MDAX: Mission Sondervermögen läuft … oder „lief“?

von Ronald Gehrt
06.03.2025 | 08:12 Uhr

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Ich kann mich nicht erinnern, dass der MDAX zuvor schon einmal an nur einem Tag um 6,15 Prozent gestiegen wäre. Ein immenser Sprung, basierend auf einer potenziell sehr bullischen Entwicklung. Wie stellt sich der Index jetzt charttechnisch dar … und was ist mit den Risiken?

Es ist ein Wechselbad der Gefühle, in dem die Anleger derzeit schwimmen. Nur geht es da nicht um warm und kühl, sondern um kochend heiß und eisig kalt. Erst ein Kurssprung am Montag, weil man die negativen Entwicklungen aus Washington als immense Chance für die deutschen Rüstungsunternehmen deutete und nicht besonnen, sondern hemmungslos kaufte. Dann am Dienstag der Kurseinbruch, nachdem das Inkrafttreten der US-Zölle gegen Kanada und Mexiko sowie die Aufstockung gegenüber China zusammen mit dem Stoppen der Waffenlieferungen für die Ukraine gelinde Panik auslösten.

Und dann am Dienstagabend die erneute Wende in Form des nach den Sondierungs-Gesprächen zwischen CDU/CSU und SPD verkündeten Plans eines „Sondervermögens“, sprich einer gewaltigen Kreditaufnahme, über 500 Milliarden Euro. Eine Summe, die nicht nur den Rahmen der Erwartungen sprengte, sondern auch dazu führte, dass man am deutschen Aktienmarkt zu Werke ging, wie diese politisch in den Raum gestellte Summe wirkte: zügellos.

Wie extrem die Akteure am Mittwoch wüteten, zeigt sich, wenn man sich einmal die Kursveränderungen der fünf größten Gewinner und der fünf einzigen Verlierer des Tages im MDAX ansieht. KION Group, Bechtle, Bilfinger, Hochtief und Jungheinrich hießen die Top-Gewinner. Allesamt mit Kursgewinnen von knapp 15 bis gut 20 Prozent – an nur einem Tag! Selbst Schott Pharma auf Platz 13 der MDAX-Gewinner schaffte mit +10,14 Prozent noch einen prozentual zweistelligen Anstieg. Dagegen waren die einzigen fünf Verlierer bis auf HelloFresh allesamt Vertreter der Immobilienbranche, weil die im Sondervermögen keinen Platz finden und wohl eher von der Bemerkung der Verhandlungsführer betroffen sein dürften, dass man dafür woanders natürlich werde sparen müssen.

MDAX: Tages-Chart vom 05.03.2025, Kurs 29.763,14 Punkte, Kürzel: MDAX | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
MDAX: Tageschart vom 05.03.2025, Kurs 29.763,14 Punkte, Kürzel: MDAX | Quelle: TWS

Damit ist die Ausgangslage für die kommenden Tage und Wochen beides zugleich: potenziell bullisch und hoch riskant.

Den aktuellen Kurs und Chart des MDAX sowie Kursinformationen und alle Aktien des Index finden Sie hier.

Expertenmeinung: Auf rein kurzfristiger Ebene ist das Chartbild natürlich durchaus bullisch. Wir sehen hier, dass der gewaltige Kurssprung den Kurseinbruch des Vortages, der den Anstieg über den August-Aufwärtstrendkanal in ein Fehlsignal verwandelte, wiederum zu einem Fehlsignal machte. Jetzt scheint der Weg nach oben frei zu sein, wenngleich die negative Divergenz des RSI-indikators, der das neue Hoch des MDAX noch nicht mit einem eigenen Hoch bestätigt hat, ein Warnsignal ist. Aber der Weg nach oben ist gar nicht frei, zumindest noch nicht. Das sieht man, wenn man sich den Index in einem etwas längerfristigen Zeitraster auf Wochenbasis ansieht:

MDAX: Wochen-Chart vom 05.03.2025, Kurs 29.763,14 Punkte, Kürzel: MDAX | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
MDAX: Wochenchart vom 05.03.2025, Kurs 29.763,14 Punkte, Kürzel: MDAX | Quelle: TWS

Hier stellen wir fest, dass er in eine aus mehreren Zwischenhochs und Zwischentiefs der Jahre 2020 bis 2023 bestehende Widerstandszone zwischen 28.890 und 30.630 Punkten hinein gelaufen ist und markttechnisch seitens des RSI-Indikators erstmals seit Herbst 2021 überkauft ist. Schafft er es, diese Zone zu überwinden, wäre das nächste Kursziel die Nackenlinienzone der Toppbildung, die 2021 die große Abwärtswende besiegelt hatte, die wartet im Bereich 33.160 zu 33.410 Punkte. Wenn er es denn schaffen sollte. Denn dieser gewaltige Schwung, der durch dieses Riesen-Plus des Mittwochs entstand, kann für die Bullen auch zum Bumerang werden.

Solche Kurssprünge suggerieren natürlich auch: Wer jetzt noch nicht dabei ist, ist zu spät dran. Zumal ja völlig offen ist, ob das Sondervermögen wirklich so kommt, wer dann genau profitiert, auf wie viele Jahre das alles laufen wird und wer dafür den Kürzeren zieht, weil woanders gespart wird. Da ist der Gedanke nicht weit, dass man da jetzt binnen eines Tages das durch ein solches Investitionspaket entstehende Gewinnpotenzial vieler Unternehmen auf Jahre hinaus vorweggenommen hat. Das muss nicht zwingend dazu führen, dass der MDAX wieder sang- und klanglos aus dieser Widerstandszone 28.890 zu 30.630 Punkte nach unten herausrutscht. Aber es ist zumindest ein Grund, sich eines Ausbruchs über diese Zone hinaus besser nicht zu sicher zu sein.

Alles auf einmal zu machen führt im „normalen Leben“ dazu, dass dann plötzlich nichts mehr zu tun ist. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass das im Fall des MDAX auch so kommt, daher: Diese „Mission Sondervermögen“, die die Bullen da gestartet haben, muss nicht, könnte aber durchaus schon zum großen Teil erfüllt sein.

Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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