Dow Jones: Diese Messe ist noch nicht gelesen!

von Ronald Gehrt
11.04.2025 | 08:25 Uhr

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Der Rallye des Mittwochs folgten beim Dow Jones gestern keine Anschlusskäufe, sondern Gewinnmitnahmen. Dass es gelang, die aufzufangen und aus einem zeitweise großen am Ende ein kleines Minus zu machen, war hilfreich, lässt den Ausgang der Sache aber offen.

Dass es nach einer Kursexplosion, die beim US-Index-Flaggschiff Dow Jones am Mittwoch 7,87 Prozent ausgemacht hatte, zu Gewinnmitnahmen kommen würde, war grundsätzlich zu erwarten. Die „good news“ waren heraus, viele hatten sofort reagiert oder, wenn sie auf der Short-Seite überrollt wurden, reagieren müssen. Warum dann also nicht ein paar Gewinne mitnehmen. Aber zeitweise lag der Dow Jones gestern bis zu 5,3 Prozent im Minus. Das hätte also glatt schiefgehen, das gigantische Plus des Vortages verloren gehen können. Und das war dann doch eine Überraschung.

Sie sehen zwar in den Charts, dass es gelang, diese Abschläge deutlich zu verringern, am Ende standen -2,5 Prozent zu Buche. Aber dennoch kommt der Eindruck auf, dass diese Messe noch nicht gelesen ist und die Bullen, wenn sie die Sache über die Ziellinie bringen wollen, umgehend nachlegen müssen.

Der Dow Jones hat ziemlich genau da gedreht, wo es höchste Eisenbahn wurde, um ein mittelfristiges Abwärtssignal abzuwenden. Sie sehen das im Chart auf Wochenbasis:

Dow Jones: Wochen-Chart vom 10.04.2025, Kurs 39.593,66 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Dow Jones: Wochenchart vom 10.04.2025, Kurs 39.593,66 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS

Der abrupte Aufwärtsschwenk erfolgte knapp über der bei 36.222 Punkten verlaufenden 1.000-Tage-Linie und führte dazu, dass die zuvor bereits unterbotenen Supportlinien in Form des 2022er-Jahreshochs und der unteren Begrenzung des im Herbst 2022 etablierten Aufwärtstrendkanals zum Handelsende wieder überwunden waren. Das ist eine gute Grundlage für eine Aufwärtswende. Aber es ist noch nicht genug, nicht in diesem Umfeld. Und dass diese Gewinnmitnahmen und womöglich auch erste Rückkäufe der Bären die Sache schon am Tag 1 danach zum Wackeln brachten, unterstreicht das.

Den aktuellen Kurs und Chart des Dow Jones sowie Kursinformationen und alle Aktien des Index finden Sie hier.

Expertenmeinung: Was es bräuchte, ist die Rückkehr des Vertrauens, nicht jeden Moment von einer fatalen Nachricht überrumpelt und in die Verlustzone katapultiert zu werden, damit die Anleger wirklich zurückkommen. Man sollte nicht vergessen, dass der von Kurslücken geprägte Verlauf der vergangenen Wochen viele unerfreuliche Geschichten erzählt, von Anlegern, die nicht nur einmal, sondern mehrfach auf dem falschen Fuß erwischt wurden und viel Geld verloren haben. Und dieser Anlass, der die gigantische Kaufwelle am Mittwoch auslöste, ist dafür ein wackliges Fundament.

Dow Jones: Tages-Chart vom 10.04.2025, Kurs 39.593,66 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
Dow Jones: Tageschart vom 10.04.2025, Kurs 39.593,66 Punkte, Kürzel: INDU | Quelle: TWS

Dass Anschlusskäufe ausblieben, dürfte vor allem daran gelegen haben, dass viele durch die Dimension der Vortages-Hausse förmlich in eine Kaufpanik versetzt wurden. Man wusste, mal wieder, nicht, was genau los war und hatte Angst, die Wende zu verpassen. Die Bären hatten aufgrund der Intensität des Kursanstiegs ohnehin keine Wahl, sie mussten eindecken, um nicht extremste Verluste zu erleiden oder wegen fehlender Kapitalreserve über Margin Calls zwangsverkauft zu werden. Aber dann hatte man am Mittwochabend und am Donnerstagmorgen die Zeit, die zuvor gefehlt hatte, die Sache abzuwägen.

Die Medien berichteten, dass Donald Trump zwar von einigen aus seinem Umfeld schon seit Tagen bekniet wurde, seine Aktion vom „Tag der Befreiung“ am 2. April abzuschwächen, um keine Katastrophe am Aktien- und Anleihemarkt auszulösen. Aber er soll sich erst im Laufe dieses Mittwochs spontan entschieden haben, das wirklich zu tun. Da gehen die Bemühungen einzelner Regierungsvertreter am Donnerstag, man habe das alles geplant, ins Leere … zumal: Wäre es wirklich geplant gewesen, wäre die Umsetzung eine skandalöse Ohrfeige für die US-Sparer gewesen. Denn viele, die voller Furcht im Vorfeld verkauft hatten, hätten dadurch auf einmal teurer wieder einsteigen müssen und haben das wohl teilweise auch getan.

Diese Gewinnmitnahmen dürften also durch sich mehrende Zweifel in Bezug auf die Frage, ob man in Washington wirklich weiß, was man da tut, intensiviert worden sein. Und damit kommt dem heutigen Handelstag und den ersten Tagen der kommenden Woche eine immense Bedeutung zu. Denn wer zweifelt, schaut auf die Kurse, um zu sehen, ob sich die eigenen Zweifel da widerspiegeln oder nicht. Gelingt es heute, den Dow Jones weiter nach oben zu ziehen, idealerweise die Kurslücke vom 3. April zu schließen und sich näher an die bei derzeit 42.290 Punkten verlaufende 200-Tage-Linie heranzuschieben, suggeriert das, dass der Markt wieder mehr Vertrauen hat, dass genug Anleger der Ansicht sind, man sei wieder in der Spur, um auch zuzugreifen. Aber …

… wenn die Abgaben heute oder Anfang der Woche erneut einsetzen, wenn das Plus dieses Super-Rallye-Mittwochs immer mehr schwindet und nicht wie am Donnerstag bemüht wirkende, aber immerhin erst einmal effektive Käufe die Verluste eingrenzen, kommt auch kein Vertrauen auf, dann schlägt die Sache um. Es könnte schon reichen, dass der Dow Jones unter das gestrige Tages-Verlaufstief bei 38.428 Punkten rutscht, um Trumps „Coup“ komplett verpuffen zu lassen. Diejenigen, die gestern verhinderten, dass der Dow Jones gleich wieder abdreht, müssen also heute erneut ran. Versagen sie, dürfte es das mit der Chance auf eine umgehende Wende gewesen sein.

Sofern nicht anders angegeben, beabsichtigen wir nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

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Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

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