Grundsätzlich ist Vorsicht immer sinnvoll, wenn es um die Börse geht. Denn hier geht es schließlich um Geld. Und bei nicht wenigen Investoren um viel Geld. Da ist besonnenes Vorgehen Pflicht, denn wer hier alles sofort und davon noch viel mehr will, wer immer glaubt, zu wissen, wie es weitergeht, und mit der Brechstange reich werden will, wird ganz schnell zu einem „ehemaligen Investor“. Nein, Vorsicht ist an der Börse eine gute Sache. Und nach dem Haar in der Suppe zu suchen, ist kein Pessimismus, sondern klug. Denn nur wer auch die Risiken sieht bzw. sehen will, erhält ein vollständiges Bild der Lage. Aber:
Gerade in unsicheren Zeiten, in denen die Kursbewegungen manchmal nicht zu den Rahmenbedingungen passen und vieles, was die Börse stark beeinflusst, noch unklar ist, kann jederzeit eine überraschende Entscheidung oder Nachricht für heftige Ausschläge sorgen. In so einer Phase reagiert man schnell übervorsichtig oder „schreckhaft“. Doch es gibt bestimmte Konstellationen, bei denen man gar nicht schreckhaft genug sein kann, bei denen es in der Tat gilt, umgehend erst einmal in die Defensive zu wechseln.
Short-Signale erkennen – So handeln Sie fallende Märkte
Wir stellen Ihnen hier fünf markante Verkaufssignale vor, die konsequent beachtet werden sollten … und die für aktive, risikofreudige Trader zugleich die Chance bedeuten, ihre Gewinne auf der Short-Seite zu suchen. Und wenn Sie da den klassischen Bruch einer Trendlinie vermissen: Hier geht es um besondere Signale, die den Bruch einer Trendlinie an Brisanz übersteigen. Und nicht selten ist es so, dass solche Signale längst den Ausstieg nahegelegt haben, wenn ein Kurs an einer solchen Aufwärtstrendlinie ankommt.
Der gleitende Durchschnitt – Wenn die 200-Tage-Linie bricht …
Die 200-Tage-Linie, d.h. der Kurs-Durchschnitt der letzten 200 Börsentage, ist ein vielbeachteter gleitender Durchschnitt, der von vielen vor allem mittel- und langfristig orientierten Investoren als Scheidemarke zwischen einem bullischen und einem bärischen Gesamtbild angesehen wird. Ist der Kurs über dieser Linie, unterstellt man ein Umfeld, in dem man investiert sein kann. Darunter aber ist man entweder ausgestiegen oder Short. Damit ist diese Linie eine immens wichtige Marke, deren Bruch kräftigen Verkaufsdruck auslösen kann. Aber:
Man muss sich das im Einzelnen genau ansehen. Es gibt durchaus Kursverläufe, bei denen man in der Vergangenheit feststellen kann, dass die Kurse über und unter diese Linie kreuzen, ohne dass das besondere Auswirkungen hatte. Dann ist diese Linie bei diesem speziellen Kursverlauf wenig beachtet worden und als Verkaufssignal im Fall ihres Bruchs auch nicht entscheidend. Aber Vorsicht, wenn Sie Kursverläufe sehen, bei denen glasklar wird, dass diese 200-Tage-Linie aktiv verteidigt wird, so wie hier beim US-Index S&P 500:

Im obigen Chart sehen wir gleich drei Tests dieser 200-Tage-Linie binnen kurzer Zeit. Wenn ein Kursverlauf bullisch ist und wenn die Rahmenbedingungen passen, pflegt ein einziger erfolgreicher Test schon auszureichen, um den bestehenden Aufwärtstrend neu zu beleben. Hier haben wir nicht nur drei Tests in relativ kurzer Zeit, der Index kann sich auch jedes Mal weniger nach oben absetzen. Bei mehrfachen Tests ist die Gefahr besonders hoch, denn:
All diejenigen, die in der Hoffnung auf einen neuen, großen Aufwärtsschub an der 200-Tage-Linie eingestiegen sind, werden ihre Stoppkurse natürlich relativ nahe unterhalb dieser Linie ansiedeln. Wenn diese Linie also bricht, dann kann es alleine durch das Auslösen all dieser Stoppkurse zu einem rasanten, weitreichenden Kursrutsch kommen, denn die Käuferseite wäre, würde diese Linie am Ende eben doch fallen, nahezu verwaist. Wer will schon direkt in ein starkes Short-Signal auf der Long-Seite einsteigen? Man sollte in solchen Situationen extrem vorsichtig agieren. Ideal wären Stop-Loss-Verkaufsorders zur Absicherung, die man in einem Abstand von etwa einem bis zwei Prozent (bei schwankungsintensiven Aktien eher drei bis fünf Prozent) unter der 200-Tage-Linie ansiedelt, um nicht bei einem nur kurzzeitigen Unterschreiten unglücklich aus der Position geworfen zu werden.
Exkurs: Signalen sollte man nicht vorgreifen
Ein wichtiger Aspekt, der auch für alle anderen Signale der Charttechnik gilt: Es ist sehr riskant, seine eigene, subjektive Meinung mit einfließen zu lassen, indem man einem Signal vorgreift, im sicheren Glauben, es werde ohnehin so kommen. Die Erfahrung lehrt, dass es grundsätzlich die bessere Lösung ist, Fakten in Form wirklich entstandener Signale zu handeln und keine subjektiven Meinungen. Was im Beispiel des S&P 500 mit diesen drei Tests der 200-Tage-Linie hieße: Erhöhte Vorsicht wäre da unbedingt ratsam, ein vorzeitiger Verkauf von Long-Positionen, ohne dass die Linie wirklich gebrochen wurde, aber nicht.
Gefahrensignal „Abendstern“
Der Abendstern, engl. „Evening Star“, ist eine der brisantesten Formationen in der Candlestick-Lehre. Die Zuverlässigkeit dieser eine Trendwende nach unten indizierenden Formation ist hoch, vorausgesetzt – das wird oft übersehen – dass sie durch eine weitere rote Kerze nach der Formation selbst bestätigt wird. Wie sieht so ein Abendstern aus?
Nach einer längeren Aufwärtsbewegung (die muss vorliegen) entsteht nach einer grünen/weißen Kerze ein Doji oder zumindest eine Kerze mit sehr kleinem Kerzenkörper, der knapp über dem Kerzenkörper der vorangegangenen, grünen Kerze liegt. Diesem Doji bzw. der kleinen Kerze folgt eine größere rote Kerze. Die „Story“ dahinter: Nach einer Aufwärtsbewegung indiziert der Doji, dass die Schwungkraft der Bullen nachgelassen hat. Die folgende rote Kerze macht deutlich, dass die kurzfristige Kontrolle an die Verkäufer übergegangen ist. Aber Vorsicht:
Alle Candlestick-Formationen haben eigentlich nur eine Prognosereichweite von drei bis fünf Zeiteinheiten. Ein Abendstern auf Tagesbasis muss also keine langanhaltende, weitreichende Abwärtsbewegung indizieren. Aber achten Sie auf solche Abendsterne auf Wochenbasis! Da wird es schon weitaus brenzliger, da spielt sich dieser Prozess des Kontrollverlustes der Bullen und der Übernahme der Marktbeherrschung durch die Verkäufer bzw. die Bären auf einer größeren Zeitebene ab. Und ein solches Signal hätte dann nach entsprechender Bestätigung eben auch eine Prognosereichweite von drei bis fünf Wochen, nicht Tagen. Was übrigens nicht ausschließt, dass die Kurse dann doch länger abwärts laufen.
Ein klassisches Beispiel für einen solchen Abendstern auf Wochenbasis mit entsprechenden Folgen sehen wir hier im Chart der AMD-Aktie (Advanced Micro Devices, der US-Chiphersteller), wo ein solcher Abendstern im Frühjahr 2024 für eine umfassende Abwärtsbewegung gesorgt hatte:

Schulter-Kopf-Schulter Formation: So etwas sollte man nicht ignorieren!
Nicht nur beim Abendstern gilt: Achten Sie auf alle Zeitraster. Prüfen Sie am besten nicht nur Charts auf Tagesbasis auf Gefahrensignale. Wechseln Sie auch auf die Wochenbasis … und vergessen Sie die Monatsbasis nicht. All diese ganz besonders brisanten Verkaufssignale haben eine „Story“, d. h., der Grund für ihre Gefährlichkeit ist logisch herleitbar. Und je länger sich eine gefährliche Entwicklung ausbildet, desto heftiger ist oft die Konsequenz. Dass gerade auf Monatsebene viele große Verkaufssignale übersehen werden, weil immer mehr Marktteilnehmer nur noch auf kurzfristiger Ebene agieren wollen, ändert daran gar nichts. Ein hervorragendes Beispiel für ein von vielen glatt übersehenes „Super-Verkaufssignal“ auf langfristiger Monatsbasis finden wir bei Euro/US-Dollar: eine sich über fast zehn Jahre erstreckende Schulter-Kopf-Schulter-Trendwendeformation.

Hier mag manch einer einwenden, dass es sich da doch gar nicht um eine echte Schulter-Kopf-Schulter-Formation handelt, schließlich hat unsereins ja auf jeder Seite nur eine Schulter. Doch das ist so nicht richtig. Die Zahl der Schultern ist links wie rechts vom „Kopf“ eigentlich beliebig, solange das Grundprinzip stimmt. Und das stellt sich wie folgt dar:
Einem ersten Zwischenhoch folgt ein höheres Zwischenhoch, noch ist da alles hinsichtlich des Aufwärtstrends in Ordnung. Aber die Korrektur nach diesem höheren Hoch führt nicht zu einem nennenswert höheren Zwischentief als zwischen den beiden Hochs, das ist ein Warnsignal. Trotzdem rappeln sich die Käufer noch einmal auf, der Kurs steigt wieder. Aber er kommt nicht mehr an das vorherige Hoch heran. So entsteht dieses Bild, das aussieht wie ein Kopf mit zwei Schultern. Die Dominanz ist den Bullen aus der Hand geglitten … und wenn die Linie, die die beiden Tiefs zwischen den drei Hochs verbindet, gebrochen wird – die Nackenlinie – ist die Formation vollendet.
In diesem Fall von Euro/US-Dollar bäumt sich der Kurs zwar nach der ersten rechten Schulter noch ganze zweimal auf. Aber die markanteren Zwischenhochs liegen immer wieder unter dem jeweils vorherigen … und die Nackenlinie bleibt eine klar umrissene Linie, deren Bruch Ende 2014 zur Vollendung der Formation und dem Abstieg des Euro/US-Dollar-Kurses bis auf im Tief 1,0340 US-Dollar führte. Das ist als Variante absolut zulässig und kommt, vor allem mit mehreren Schultern auf der rechten Seite, gar nicht so selten vor.
Durchgefallen: Wenn Bodenbildungen scheitern
Allerhöchste Vorsicht gilt auch, wenn Bodenbildungen scheitern. Und je länger die Bodenbildungen gedauert haben, desto heftiger geht es gemeinhin zu, wenn ein von vielen als tragfähig angesehener Boden unverhofft doch noch bricht. Ein gutes Beispiel ist der Kursverlauf der HelloFresh-Aktie im November 2025:

Wir sehen hier, dass die HelloFresh-Aktie im August auf dem Tief des Aprils aufgesetzt hatte und diese Chartmarke damit als relevante Unterstützung bestätigte. Es etablierte sich eine Bodenbildungsphase, in deren Verlauf der Kurs noch mehrfach auf dieser Unterstützungslinie aufsetzte und diese verteidigte. Das wirkte solide. Und viele dürften davon ausgegangen sein, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Aktie die Bodenbildung durch einen signifikanten Ausbruch über die mittelfristige Abwärtstrendlinie vollenden würde. Doch damit lag man falsch.
Direkt an dieser Abwärtstrendlinie drehte die Aktie nach unten und rutschte auf den vermeintlich tragfähigen Boden zu. Der wurde noch ein paar wenige Tage verteidigt, aber dann war es vorbei: Als die Zone des vermeintlich tragfähigen Bodens klar gebrochen war, fiel die Aktie schnell auf neue Jahrestiefs.
Das Problem dabei ist, neben den unter dem vermeintlichen Boden liegenden Stoppkursen, die bei dessen Bruch ausgelöst werden und zusätzlichen Verkaufsdruck generieren, vor allem psychologischer Natur: Die Anleger werden mit dem Gegenteil dessen konfrontiert, was sie erwartet haben und reagieren dadurch sehr heftig und emotional. Was auch für das fünfte Beispiel besonders gefährlicher Verkaufssignale gilt:
False Breakouts (Bullenfallen): Nichts wie weg!
Besonders heftige Reaktionen entstehen, wenn eine erhoffte Entwicklung nicht nur greifbar wird, sondern scheinbar bereits eingetreten ist und dann unerwartet doch scheitert. So z.B. die Vollendung einer Bodenbildung, auf die hin Anleger beruhigt und hoffnungsvoll einsteigen. Wird eine solche scheinbar gesicherte Situation unverhofft “abgeschossen”, kommt es zu heftigen Reaktionen. Vorsicht ist da besonders geboten, wenn es zum Überwinden markanter Widerstände vor wichtigen, den Kurs betreffenden Ereignissen kommt. Aber auch innerhalb von langen Abwärtstrends wirken sogenannte “False Breakouts”, die man zu Deutsch einfach “Bullenfallen” nennt, fatal. Denn hier, um es noch einmal zu betonen, gehen die Anleger nicht wie im vorherigen Fall davon aus, dass ein Boden hält. Hier sind sie sicher, dass er seine Tragfähigkeit bereits bewiesen hat und die Bodenbildung längst vollendet ist! Ein Beispiel für einen solchen Fall bietet die Aktie des französischen Luxusgüterkonzerns Kering:

Die Aktie hatte im Herbst/Winter 2025/2025 einen solide wirkenden Boden ausgebildet. Dessen Nackenlinien-Zone wurde im Februar 2025 überwunden, zugleich gelang dadurch der Ausbruch über die wichtige 200-Tage-Linie, im Chart rot, an welcher die Aktie im Januar noch nach unten abgedreht hatte. Das war ein klar bullisches Signal. Aber es endete als „false breakout“, sprich, die Bullen liefen in die Falle. Wobei das durchaus mit Warnsignalen einherging, denn:
Es fiel auf, dass der Kurs zwar diese wichtigen Widerstände überboten und die Bodenbildung dadurch vollendet hatte, dies aber keine nennenswerten, weiteren Kursgewinne nach sich zog. Die Käufer blieben weg – ein markantes Warnsignal, das dazu führte, dass erste, beunruhigte Akteure ausstiegen, Kering wieder unter die Nackenlinie der Bodenbildung fiel und am Ende sogar mit großer Dynamik deutlich unter das Tief der vorangegangenen Bodenbildung abrutschte.
Es ist daher große Vorsicht geboten, wenn der Kurs sich nach dem Ausbruch über wichtige Widerstände völlig “falsch” verhält, indem die eigentlich zu erwartenden Anschlusskäufe ausbleiben, wie es hier, bei der Kering-Aktie, der Fall war.
Erfahren Sie in unserem Interview mit dem Börsenstrategen Ulrich W. Hanke, welche eindeutigen Signale es gibt, aufgrund derer ein Chart nach oben oder nach unten verläuft und wie man diese aktiv für seine Investmentstrategie nutzen kann.
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