Dow Jones: Ihr wollt es … ihr bekommt es

von Ronald Gehrt
25.08.2025 | 08:20 Uhr

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Es hat lange gedauert, die erstmals letzten November überschrittene, runde Marke von 45.000 Punkten im Dow Jones deutlicher zu bezwingen. Am Freitag war es endlich so weit. Die Bullen wollten den Ausbruch, sie bekamen ihn. Aber ist eine Bullenfalle schon vom Tisch?

Ausgerechnet das US-Index-Flaggschiff hatte die Hochs vom vergangenen Herbst noch nicht überboten. Und das in einer Phase, in der immer mehr neue Anleger an die Börsen strömen. Die wollen Gewinne sehen. Kommen sie nicht, läuft man Gefahr, dass da zu viele Kasse machen und der Markt abdreht. Vor allem, weil es für ein Abdrehen ja immer mehr Argumente gibt. Viele der jüngsten Konjunkturdaten waren problematisch. Da musste also etwas passieren. Und am Freitag passierte es dann auch.

Da der „Volksmund“ davon ausgeht, dass sinkende Leitzinsen die Wirtschaft beleben, das wiederum die Unternehmensgewinne befeuert und Zinssenkungen somit immer bullisch sind, war der Anlass einer angekündigten Zinssenkung für die Attacke der Bullen ideal.

Zwar wissen erfahrene Investoren, dass Zinssenkungen nicht zwingend für steigende Gewinne und mit ihnen für steigende Aktien sorgen müssen. Und sie werden bemerkt haben, dass US-Notenbankchef Powell in seiner Rede so klar nun auch wieder nicht war, was nennenswerte Maßnahmen der „Fed“ angeht. Aber das bullische Lager konnte davon ausgehen, dass sehr viele sich nicht gut genug auskennen, um über Faustregeln hinauszukommen. Und sie konnten davon ausgehen, dass man auch gar nicht so genau hinter den Vorhang schauen würde, solange die Anleger bekommen, was sie sich wünschen: neue Hochs. Doch ist damit der „Deckel“ vom Dow Jones wirklich fort …

Den aktuellen Kurs und Chart des Dow Jones sowie Kursinformationen und alle Aktien des Index finden Sie hier.

Expertenmeinung: … oder wurde er nur durch die Vehemenz der parallel zur Rede des US-Notenbankchefs losgetretenen Rallye angehoben, fliegt den Bullen aber in Kürze von oben schwer auf die Köpfe? Letzteres ist denkbar genug, um die Sache mit der (an der Börse ja eigentlich sowieso immer gebotenen) Vorsicht anzugehen.

Denn normalerweise riskieren erfahrene Trader nicht, sich einer derart losgelösten Bullenherde sofort entgegenzustellen. Wer an der Nachhaltigkeit dieses Ausbruchs zweifelt, versucht nicht, ihn zu verhindern, sondern wendet die gute, alte Torero-Taktik an: Warten, bis die Bullen sich verausgabt haben, und erst dann gezielt zuschlagen. Und um das zu tun, sprich diesen Ausbruch für Gewinnmitnahmen und ggf. einen Switch auf Short zu nutzen, gäbe es ja allemal Argumente.

Denn was könnten niedrigere Leitzinsen denn bewirken? Sie machen die Verschuldung des Staates billiger, weil der dann für seine Anleihen weniger Zinsen berappen muss. Aber davon hat die Wirtschaft wenig. Sie machen Investitionen der Unternehmen billiger, aber dazu müssten die auch investieren wollen. Dafür braucht es Planungssicherheit. Und für die steht der derzeitige US-Präsident bekanntlich eher nicht. Und sie sind ein ernsthafter „Booster“ für die Inflation, wenn Folgendes passiert:

Dow Jones: Tages-Chart vom 22.08.2025, Kurs 45.631,74 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Dow Jones: Tages-Chart vom 22.08.2025, Kurs 45.631,74 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS

Sollte der US-Leitzins nur langsam und behutsam gesenkt werden, passiert ohnehin nichts, das einer sofortigen Reaktion am Aktienmarkt bedürfte. Käme es aber zu schnellen, weitreichenden Senkungen, könnten viele auf die Idee kommen, dass zwar die Inflation anzieht, billigere Kredite das aber ausgleichen und den Konsum ankurbeln. Aber was würden die Unternehmen bei einer steigenden Nachfrage tun? Sie würden die Preise erst recht anheben. So geschehen auch 2022, was mit ein Grund war, warum die Inflation trotz radikaler Zinserhöhungen nicht schnell unter Kontrolle kam. Man hatte zuvor zu lange zu viel zugelassen. Der Druck, der vom Oval Office aus auf die Notenbank wirkt, könnte dieses Szenario erneut heraufbeschwören.

Leitzinssenkungen können positiv wirken, sicher sind sie erst einmal aber nur eines: riskant. Und der Dow Jones selbst ist schon jetzt ziemlich teuer bewertet. Derzeit sehen wir da ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 25 bei einer zugleich mickrigen Durchschnitts-Dividendenrendite von 1,6 Prozent. Dass sich da einige überlegen könnten, diesen Sprung nach oben zu nutzen, um zu unerwartet hohen Kursen Kasse zu machen, sobald der Schwung der Rallye nachlässt, ist daher nicht allzu weit hergeholt.

Es ist zumindest denkbar genug, um diese charttechnische Veränderung der Lage zu nutzen, um auch die eigene Absicherung anzupassen. Denn was bislang der „Deckel“ war, muss jetzt als „Boden“ halten. Wenn nicht, stimmt was nicht.

Zwar muss man diesem jetzt als Support dienenden Bereich um 45.000/45.100 Punkte eine Rangierzone einräumen, d.h., erst, wenn der Dow Jones deutlicher, mindestens 500 Punkte, unter die 45.000 zurückfällt, sollten die Warnlampen angehen. Aber wenn es dazu käme, könnte sich ein Rücksetzer schnell zu einer größeren Korrektur ausdehnen. Daher: Agieren Sie hier besser nicht ohne „Fallschirm“ in Form konsequenter Stoppkurse!

Dow Jones: Wochen-Chart vom 22.08.2025, Kurs 45.631,74 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Dow Jones: Wochen-Chart vom 22.08.2025, Kurs 45.631,74 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS

Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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