zu deren Ende die Füße stillhalten müsste. Denn das Chartbild des Nasdaq 100 auf Tagesbasis liefert durchaus Ankerpunkte, an denen man sich orientieren kann:
Die Reaktion auf die Eskalation in Nahost fiel beim Nasdaq 100 am Freitag mit einem Abschlag von 1,3 Prozent zwar relativ moderat aus, dadurch wurde aber trotzdem der Versuch erst einmal abgebrochen, die Widerstandszone 21.945 zu 22.223 Punkte zu überwinden und auf neue Rekordhochs zu laufen. Zugleich kommt dadurch die einzige Supportlinie ins Spiel, die den Index von einem Rücksetzer in die mittelfristig relevante, Mitte Mai zurückeroberte und die 200-Tage-Lnie einschließende Auffangzone 20.292 zu 20.691 Punkte trennt: die 20-Tage-Linie. Damit ist die Ausgangsbasis trotz aller Unsicherheit über die kommenden, emotional befeuerten Entscheidungen der Trader klar:

Um auch auf kurzfristiger Ebene bullisch zu bleiben und die Chance aufrechtzuerhalten, nach oben auszubrechen, muss diese 20-Tage-Linie auf Schlusskursbasis halten. Fällt sie, wäre der Weg nach unten aus charttechnischer Sicht erst einmal frei. Auch dann muss sich zwar erst zeigen, ob sich der Gedanke, ein Risiko zu viel ignoriert zu haben, am Markt wirklich ausbreitet. Aber unterhalb dieses kurzfristigen, gleitenden Durchschnitts wäre die Long-Seite trotzdem auf einmal die riskantere.
