Eine US-Notenbankentscheidung ist eigentlich immer für starke Kursbewegungen gut. Aber diesmal erwartete man keine richtungweisenden Entscheidungen, zumal der Fokus auf dem Weißen Haus liegt. Dort müssen Ergebnisse kommen, damit der S&P 500 weiter steigen kann.
Kurzfristig haben sich die Bullen beim marktbreiten S&P 500 ein wenig festgefahren. Zwar sind wichtige Widerstandslinien nach dem vor einem Monat schlagartig in eine Kaufwelle übergegangenen Selloff zurückerobert worden. Aber die richtig schwierigen Widerstände kommen erst noch. Schwierig, weil sie bereits als Widerstände fungiert hatten. Und schwierig, weil der Index jetzt bereits wieder auf einem Level notiert, der vor dem Abverkauf Anfang April galt, bevor Donald Trump in Sachen Zölle mit seinem „Tag der Befreiung“ gleich mehrere Gänge hochgeschaltet hatte.

Zwar wurde da an einigen Stellen zurückgerudert. Aber weder haben Verhandlungen mit der EU noch mit China überhaupt begonnen. Und auf diese beiden Wirtschaftsregionen kommt es eben an. Was auch der „Fed“, der US-Notenbank, klar ist. Weswegen sie nicht nur den Leitzins erneut unverändert ließ, sondern klar auf die gestiegenen Risiken für Wachstum und Arbeitsmarkt hinwies, die diese Zölle verursachen. Aber damit hatte man großenteils gerechnet, weshalb es nach der Entscheidung gestern keine erratischen Kursausschläge gab. Die gab es vorher und nachher, nur eben aus anderen Gründen.
Expertenmeinung: So schoss der S&P 500-Future in der Nacht zum Mittwoch auf einmal nach oben, als gemeldet wurde, dass der US-Finanzminister und Chinas Vize-Premier sich am Wochenende zu Gesprächen in der Schweiz treffen würden. Man reagierte, als sei man damit bereits auf der Zielgeraden in Bezug auf eine Normalisierung des Handels zwischen den beiden Industrieregionen, obgleich der US-Finanzminister betonte, dass es keineswegs um einen „Deal“ gehe sondern man erst einmal sondieren wolle, was machbar scheint und wo im Gegenteil rote Linien liegen.
Zu Redaktionsschluss kurz nach US-Handelsende war noch unklar, wie das Gerücht zu werten ist, Donald Trump wolle alle Beschränkungen für den Export von KI-Chips aufheben, die von der Biden-Regierung verhängt wurden, denn man kann nicht abschätzen, welche neuen Regeln er selbst denn einführen will. Es war ebenso offen, wie drastisch er die Entscheidung der US-Notenbank kommentieren würde, da er ein ums andere Mal gefordert hatte, man solle umgehend die Leitzinsen senken. Und es ist erst recht offen, ob die USA jetzt, da man den Rohstoff-Deal mit der Ukraine in der Tasche hat, wirklich die Vermittlerrolle aufgibt und ggf. auch die Unterstützung der Ukraine beendet.
Es sind all diese offenen Fragen, alle mit einer gehörigen Portion Sprengstoff dahinter, die die Marktteilnehmer umtreiben. Und jetzt, nachdem Hoffnung gekauft hat und in etwa zwei Drittel der Abwärtsbewegung des S&P 500 egalisiert wurden … jetzt, da man wieder da ist, wo man vor diesem denkwürdigen 2. April war … müssen Fakten weiterkaufen. Denn jetzt kommen die schwierigen Hürden, die, die schon vor dem 2. April als Widerstände wirkten und an denen sich die Bären zurückmelden dürften, wenn die Fakten nicht „passen“:

Es geht um die Widerstandszone 5.670/5.696 Punkte, mit der der Index momentan ringt. Und es geht darüber um die 200-Tage-Linie bei aktuell 5.747 Punkten, an welcher der S&P 500 Ende März nach unten abgewiesen wurde. Die Notenbanksitzung ist über die Bühne, die meisten Quartalsbilanzen liegen vor … jetzt wird es Zeit, dass da etwas Handfestes auf der Nachrichtenseite beikommt. Man darf gespannt sein, ob man kommende Woche dann minimale Fortschritte in Bezug auf China bejubelt oder aber erkennt, dass es wohl noch sehr lange dauern wird, bis es da zu einer Lösung kommt … die dann für beide Seiten nicht besser sein muss als das, was vorher war. Der S&P 500 müsste über dem Verlaufshoch von Ende März bei 5.787 Punkten schließen. Dann wären wenigstens die unmittelbar wartenden, wichtigen Widerstände überwunden. Bevor das nicht gelungen ist und das idealerweise gute Gründe auf der Nachrichtenseite hätte, bewegen sich die Bullen hier, so trittfest das alles auf den ersten Blick auch wirkt, auf Treibsand.
